Selbst der mörderische Anschlag von Madrid hat
die EU nicht wirklich aufgerüttelt:
Die EU als Papierstratege
Israel will auch weiterhin gezielt Hamas-Führer töten
- ungeachtet der weltweiten Kritik an der Besteitigung des Scheich
Jassin. Wie verhält sich die Europäische Union dazu?
Der Schlag galt dem Haupt der Hydra: Scheich Jassin
wurde von israelischen Bomben zerrissen, die Hamas empfindlich im
politischen Mark getroffen. Und selbst wenn die neuen Führer von
Hamas lautstark skandieren, dass "jetzt für Israel das Tor zur Hölle
geöffnet" würde, so steht doch fest: Der Übervater der islamischen
Hamasextremisten ist tot, ein Nachfolger nicht in Sicht. Das ist gut
und schlecht zugleich: Denn die führerlose Hamas ist weniger
gefährlich, aber auch unberechenbarer als die Hamas von Jassin. Für
die EU wiederum stand sofort fest: "extralegale" Tötungen seien
nicht hinnehmbar, so die einhellige Meinung der EU-Außenminister in
Brüssel. Zwar unterstrichen die Außenminister wieder einmal das
Recht auf Selbstverteidigung des israelischen Staates, aber die
rabiate Entschlossenheit von Premier Scharon blieb ihnen mindestens
suspekt. Langfristige Krise zu befürchten
Dabei fragt man sich natürlich auch in Brüssel: Warum
steht die Hamas auf der schwarzen EU-Terrorliste wie die El Kaida,
wenn ein energischer Kampf gegen sie im gleichen Atemzug verurteilt
wird? Das können die Außenminister nicht erklären, weil sie
öffentlich nicht gutheißen können, was sie intern vielleicht tun.
Denn Scheich Jassin war natürlich einer der übelsten Hetzer gegen
Israel und die Juden weltweit; er war ein Propagandist des Terrors
und des Hasses; er repräsentierte das unbedingte, nicht
aufzuweichende Nein eines Teils der Palästinenser zum Existenzrecht
des Staates Israel und zu Verhandlungen, um zwei Staaten in
Palästina zu schaffen. Jassin war gegen Frieden, er wollte ein
archaisch-islamisches Gottesreich auf den Ruinen Israels. Das wusste
man - in Israel ebenso wie in Washington und in Europa. Trotzdem
verurteilte man das Vorgehen der Israelis. Denn, in Brüssel gilt
natürlich die außenpolitische Maxime des französischen Diplomaten
Tayllerand: "Schlimmer als ein Verbrechen in der Politik ist die
Dummheit." Und der Schlag gegen Jassin kann sich langfristig als
Dummheit erweisen: Er radikalisiert alle Palästinenser, er isoliert
die Friedensbereiten, er verschüttet die "road map" zum Frieden, er
beflügelt den Terror gegen Israel. Und stürzt das Land in eine noch
tiefere Krise als bisher. Mehr Worte als
Taten Die israelische
Entschlossenheit kann à la longue durchaus Teil einer groß
angelegten Nahost-Strategie sein, die sich Amerikaner und Europäer
vorstellen. Die Entschlossenheit zeigt nämlich, dass man sich dem
mörderischen Terror niemals beugen wird. Aber trotzdem muss man
politisch einwirken. Deswegen wollen die EU und die USA den
Dauerkrisenherd Nahost, den islamischen Bogen von Pakistan bis
Marokko, demokratisieren. Das heißt, die Unwissenheit wie die Armut
zu bekämpfen, ohne besserwisserische Konzepte von außen
aufzudrängen. Dabei gilt für die EU: Sie ist zur Terrorabwehr -
verbal zumindest - entschlossen, scheut aber konkrete Maßnahmen. Sie
liebt die großen Worte, aber sie fürchtet die Taten. Selbst der
mörderische Anschlag von Madrid hat die EU nicht wirklich
aufgerüttelt, sie aus dem passiven Schockzustand in energische
Initiativen getrieben. Selbst der Austausch von Daten der
Geheimdienste erscheint unmöglich, weil verfassungsrechtlich
verwickelt. Also wird es bei entschlossen klingenden Kommuniques
bleiben. Und dann wird weiter die ganz normale Tagesordnung
abgearbeitet.
Alexander Kudascheff
hagalil.com
24-03-2004 |