Nach dem Shabbat-Anschlag:
Massive Militäroffensive in Hebron
Israel reagiert auf
Sabbat-Massaker. Premierminister Ariel Scharon will Anschlag zum
Anlass nehmen, um "neue" territoriale Tatsachen zu schaffen. Sein
Außenminister Benjamin Netanjahu droht Palästinenserpräsident Jassir
Arafat mit Vertreibung
Aus Jerusalem Anne Ponger
Ministerpräsident Ariel Scharon und sein
Verteidigungsminister Schaul Mofaz haben am Samstagabend eine
umfassende Militäroffensive in der autonomen Palästinenserstadt
Hebron genehmigt. Die Operation kam als Vergeltung für den Tod von
neun Soldaten - darunter der Kommandant der Hebron-Brigade, Dror
Weinberg, und drei Siedler - am Freitagabend, als Palästinenser auf
eine Gruppe von Juden schossen. Sie befanden sich auf dem Weg vom
Sabbat-Gebet am Patriarchengrab in Zentrum zurück in den
Siedlervorort Kiriat Arba. Drei der palästinensischen Angreifer
wurden getötet.
Zu dem Anschlag bekannte sich der Islamische
Dschihad. Die Attentäter hatten gezielt auf die Sicherheitskräfte
gefeuert, die die Siedler eskortierten. Die drei toten Zivilisten
gehörten einer bewaffneten Schutzeinheit an, die von den
Kiriat-Arba-Siedlern organisiert wird. Die Schlacht dauerte über
vier Stunden. Ein Problem der Truppen war, 16 teils schwer Verletzte
unter Feuer zu bergen. Es wird angenommen, dass die Angreifer
geplant hatten, nach Kiriat Arba einzubrechen und ein Massaker
anzurichten.
Premier Ariel Scharon erklärte gestern, der
Anschlag biete Anlass, mit der Anlage eines jüdischen Korridors von
Kiriat Arba ins Stadtzentrum territoriale Tatsachen zu schaffen und
die Präsenz von Palästinensern dort auf ein Minimum zu beschränken.
Am Samstag und Sonntag zerstörten Bulldozer die Olivenhaine und
Häuser, aus denen die Attentäter geschossen hatten. Die Armee rückte
in den autonomen Stadtteil ein, aus dem sie vor Ramadan-Beginn
abgezogen war. Über den arabischen Sektor Hebrons wurde eine
Ausgangssperre verhängt.
Der Vorfall in Hebron setzt dem von
Exverteidungsminister Ben-Elieser entworfenen Plan "Bethlehem und
Hebron erst" ein Ende, nach dem sich die Armee stufenweise aus den
beiden autonomen Palästinenserstädten zurückziehen sollte.
Außenminister Benjamin Netanjahu nutzte die Gelegenheit erneut, um
nach einer Vertreibung von Jassir Arafat und der Neubesetzung aller
autonomen palästinensischen Gebiete zu rufen. Das Hebron-Abkommen
von Januar 1997 erklärte Netanjahu für null und nichtig. Darüber gab
es in der wöchentlichen Regierungssitzung einen neuen Zusammenstoß
zwischen Netanjahu und dem Ministerpräsidenten. Scharon wies darauf
hin, dass dafür die weitreichende Einberufung von Reservisten nötig
wäre und man "Probleme nicht durch Slogans lösen könne".
Die für die israelische Armee so verlustreiche
Schlacht in Hebron hat schon am Wochenende zu schmerzhaften Fragen
geführt. Während die Siedler der Armee sträfliche Ineffizienz
vorwerfen und eine rechte Politikerlobby weitere Verstärkung
jüdischer Präsenz in Hebron fordert, regten linke Politiker wie
Jossi Sarid von Meretz und liberale Kommentatoren eine Untersuchung
der Lage an, in der die Armee ihre Soldaten gefährdet, damit Siedler
ihrer Routine nachgehen können. "Die Logik erfordert eine Minderung
der Risiken an Orten, wo die Armee vor einer 'mission impossible'
steht, wie in Hebron und isolierten Siedlungen", schrieb
Haaretz.
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18-11-2002 |