Proklamationen und Moscheen:
Das Netz in Italien
Von Magdi Allam
Am Tag nach der Ermordung Scheich Achmed Yassins, des
geistigen Führers der Hamas, ist die Sorge in Italien groß und die
Alarmstufe erhöht. Hamas hat bislang keine Terroranschläge außerhalb
Israels und den besetzten palästinensischen Gebieten verübt. Aber es
ist auch wahr, dass Hamas in Europa sehr stark bei der Rekrutierung
von shahid Kandidaten, - islamischen "Märtyrern" - engagiert ist.
Wir befanden uns am 25. Mai 2002, in der römischen
Residenz von Nemer Hammad, seit 20 Jahren Yasser Arafats Botschafter
in Italien. Am Gespräch nahm auch Ibrahim Salem Abayat teil, einer
der drei Palästinenser, der aufgrund des Abkommens mit Israel nach
der Belagerung der Geburtskirche in Betlehem in Italien Asyl
gefunden hat. Ungefähr um 23 Uhr, läutete das Handy von Abayat, der
sich zurückzog, um allein zu sein und nach Beendigung des Gesprächs
nur sagte, "es war Khaled Mashaal", der Chef des politischen Büros
von Hamas. Eine Telefongespräch, das vielleicht fünf Minuten
dauerte, und die prominente Rolle, die Abayat innerhalb der
integralistischen islamischen palästinensischen Bewegung spielt
deutlich machte. Trotz des mit den italienischen Behörden
vereinbarten Verbots, hat Abayat Kontakte mit den Vertretern der
Hamas in Italien aufrechterhalten, was unseren Geheimdiensten nicht
verborgen blieb. Und die gestern genau überprüft wurden.
Die Rekrutierungsaktivitäten der Hamas wurden ohne
den Schatten eines Zweifels von einem Video bestätigt, das am 8.
März gezeigt wurde, in dem die ersten zwei britischen kamikaze
pakistanischen Ursprungs erscheinen, die sich am 30. April 2003 in
einem Café in Tel Aviv gesprengt haben, und so den Tod von drei
Israelis und die Verletzung von anderen 55 verursachend. [Das
Attentat wurde nur von einem verübt, der andere flüchtete, da sein
Sprengsatz nicht funktionierte und ist im Meer ertrunken K.P.]
Zum ersten Mal hörte man das englischsprachige
Testament der beiden kamikaze Kandidaten: "Wir wollen unser Leben
hingeben für Allah und um uns zur rächen an den Juden und
Kreuzfahrern". Dank ihrer direkten Bezeugung wurde bekannt, dass der
27 jährige Omar Khan Sharif, Vater zweier Kinder und der 22 jährige
Asif Hanif, indoktriniert, rekrutiert und an den Ort des
"Martyriums" durch Hamas gesandt wurden. Als Ergebnis einer
verabreichten Gehirnwäsche in Moscheen in London und Derby.
Und nun haben die Untersuchungen, die unsere
Geheimdienste in einigen italienischen Moscheen – hauptsächlich in
der Lombardei – vorgenommen haben, gezeigt, dass von hier mujahiddin
und shahids hervorgegangen sind, die sich im Irak in die Luft
gesprengt haben. So kann man nicht die Tatsache unterschätzen, dass
ein großer Teil der ungefähr 400 Stätten des islamischen Kultus auf
unser Territorium mit Ucoii (Vereinigung der islamischen Gemeinden
und Organisationen in Italien) verbunden ist, die zum gewaltigen
internationalen Netz der Moslembrüder gehört.
Deren geistiger Führer, Mohammed Mahdi Akef hat
gestern in Ägypten versprochen die Ermordung des Scheich Yassins zu
rächen mit Schlägen gegen israelische und amerikanische Ziele. Denn
tatsächlich ist Hamas, die Speerspitze der militanten und
revolutionären Struktur der Moslembrüder.
Hamza Roberto Piccardo, Generalsekretär der Ucoii,
ist der bekannteste und flammendste Verteidiger der Hamas Ideologie
und Strategie in Italien. 2002 hat Piccardo den Selbstmordterror mit
seiner Unterschrift auf einem in der website
www.aljazirah.it
veröffentlichten Dokument der ägyptischen Moslembrüder
gerechtfertig. In diesem liest man: "Die Märtyreroperationen, die
Palästinenser nun in den besetzten Gebieten vollbringen um sich von
der Unterdrückung zu befreien, sind im höchsten Grad Teil des
Jihads, und der Tod den man in diesen Operationen erreicht, wird als
die höchste und absoluteste Form des Martyriums anerkannt. Das
Martyrium ist ein heroischer Akt, durchgeführt von einer Person, die
ihre Seele opfert auf dem geraden Weg zu Gott, um sich selbst, die
Heimat, die Gemeinde, die Würde, die Ehre, die Religion und die
heiligen Stätten zu verteidigen."
Im letzten Absatz aber ist die wegen ihrer konkreten
und operativen Implikation bedeutendste Stelle enthalten: "Wir
können die Palästinenser nicht allein lassen, denn die
palästinensische Frage betrifft jeden Moslem. Der Jihad ist von
diesem Moment an, eine göttliche Verpflichtung die in der ganzen
Gemeinde anwendbar ist. Der Jihad mit der Seele, mit dem Geld, mit
den Worten, mit der Verbreitung der Wahrheit, jedermann nach seinen
Fähigkeiten und Möglichkeiten." Es handelt sich um eine richtige
fatwa, eine für den Gläubigen verbindliche islamische
Rechtsauslegung, die Piccardo namentlich unterzeichnet hat. Eine
fatwa, die auch die Moslems in Italien verpflichtet am Jihad gegen
"das zionistische, rassistische und kolonialistische Gebilde"
teilzunehmen, in dem man unterschiedslos Israelis tötet, weil "alle
das Land usurpieren, die Würde vergewaltigen, die heiligen Stätten
verunreinigen und als Kämpfer beurteilt werden".
Wie wichtig Ucoii in der Strategie des
weltumfassenden integralistischen Netzes ist, sah man am 5. Januar
in Rimini, wo sie ihren 23. Kongress abhielten. Daran nahmen teil
Abu Jarra Sultani Vizepräsident des algerischen Parlaments und
Mohammed Mursi, Fraktionschef der Moslembrüder im ägyptischen
Parlament. Aber es sind nicht
nur die irgendwie mit Ucoii verbundenen Moscheen, die unseren
Sicherheitsbehörden nach der Ermordung von Scheich Yassin Sorge
bereiten. Beleuchtet wird auch das weite Netz der ideologischen
Unterstützung und der tatsächlich Kollaboration die islamische
Integralisten mit den extrem linken und extrem rechten Kräften in
Italien aufrechterhalten. Genug die Namen des ständigen Rates der
destruktiven "Komitees für den Widerstand des irakischen Volkes",
die sich während der vergangenen Monate gebildet haben.
Neben Picardo, finden wir, Aldo Bernardini
[Stalinist, Sympathisant von Milosevic K.P.], Jean Marie Benjamin
[kath.Priester, veröffentlichte sein Buch im rechtsextremen Verlag
all Insegna del Veltro, Sympathisant und Propagandist des irakischen
Baath-Regimes K.P.] , Luigi Cortesi [Kommunist], Roberto Costanzo
Preve [Chefideologe des Antiimperialistischen Lagers K.P.], Leonardo
Mazzei [Antiimperialist, Querfrontbefürworter K.P], Claudio Moffa
[Antiimperialist, Querfrontbewürworter K.P.], Moreno Pasquinelli
[Sprecher des Antiimperialisten Lagers K.P.] und Giuseppe Pelazza
[Kommunist, Querfrontbefürworter K.P].
Es würde auch genügen aus den Aussagen Picardos zu
zitieren, die er in seiner Ansprache "Der Islam und der Kampf gegen
die Imperialismen" am 26. Februar 2003 in Florenz während einer vom
Antiimperialistischen Lager organisierten "theoretischen Konferenz
über Imperialismus, Krieg und Klassenkampf" gehalten hat. An dieser
nahm auch Abd al-Jabbar al-Kubaysi, der Führer der "irakischen
nationalen Allianz" teil, der für Attentate gegen Amerikaner und
"Kollaborateure" in Al Falluja wirbt. Dieses Netz des globalisierten
Radikalismus macht am meisten Angst.
Quelle: Corriere
della Sera, 23.3.2004
Übersetzt von Karl Pfeifer
hagalil.com
25-03-2004 |