Folgen des Irak-Krieges:
Syrische Zurückhaltung
Damaskus hat kein Interesse an
Zuspitzung des Konfliktes mit USA. Vorsichtige Öffnung
Anton Holberg
Junge Welt, 28.07.2003
Die unter der Herrschaft der Baath-Partei (ASBP)
jahrzehntelang in militärisch anmutende Uniformen gekleideten
Schüler Syriens wurden jetzt angewiesen, sich künftig "zivil" zu
kleiden. Das dürfte das sichtbarste Resultat des unerwartet
schnellen Zusammenbruchs des Baath-Regimes im benachbarten Irak
sein. Wie sich die
Ankündigung der ASBP, die seit 1963 Syrien regiert, sie werde sich
in Zukunft aus den Regierungsgeschäften heraushalten, in der Praxis
niederschlagen wird, ist noch unklar. Weitere Anzeichen für ein
Einlenken Syriens gegenüber Wünschen der USA sind die offizielle
Unterstützung für die sogenannte Roadmap in der Palästinafrage und
die in diesem Zusammenhang bereits erfolgte "freiwillige" Schließung
der Verbindungsbüros palästinensischer Gruppen wie Hamas und
Islamischer Dschihad in Damaskus.
Genau das aber wurde von der US-Regierung als
"unzureichend" bezeichnet. Allerdings handelte sich dabei um einen
ersten Schritt in die von Washington geforderte Richtung. Ob weitere
folgen werden, hängt stark vom Widerstand gegen die US-Besatzer im
Irak ab. Daß Syrien von der Notwendigkeit ausgeht, jeden Konflikt
mit einer derart militärisch überlegenen und schießwütigen Großmacht
wie den USA zu verhindern, wurde in seiner Reaktion auf die
Verwundung und Verhaftung syrischer Grenzbeamter durch
US-Besatzungstruppen im Juni deutlich. Zwar kam die syrische
Regierung nicht umhin, gegen den Zwischenfall zu protestieren;
gleichzeitig betonte Außenminister Farouq Al Shara aber, daß sein
Land den Dialog mit den USA und eine "stille Diplomatie" fortführen
möchte. Der Irak-Krieg hat in
Syrien Entwicklungen beschleunigt, die bereits nach dem Tod von
Hafez Al Assad im Juni 2000 durch den jetzigen Präsidenten, seinen
Sohn Baschar, in die Wege geleitet wurden. Dazu gehörte eine
vorsichtige, auch politische, Liberalisierung, die das Entstehen von
oppositionellen Diskussionsclubs ermöglichte, in denen schon bald
die Aufhebung des seit Jahrzehnten herrschenden Kriegsrechts und ein
Ende der allgegenwärtigen Korruption gefordert wurde. Ein Jahr
später jedoch wurden diese Clubs ihres wachsenden Anhangs wegen
wieder verboten und mehrere führende Teilnehmer wegen angeblichen
Aufrufs zum Volksaufstand und religiösem Hader zu Haftstrafen
verurteilt. Wie weit die
Reformbereitschaft der Regierung gehen wird, ist umstritten. So
vertritt der Menschenrechtsanwalt Haithem AlMaleh die Auffassung,
daß es dem Regime einzig und allein darum gehe, die USA zu
besänftigen, und das weitgehend durch lediglich symbolische Aktionen
wie die Änderung der Schuluniformen. Richtig ist sicher, daß die
syrische Führung die Entwicklungen im Nachbarland Irak aufmerksam
beobachtet und über die für die Besatzer dort auftretenden Probleme
keineswegs unglücklich ist. Ungeachtet aller verbalen Kraftmeierei
aus Washington scheint es, daß die USA für einen stabilen Nahen
Osten auch das syrische Regime benötigen. Die ägyptische
Wochenzeitung Al-Ahram Weekly wies darauf hin, daß Syrien, anders
als der Irak, nicht international isoliert sei, daß es sich 1991 an
der Seite der USA und der arabischen Ölmonarchien am Krieg gegen den
vom feindlichen Baath-Bruder beherrschten Irak beteiligt hat und daß
Baschar Al Assad eben kein blutiger Diktator wie Saddam sei.
Überdies verfügten die USA in Syrien nicht über eine fünfte Kolonne.
Die Drohungen von US-Verteidigungsminister Donald
Rumsfeld waren denn auch schnell von Präsident George Bush zumindest
abgemildert worden. Ungeachtet einer Annäherung in den vergangenen
zehn Jahren zwischen Syrien und Irak sei auch das seit Jahrzehnten
vergiftete Verhältnis zwischen den beiden Flügeln der ASBP eher
unfreundlich geblieben, konstatierte die Zeitung. Auch die
Unterstützung Syriens für radikale Palästinensergruppen sei
bestenfalls eine verbale. Sie hätten in Damaskus nur Pressebüros und
könnten von dort keinerlei Waffen oder Kämpfer nach Palästina
bringen. Hingegen könnte Syrien, das die Grenzen zum Irak
geschlossen hat, der US-Besatzung dort durch eine andere Politik
ebensolche Schwierigkeiten bereiten, wie es Israel durch die
Unterstützung der Hisbollah im Libanon bereitet hat. Je stärker der
Widerstand im Irak wird, um so stärker wird auch die Kraft des
syrischen Regimes, sich amerikanischen Forderungen – nach internen
Änderungen ebenso wie nach außenpolitischen Zugeständnissen – zu
entziehen. Die Ernsthaftigkeit des Willens, mehr als die bisherigen
kosmetischen Änderungen vorzunehmen, wird sich dann erweisen.
hagalil.com
28-07-2003 |