Bilanz:
Die Intifada ist beendet
Von Ulrich W. Sahm
Die Intifada brach am 29. September 2000 aus,
einen Tag nach dem "provokativen" Besuch Ariel Scharons auf dem
Tempelberg, dem wichtigsten Heiligtum der Juden und dem
drittwichtigsten Heiligtum der Moslems. An der Stelle des
salomonischen Tempels mit dem Allerheiligsten stehen heute der
Felsendom und die El Aksa Moschee.
Die Intifada, der "Aufstand der Palästinenser gegen die Besatzung",
der "Freiheitskampf für Unabhängigkeit" oder auch der Versuch, "mit
Gewalt politische Ziele durchzusetzen", dauerte 1558 Tage an. Die
Israelis zählten in dieser Zeit 20.406 Anschläge, darunter 138
Selbstmordattentate und 13.730 Schussüberfälle. Die Palästinenser
schossen 460 selbstgebaute Kasamraketen auf israelische Ziele ab.
Die Israelis erlitten nach Angaben der Zeitung Jedijot Achronot 1036
Tote und 7.054 Verletzte. Nach Angaben des israelischen
Militärsprechers waren ein Drittel der israelischen Toten Soldaten,
wobei die Meisten in gesprengten Bussen oder Restaurants zusammen
mit Zivilisten getötet wurden und nicht im Kampf.
Die Palästinenser erlitten insgesamt 3592 Tote. Israel bezeichnet
959 von ihnen als "Terroristen". 208 Palästinenser wurden "gezielt
getötet" oder "liquidiert", je nach Formulierung. Unter den 138
Selbstmordattentätern waren 8 Frauen. Über 600 palästinensische Tote
waren Mitglieder der Sicherheitsdienste (Polizei, Geheimdienst),
also Gehaltsempfänger der Autonomiebehörde und nicht Mitglieder
extremistischer Organisationen wie Hamas oder Dschihad.
Gemäß einer Statistik des Instituts für Gegen-Terror starben 126
palästinensische Frauen und mehr als doppelt so viele israelische
Frauen (285). Die Palästinenser hatten 985 tote Zivilisten zu
verzeichnen, die Israelis 715. Die übrigen Opfer auf beiden Seiten
werden da "Kombattanten" bezeichnet. 365 Palästinenser wurden von
ihren eigenen Leuten getötet. Auf der israelischen Seite kamen 22
Menschen durch eigenes Feuer um. Kinder unter 12 Jahren, die nicht
in die Kämpfe verwickelt waren und getötet wurden: 80 auf der
palästinensischen Seite und 36 bei den Israelis. Nicht-Kämpfer,
älter als 45: bei den Palästinensern 82, auf der israelischen Seite
226.
Gemäß einer palästinensischen Statistik kamen während der Intifada
3336 Palästinenser ums Leben (zweihundert weniger als in der
israelischen Aufstellung). Die Palästinensische Organisation zur
Beobachtung von Menschenrechten zählt nur 146 "liquidierte"
Palästinenser, ausnahmslos Mitglieder extremistischer
Organisationen. In den vier Jahren Intifada wurden 23 Palästinenser
von Siedlern ermordet. Die Zahl der getöteten Siedler hingegen
dürfte mehrere hundert betragen.
Die veröffentlichten Statistiken sind extrem widersprüchlich, da
jede Seite und jede buchführende Organisation unterschiedliche
Kriterien verwendet. So reden die Palästinenser von getöteten
"Zivilisten", selbst wenn es sich um schwerbewaffnete "Kämpfer"
handelte, die zwar Extremistenorganisationen angehörten, nicht aber
Mitglieder der offiziellen Streitkräfte waren. Die Israelis
unterscheiden nicht zwischen Siedlern und anderen getöteten Bürgern.
Auf beiden Seiten werden Ausländer mitgezählt, ohne sie separat
aufzuführen. So kamen bei palästinensischen Selbstmordattentaten
chinesische, thailändische oder philippinische Gastarbeiter sowie
Studenten aus Frankreich und den USA ums Leben, während bei
israelischen Attacken zum Beispiel ein deutscher Chiropraktiker und
ein italienischer Fotograf getötet wurden.
Die Totenzahlen werden von beiden Seiten für propagandistische
Zwecke instrumentalisiert, was aber keine befriedigende Erklärung
für die widersprüchlichen Angaben liefert. So redeten die
Palästinenser von 500 bis 3000 Toten allein beim "Massaker von
Dschenin" im Frühjahr 2002. Eine offizielle Untersuchung der UNO
ergab jedoch, dass in Dschenin 52 Palästinenser, zwei Drittel von
ihnen bewaffnete Kämpfer, und 23 israelische Soldaten umgekommen
waren. Als "Opfer der Intifada" werden auch alte Leute mitgezählt,
die an einer Straßensperre einen Herzinfarkt erlitten. Niemand kann
jedoch beweisen, dass sie noch am Leben wären, wenn es keine
Straßensperre gäbe. Die Nachrichtenagenturen ap und Reuters
veröffentlichten mit jedem Bericht über den Nahen Osten ihre eigenen
Todesstatistiken. Da wurden bei ap zum Beispiel palästinensische
Selbstmordattentäter mitgezählt, als seien sie "von den Israelis
getötet" worden. Argumentiert wurde, dass palästinensische Kämpfer
gelegentlich israelische Stellungen oder Ortschaften angegriffen
hätten, in der Gewissheit, die Attacke nicht zu überleben. Sie
wurden tatsächlich erschossen. Für ap seien sie gleichzusetzen mit
"Selbstmordattentätern", die sich mit einer Sprengstoffjacke in
einem Bus in die Luft jagen.
hagalil.com
10-02-2005 |