Nicht das kleinste Zeichen der Reue:
Wo ist ihr B'Tselem?
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz,
06.01.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Eitan Ronel, ehemaliger Oberstleutnant, gab
diese Woche seine Rangabzeichen an den Generalstabschef zurück. Er
fügte einen bitteren Brief bei. "Das menschliche Leben hat den Wert
und die Werte verloren, nach denen wir erzogen wurden. Werte wie
"die Reinheit der Waffen" sind zu einem schlechten Witz geworden",
schrieb er.
Ronels Protest bezüglich der Vorgehensweise der
israelischen Verteidigungsarmee (IDF) in den palästinensischen
Gebieten ist nicht der erste und wird nicht der letzte sein. Es gab
bereits die Reservisten-Piloten, die Sayeret-Matkal-Kommandos und
die Proteste der Schüler der zwölften Klassen. Vier ehemalige Chefs
des israelischen Geheimdienstes Shin Bet und ein früherer Leiter des
Geheimdienstes Mossad kritisierten ebenfalls. An oberster Stelle der
Proteste stehen die Menschenrechtsorganisation B'Tselem und die
Friedensbewegung Gush Shalom. Hinzu kommen Politiker wie z. B.
Beilin, Sarid und Burg, die sich sehr für den Frieden mit den
Palästinensern einsetzen und die deren Leid spüren. Wir haben
Untersuchungskomitees, die prüfen, wie und warum palästinensische
Frauen und Kinder in dieser oder jener israelischen Operation
getötet wurden. Wir haben einen obersten Gerichtshof, den jeder
Palästinenser anrufen kann. Wir haben Medien, die auch nicht der
kleinsten Ungerechtigkeit oder dem kleinsten Fehler erlauben,
durchzugehen. Wir haben Kolumnisten, deren Herz gemeinsam mit den
Herzen der Palästinenser schmerzt.
Was ich nun gerne wissen würde, ist, warum es auf
der palästinensischen Seite niemanden gibt, der gegen die Politik
des Hasses und des Blutvergießens der palästinensischen
Autonomiebehörde (PA) schreit. Wo ist ihr B'Tselem? Wo sind die
palästinensischen Verweigerer, die sich gegen den Mord an
israelischen Frauen und Kindern stellen?
Wie kommt es, dass jeder hier in Israel sofort
nach einer Untersuchung verlangt, wenn palästinensische Zivilisten
in einer unserer Militäroperationen getötet werden, während
palästinensische Selbstmordattentäter keine Skrupel haben, einen mit
Kindern voll gepackten Bus zu besteigen oder ein überfülltes
Restaurant zu betreten, um sich darin selbst in die Luft zu
sprengen, wobei sie sich voll bewusst sind, wen sie mit sich in den
Tod reißen? Diese Selbstmordattentäter werden nicht nur nicht
kritisiert, sondern ihre Familien werden auch noch mit Respekt
behandelt und mit Vergünstigungen und Pensionen überschüttet.
Während wir heftig über Möglichkeiten, den
Konflikt zu lösen, diskutieren, hat die palästinensische Regierung
nur eine Art und Weise, und diese beginnt und endet mit Gewalt. Die
Palästinenser saugen den Hass gegen Israel mit der Muttermilch ein.
Von Kindesbeinen an wird ihnen gesagt, dass die Juden sterben
müssen.
In ihren Schulbüchern wird natürlich nicht
gesagt, dass diejenigen, die ihre Rechte gestohlen haben, die
arabischen Staaten waren, die während ihres Angriffs von 1948 gegen
Israel in das Land einmarschierten, das der UN-Teilungsplan
eigentlich für die Palästinenser vorgesehen hatte. Es wird nicht
gesagt, dass die Palästinenser erst im Jahr 1967 von der arabischen
Besatzung befreit wurden – und zwar durch Israel. Tatsächlich ist es
für die Palästinenser einfacher, unter israelischer Kontrolle nach
einem unabhängigen Staat zu streben, als es dies unter
jordanisch-ägyptischer Herrschaft war.
Immer dann, wenn ein wirklicher historischer
Augenblick kommt –wie das Oslo-Abkommen oder die
Clinton-Barak-Initiative- beginnen die Palästinenser inmitten der
israelischen Bevölkerungszentren mit einer Reihe von
Selbstmordanschlägen. Die Palästinenser haben alle roten Linien
überschritten. Sie haben auch israelische Friedensaktivisten in
Radikale verwandelt, haben sie in wütende Rebellion gegen das, was
um sie herum geschieht, getrieben. Doch während wir reagieren,
während wir uns selbst quälen, während wir uns jede Sekunde fragen,
ob wir nicht zu weit gegangen sind und ob wir nicht aufhören
sollten, haben die Palästinenser niemals auch nur das kleinste
Zeichen der Reue über einen Selbstmordanschlag gezeigt, ganz egal
wie massiv oder wie grausam er war.
Anstatt dass die palästinensische
Autonomiebehörde die Hamas unter Kontrolle behält, ist es die Hamas,
die den Ton angibt. Selbst in Zeiten der Trauer und des Leides sind
unsere beiden Völker Welten voneinander entfernt. Wenn wir unsere
Toten begraben, weinen wir leise am Grab. Sie machen aus jeder
Beerdigung eine lärmende Demonstration des Hasses und der Hetze
gegen Israel.
Israels Gesellschaft befindet sich in einer
schonungslosen Diskussion. Die Regierung wird dafür kritisiert,
nicht genug zu tun, um den Konflikt zu beenden. Vor der Intifada gab
es Zeichen, dass eine Koexistenz möglich ist: Zehntausende von
Israelis fuhren in die palästinensischen Gebiete, um sich ihre Zähne
richten zu lassen, um ihre Autos reparieren zu lassen, um dort
Lebensmittel einzukaufen. Hunderttausende von Palästinensern
arbeiteten ordnungsgemäß in Israel.
Heute findet der einzige Kontakt über die Mündung
eines Gewehres statt, oder über die Kontrollpunkte der Armee, über
Kampfhubschrauber, über Kassam-Raketen und über Sprengstoffgürtel.
Die Vergeltungsmaßnahmen der IDF in den palästinensischen Gebieten
mögen brutal sein. Doch es gibt hier in Israel Menschen, die mit dem
bitteren Los der Palästinenser mitfühlen.
Hier findet man Wut gemischt mit Mitleid. Dort
findet man Wut gemischt mit Hass. Unter der israelischen Oberfläche
besteht weiterhin die Hoffnung auf Frieden. Für die Palästinenser
ist der Hass total und blind. In Israel steht man hinter dem
Fahrplan des amerikanischen Präsidenten und dessen Forderung, den
Palästinensern einen eigenen Staat zu geben. Und doch wollen die
Palästinenser das eine nicht tun, das ihnen die Tür dahin öffnen
würde: die Terrorinfrastruktur zerstören. Abu Mazen (Mahmoud Abbas)
wurde vertrieben. Und Abu Ala (Ahmed Qureia) folgt den Befehlen
Arafats, der nur den Weg des Terrors kennt.
Nicht der Zaun wird die Dinge ändern. Sondern das
Niederreißen der Mauer des Hasses, die die Palästinenser zwischen
den beiden Völkern errichtet haben.
hagalil.com
06-01-2004 |