Yoram
Schweitzer
Jaffee Center for Strategic Studies – Tel Aviv University
Der Selbstmordanschlag auf die Tel Aviver Jazzkneipe "Mike's
Place" in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai steht in einer langen
Reihe von Selbstmordattentaten, die in Israel zur traurigen Routine
des täglichen Lebens geworden sind. Bei dem Anschlag kamen zwei
Israelis und eine französische Kellnerin ums Leben. Seit 1993 gab es
über 155 Selbstmordanschläge, ausgeführt von 250 Attentätern.
Die Besonderheit des jüngsten Anschlags in Tel Aviv liegt darin,
dass die beiden Attentäter, Asif Muhammed Hanif und Omer Khan
Sharif, britische Staatsbürger mit pakistanischen Wurzeln sind.
Medien sprachen zwar von einer "neuen Qualität" im Terror gegen
Israel, doch oft wird vergessen, dass palästinensisch-extremistische
Gruppen schon in den 70iger Jahren junge Menschen, besonders Frauen
und junge Europäer britischer, niederländischer, aber auch
peruanischer Herkunft rekrutierten. Ziel war dabei, die strengen
israelischen Sicherheitsvorkehrungen zu unterwandern und Sprengstoff
in Flugzeuge oder nach Israel zu schmuggeln.
Die meisten der jungen Europäer, die in die Umsetzung oder
Vorbereitung von Anschlägen gegen israelische Ziele involviert
waren, waren genau darüber informiert, was sie taten. Meistens war
ihr Auftrag mit der romantischen Vorstellung, Teil eines
"internationalen Revolutionskampfes" der palästinensischen
Organisationen von Yasser Arafat (PLO), Ahmad Jibril (PFLP) und
George Habasch (PFLP) zu sein.
In der zweiten Hälfte der 90iger Jahre fügten sich
radikal-fundamentalistische schiitische Terrorgruppen in das
komplexe Bild der antiisraelischen terroristischen Strukturen ein.
Diese Gruppen spezialisierten sich darauf, ausländische Staatsbürger
nach Israel zu entsenden, um vor Ort Anschläge auszuüben. Das
prominenteste Beispiel ist der Deutsche Steven Smirek. Er
konvertierte zum Islam und ließ sich in Deutschland von der
radikal-islamischen Terrororganisation Hisbullah rekrutierern.
Smirek wurde von der Hisbullah nach Israel entsandt, nachdem er
seine Bereitschaft offen darlegte, Selbstmordanschläge ausführen zu
wollen. 1997 wurde Smirek bei seiner Ankunft am Ben Gurion-Flughafen
festgenommen. Die Hisbullah hatte ihn auf eine Trainingsmission nach
Israel geschickt, um die Glaubwürdigkeit und Fähigkeiten des jungen
Deutschen zu testen.
In weiteren Fällen wurde versucht, libanesische Schiiten mit
ausländischen Pässen nach Israel zu senden. Ein Beispiel ist Hussein
Mikdad, der Jerusalem über die Schweiz erreichte und bei der
frühzeitigen Explosion seiner Bombe im Lawrence Hotel in
Ostjerusalem schwer verletzt wurde. Weitere Beispiele sind die
Gefangennahme von Gerard Shumann. Er erreichte im Januar 2000 Tel
Aviv über London mit Hilfe von Reisedokumenten des Staates Sierra
Leone.
Seit Jahren versucht die Terrorverbindung von Osama Bin-Laden,
Al-Qaida, unentwegt, ihren Einfluss auf den
israelisch-palästinensischen Konflikt auszudehnen. Die Organisation
betrachtet ihn als Teil des globalen "Islamischen Jihad" gegen die
"Jüdische Kreuzfahrerachse des Bösen". Im Juli 2000 schickte
Al-Qaida den britischen Staatsbürger Richard Reid nach Israel,
nachdem er ein Training in Afghanistan absolvierte. Reid reiste als
Tourist nach Israel ein und sammelte verschiedene Informationen über
mögliche Anschlagsziele in Israel. Reid erlangte später zweifelhafte
Berühmtheit, nachdem er als "Schuhbomber" versuchte, ein American
Airlines Flugzeug auf dem Weg von Paris nach Miami im Auftrag von
Al-Qaida zu sprengen.
Nabil Ukal, ein Palästinenser, der Verbindungen zur Hamas
unterhielt, versuchte ein terroristisches Netzwerk im Auftrag der
Al-Qaida aufzubauen. Auch er erhielt ein Training in Afghanistan und
kehrte danach nach Gaza zurück.
Die Beispiele sind nur eine Auswahl und zeigen, dass die
Rekrutierung von europäischen Muslimen nichts Neues ist. Viele
dieser Rekruten, die von Al-Qaida zur Ausführung von Anschlägen
ausgebildet worden sind, wurden von deutschen, französischen,
britischen und italienischen Sicherheitsbehörden festgenommen.
Nichtsdestotrotz haben die internationalen Medien richtiger Weise
von mehreren taktischen Neuheiten im Zusammenhang des Anschlags in
Tel Aviv berichtet, so z.B. die ungewöhnliche Anreise der Attentäter
über Großbritannien, Damaskus, Jordanien, Gaza, Tel Aviv. Oder der
Einsatz von hochentwickeltem Sprengstoff, der auf eine mögliche
Koordination zwischen Hamasaktivisten in Damaskus und Gaza
einerseits und Elementen der Al-Qaida in Großbritannien hindeutet.
Der Einsatz von Europäern zu antiisraelischen terroristischen
Zwecken ist nicht neu. Vielmehr ist das Attentat ein neue Warnung an
die Verantwortlichen in der westlichen Welt bezüglich der globalen
Bedrohung durch den islamischen Terror. Der Anschlag zeigt auch
einmal mehr, wie dringend notwendig die Kooperation im gemeinsamen
und effektiven Kampf gegen den Terror auch jenseits der nationalen
Grenzen ist.
© Botschaft des Staates Israel,
2003