Hamas:
Söhne des Todes
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 17.06.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Das alte Sprichwort "Wein hinein, Wahrheit
heraus" könnte man bezogen auf Abdel Aziz Rantisi umformen in
"Rakete hinein, Wahrheit heraus". Der Hamasführer, der letzte Woche
nur mit knapper Not der vermasselten Bombenmission unserer
Apache-Hubschrauber entkommen ist, knirschte seine Zähne und
versprach, dass der bewaffnete Kampf weitergehen würde, bis der
letzte Jude hier verschwunden ist. In seinem Ärger enthüllte er das
wahre Ziel der Hamas.
Es ist kaum zu glauben, dass wir heute, 55 Jahre
nach Gründung des Staates Israel und viele Jahre nach Unterzeichnung
der Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien, wieder Drohungen
dieser Art hören, die vor 40 Jahren von Ahmed Shukeiry, dem Sekretär
der Arabischen Liga, geäußert wurden. "Wir werden die Juden dahin
zurückschicken, von wo sie gekommen sind", erklärte Shukeiry damals
im französischen Fernsehen. Und die folgende Szene dieses Interviews
werde ich nie vergessen: Als er gefragt wurde, welche Pläne er für
die in Israel geborenen Juden hat, fuhr Shukeiry mit dem Finger über
den Hals. Mit anderen Worten hieß dies: Wir werden sie abschlachten.
Anders als die PLO, die sich selbst das Etikett
einer nationalen Befreiungsorganisation anhängt, ist Hamas ein
fanatisches, religiöses Terrornetzwerk, das danach strebt, sowohl
Israel wie auch die säkulare palästinensische Herrschaft zu
zerstören. Was den Anschlag auf Rantisi betrifft, so mag man uneins
sein über den Zeitpunkt und die Methode. Doch es ist keine Frage,
dass die Führer einer Organisation, die unser Volk über ein
Jahrzehnt hinweg wahllos und ohne Unterschied getötet hat,
Terroristen sind, die es verdient haben zu sterben.
Die Hamas wurde 1988 auf dem Höhepunkt der ersten
Intifada gegründet. Sie folgte dem Beispiel des Khomeinismus im Iran
und der Hisbollah im Libanon. Hamas möchte keine Schlichtung und
keine Rückkehr zu den Grenzen von 1967. Sie strebt nach nichts
weniger als nach der Vernichtung Israels. Es ist kein Zufall, dass
drei der brutalsten Angriffe auf israelische Zivilisten gerade dann
stattfanden, als die ersten Zeichen eines Dialogs zwischen Israel
und den Palästinensern zu sehen waren.
Die Hamas hat seit dem Oslo-Abkommen von 1993 und
den Verhandlungen in Camp David 113 Selbstmordattentate ausgeführt.
72 davon fanden seit dem September 2000 statt. In dieser Zeitspanne
wurden durch diese Selbstmordattentate der Hamas 271 Israelis
getötet und 1.803 verwundet. Und diese Statistik sagt noch gar
nichts über die zahllosen Anschläge, die verhindert werden konnten.
Abgesehen davon, dass diese Anschläge unserer Wirtschaft und unserer
persönlichen Sicherheit geschadet haben, verloren auch
hunderttausende Palästinenser ihre Arbeit in Israel. Es war nicht
überraschend, dass der erste Anschlag nach dem Akaba-Gipfel, der von
der Hamas am Kontrollposten Erez in Gaza ausgeführt wurde, genau an
dem Tag geschah, als es palästinensischen Arbeitern erlaubt war,
wieder an ihre Arbeit nach Israel zurückzukehren.
Rantisi sagte einst: "Je dunkler die Nacht, desto
heller leuchten die Sterne." Dies ist die Hamas-Version der
marxistischen Maxime, dass die Dinge erst noch viel schlimmer werden
müssen, bevor sie besser werden. Diese Fusion von islamischem
Fundamentalismus und marxistischer Theorie ist ein tödliches
Gemisch, das sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde wie auch
Israel bedroht. Die Hamas hat Angst vor Scharons öffentlicher
Verpflichtung gegenüber dem Fahrplan und davor, dass er tatsächlich
sein Wort halten könnte. Und eins hat diese Organisation klar
gemacht: das Wort "Feuerpause" existiert nicht in ihrem Wörterbuch.
Eigentlich muss Israel den Ländern, die der Hamas
einen sicheren Hafen bieten, die Verantwortung vor die Tür legen.
Die palästinensische Autonomiebehörde ist jedoch kein Land und man
kann auch nicht sagen, dass Arafat sich damit beeilt, seine Kräfte
mit der Hamas zu messen. Es war falsch, dass Israel der
Infrastruktur der palästinensischen Autonomiebehörde solchen Schaden
zugefügt hat. Denn nun ist sie so schwach, dass sie nicht gegen die
Hamas vorgehen kann, nicht einmal wenn sie wollte. Wie oft haben uns
ranghohe PA-Beamte ins Ohr geflüstert: Die Hamas ist die
Missetäterin. Also, warum schlagt ihr nicht sie sondern uns?
Den Führern der Hamas einen Schlag zu versetzen
ist nicht nur gerechtfertigt, sondern dient auch dazu, sie
aufzurütteln. Sie sind sehr empfindlich, wenn die Dinge sie
persönlich berühren. Es ist eine Tatsache, dass die ranghohen
Führer, die Selbstmordattentäter aussenden, nicht unbedingt ihre
Söhne für diesen Job aussuchen.
In dieser Terrororganisation, die vorsätzlich
Frauen und Kinder ermordet, gibt es keinen Unterschied zwischen
einem politischen und einem militärischen Führer. So wie auch Osama
Bin Laden bei seinen Aktionen nicht zwei getrennten Spuren folgt.
Kein Selbstmordanschlag oder Terrorangriff wird ohne persönliche
Billigung von Sheikh Ahmed Yassin, Rantisi und ihres gleichen
ausgeführt. Diese Mörder transportieren eine Botschaft, die sowohl
politisch wie militärisch ist.
Die Entscheidung der Regierung, hart gegen die
Hamas vorzugehen, ist so lange legitim, wie sie von Bush akzeptiert
wird und so lange wie sie Abu Mazen stärkt für den Tag, an dem er
die Order ausgibt, sich seiner eigenen Altalena entgegenzustellen.
(Anmerkung
des Übersetzers: Die "Altalena"
war ein Schiff, auf dem kurz nach Gründung des Staates Israel im
Jahr 1948 Waffen nach Israel geliefert wurden, die den Israelis im
Kampf gegen die arabische Übermacht helfen sollten. Es kam zur
Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der israelischen
"Ezel"-Regimenter (unter ihnen Menachem Begin), die diese Waffen für
ihre Zwecke verwenden wollten und der Regierung unter
Ministerpräsident David Ben Gurion, die sagte, die Waffen müssten
dem Generalstab der Armee ausgeliefert werden. David Ben Gurion und
andere befürchteten, dass die enormen Waffenmengen der "Altalena" in
den Händen einer aggressiven Minderheit wie des "Ezel" zu einem
Instrument werden könnten, das die Institutionen des Staates Israel
gefährdet. Begin und seine Mitstreiter bekamen deshalb den Befehl,
sich den Anordnungen der Regierung zu beugen. Andernfalls werde auf
sie geschossen. Das Ultimatum verstrich, ohne dass sich die
"Ezel"-Einheiten beugten. Es kam zum Kampf Juden gegen Juden. Viele
waren entsetzt über diese Art von Brudermord. Regierungsmitglieder
wollten ihn vermeiden und forderten von Ben Gurion, mit dem "Ezel"
zu verhandeln, weil man Angst vor einem Bürgerkrieg hatte. Doch Ben
Gurion blieb hart: "Keine Verhandlungen mit dem "Ezel"!" Die
militärische Auseinandersetzung zwischen der regulären Armee und dem
"Ezel" ging weiter. Dabei wurde die "Altalena" beschossen und
brannte schließlich aus. Ben Gurion löste durch einen Befehl alle
"Ezel"-Regimenter –außer in Jerusalem- auf. Michel Bar Zohar
schreibt über dieses tragische Ereignis: "Die Affäre Altalena und
die Vernichtung des Ezel auf die Gefahr eines Bürgerkrieges hin
bleiben bis heute eine der dramatischsten Entscheidungen, die Ben
Gurion treffen musste. Es klingt wie ein Paradoxon, dass diese
Angelegenheit die erste Tat war, die dem jungen Staat und seinen
Institutionen den Respekt der ganzen Welt verschaffte: nun war
bewiesen, dass sich der "Staat" selbst regieren und Angriffe auf
seine Autorität zurückweisen konnte." – Alle Infos aus Michel Bar
Zohar "David Ben Gurion – Der streitbare Prophet")
hagalil.com
17-06-2003 |