Frédéric Engel (Professor für Geopolitik in Paris und Rennes),
Libération, 21.10., Auszüge.
Vor zehn Tage hat der Hauptfeind Nummer eins endlich gesprochen.
Zwischen halluzinierten Diatriben und apokalyptischen Drohungen hat er
diejenigen bestärkt, für die am 11.September Bushs Amerika für seine
Unterstützung für Sharons Israel bezahlt hat.
Ein großer Klassiker, ein abgewetzter praktischer Link, der
einen von einer tatsächlichen Reflexion über die Phänomene Terrorismus
und Islamismus befreit. Alle Variationen dieses unerschöpflichen Themas
sind derart oft gespielt worden, dass man sie beinahe übernehmen würden,
gebe es nicht einige peinliche Realitäten, welche das bequeme Schema
unglaubwürdig machen.
-- Zu allererst: niemand streitet ab, dass das Gemetzel von langer Hand
geplant und mindestens seit mehreren Jahren erwogen wurde. Zu einer
Zeit, zu der der Nationalist Sharon und der Konservative Bush Jr. weit
von der Macht entfernt waren, welche sie jeweils erst im November 2000
bzw. Februar 2001 durch Wahlen erringen sollten. An Ort und Stelle waren
damals Barak (Arbeitspartei) und der Demokrat Clinton, die mit dem
palästinensischen Vorsitzenden Arafat in allen Richtungen verhandelten.
Eine falsche Spur.
Außerdem explodierte nicht die islamistische Gewalt genau zu dem
Zeitpunkt, zu dem die Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis
Fortschritte machten? 1993 bereits gegenüber dem World Trade Center,
1996 in Tel Aviv und Jerusalem, als die "Taube" Peres das israelische
Kabinett führte?
-- Zweitens: welche widerwärtige Heuchelei dieser arabischen Herolde,
dieser Vorsänger Palästinas, die mit dem J'ihad zugunsten der
Palästinenser wedeln, (...) als politisches, wegwerfbares Instrument.
Welche hervorragende Ablenkung für autoritäre, arabische Führer und
Regierungen, die die politischen und sozio-ökonomischen Frustrationen
ihrer Bevölkerungen zu kanalisieren versuchen!
Vom Syrier Assad, der 1983 die PLO in Tripoli (Libanon) zerschlug, zum
Lybier Gadhafi, der tausende von palästinensischen Zivilisten in die
Wüste schlug, um Arafat wegen seiner Verhandlungen mit Israel zu
bestrafen; über den Saudi Fahd, der "seine " Palästinenser auswies, weil
derselbe Araft Saddam Hussein während den Golfkrieg unterstützt hatte,
ohne diesen oben genannten Saddam zu vergessen, der als "Befreier " von
Palästinensern, die er stets verachtet hat, Raketen auf Israel
abschoss...
(...) Ben Laden, den seine pakistanischen Verbündeten plötzlich haben
fallen lassen (...) geht gemäß der Tradition vor: er instrumentalisiert.
Leila Shahid, die Generaldelegierte der PLO in Frankreich, hat es sehr
richtig herausgestellt: "Die palästinensische Sache dient Ben Laden als
Alibi".
Wie die übrigen arabischen Autokraten, wünscht er selbstverständlich,
dass der israelisch-palästinensische Konflikt ad infinitum
fortbesteht, er, der den "Verräter" Arafat verabscheut und einer
palästinensischen Nationalbewegung mißtraut, die seinem wahabitischen
Geschmack nach zuviele Frauen, zuviele Christen und zuviele Demokraten
umfaßt(....)".