Selbstmordanschlag am Erez-Kontrollpunkt:
Der invalide, weinende Terrorist
Leitartikel Ha'aretz, 16.01.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Der Selbstmordanschlag, der am Mittwoch am
Erez-Kontrollpunkt im Namen der Hamas und der Fatah von Reem Salah
Riashi ausgeführt wurde, beendete das Leben von Sicherheitskräften
am Übergang Gazastreifen-Israel. Es waren drei Soldaten und ein
Zivilist: Tzur Or, Vladimir Trostinsky, Andrei Kegeles und Gal
Shapira.
Der Anschlag beendete auch die Bemühungen
israelischer Sicherheitskräfte, ihr Misstrauen bei Begegnungen mit
palästinensischen Zivilisten herunterzuschrauben. Spätestens von nun
an ist es wahrscheinlich, dass diejenigen Palästinenser, die am
meisten Hilfe und Erleichterung nötig haben –Frauen, Kranke und
Behinderte- an Kontrollpunkten auch als Verdächtige behandelt
werden.
Die Terroristin war eine junge, verheiratete
Mutter zweier Kinder. Sie kam mit einem Plan und traf absichtlich
einen wunden Punkt: das Kontrollgebäude am Übergang. Sie verhandelte
mit den Grenzbeamten und appellierte an deren Mitgefühl. Sie bat
sie, ihr zu ermöglichen die Metalldetektoren am Tor, die ständig
Alarm gaben, zu passieren. Sie stellte sich als kranke Invalidin dar
(Anmerkung: lt. einem Bericht in Ha'aretz gab sie an, eine
Metallplatte im Bein zu haben, weshalb der Metalldetektor reagieren
würde), brach in Tränen aus und flehte die Sicherheitsmänner an, sie
durchzulassen. Dann zündete sie ihren Sprengstoffgürtel inmitten
einer Gruppe von Menschen, die gekommen waren, um sich um sie zu
kümmern.
Der Erez-Kontrollpunkt, der von den
Terrororganisationen für den Anschlag ausgewählt worden war, ist der
einzige Übergang für Tausende von Palästinensern aus dem
Gazastreifen, die nach Israel fahren wollen, um dort zu arbeiten.
Dieser Kontrollpunkt repräsentiert den Spitzenreiter in Israels
Bemühungen, eine Linie zu ziehen zwischen militärischen Aktionen
gegen Terroristen und der Bereitschaft, unschuldigen Menschen beim
Verdienen ihres täglichen Brotes zu helfen.
Der Versuch, diesen Unterschied zu machen, wird
von den Terrororganisationen nicht akzeptiert. Die relative Ruhe und
Hamas‘ zeitweilige Einstellung von Terroranschlägen in den
vergangenen Wochen basieren auf taktischen Beweggründen und nicht
auf irgendeiner Prinzipienentscheidung. Hamas ist eine Organisation,
die ihre Ambitionen nicht nur auf den Krieg gegen Israel richtet,
sondern auch auf den politischen Kampf innerhalb der
palästinensischen Autonomiebehörde (PA).
Die PA kann nicht vormachen, sie sei nicht in
diese Sache involviert. Die schwachen, lauwarmen Äußerungen –um die
Dinge beim Namen zu nennen: die stillschweigende Duldung- in der
Antwort von Premierminister Ahmed Qurei auf den Anschlag, inklusive
der von der Fatah (Anmerkung: Arafats und Qureis Partei) mit
übernommenen Verantwortung für diesen, können nicht mit der
Behauptung relativiert werden, dass ein Mangel an Fortschritt in den
diplomatischen Verhandlungen der einzige Grund für die andauernde
Gewalt ist.
Es scheint, dass der Dialog, der sich langsam
unter den Palästinensern und Arabern über das Thema entwickelt, ob
Selbstmordanschläge tatsächlich erstrebenswert sind –ein Dialog, der
sich vor dem Hintergrund der Diskussionen in Israel über die Politik
in den Palästinensergebieten abspielt-, die Terrororganisationen
nicht beeinflusst. Diese Gruppen, insbesondere Hamas und Islamischer
Dschihad, operieren auf der Basis einer permanenten Agenda, die sich
gegen jede diplomatische Lösung mit Israel stellt. Mit dieser
Doktrin töten sie nicht nur Israelis, sondern sie schaden auch ihrem
eigenen Volk und zerstören jede Möglichkeit auf ein Abkommen, das
eine diplomatische Lösung mit dem Segen der israelischen
Öffentlichkeit umsetzen möchte.
Der Terrorangriff am Erez-Kontrollpunkt wird die
Sicherheitskräfte voraussichtlich zwingen, drastischere Inspektionen
durchzuführen, wodurch die ohnehin schon mühsame Prozedur der
Einreise nach Israel noch mühsamer werden wird. Er wird sicher das
Misstrauen des Sicherheitspersonals gegenüber den Palästinenser
erhärten, ob sie nun mit einem Krankenwagen zu tun haben, der
schwangere Frauen transportiert, oder mit kranken oder verletzten
Menschen, die zur ärztlichen Behandlung nach Israel fahren möchten.
Dies geschieht wenn Terrororganisationen gegen
Orte vorgehen, an denen man versucht, das Leben von unschuldigen
Zivilisten zu erleichtern.
hagalil.com
16-01-2004 |