Brief an den Herausgeber von al-Quds al-Arabi:
"Anläßlich des deutschen Tormassakers"
Anläßlich des Fussballspieles
zwischen Deutschland und Saudi Arabien am Samstag, 01. Juni 2002, im
Rahmen der Fussballweltmeisterschaft veröffentlichte die in London
erscheinende arabischsprachige Tageszeitung al-Quds al-Arabi einen
Leserbrief des saudischen Bürgers Nawwaf al-Khasawina an den
Chefredakteur der Zeitung. In seinem Brief fragt der Autor nach den
Hintergründen des "deutschen Tormassakers". Der Brief erschien am 04.
Juni 2002:
"Die Gebete des Sportministers haben
nichts gebracht! Der schändliche Wettbewerb, der zwischen der saudischen
und der deutschen Mannschaft am 1. Juni bei den Vorrundenspielen im
Rahmen der Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wurde, endete nicht mit
8 : 0, sondern mit 80 Fragen, 80 Vorschlägen und 80 Witzen: Wenn den
Saudis - mit der Macht des Allmächtigen - vor dem Spiel ihre Niederlage
prophezeit worden wäre, hätten sie es dann überhaupt begonnen? Oder
wären sie ins nächste Krankenhaus gegangen, um sich kollektiv krank
schreiben zu lassen und damit der Bosheit der Deutschen und der
Heimsuchung des World Cups aus dem Weg zu gehen?
Sollen die Araber, und vor allem die
Golfaraber, mit dieser Erfahrung und der Verschwendung von Geldern
fortfahren, um sich vor drei Vierteln der Welt so schändlich zu
präsentieren?
Was wird der saudische Sportminister Nawwaf ibn Faisal antworten, wenn
seine erstaunlichen Verlautbarungen diskutiert werden, die er vor dem
Spiel gemacht hat und die nichts mit der Weltmeisterschaft zu tun
hatten: "Wir sind gekommen, um die Fahne des Islam zu erheben und der
Welt zu beweisen, daß der Islam eine Religion der Toleranz ist"
Wer war es, der sich dazu ermächtigte,
den Islam gewaltsam mit diesem Spiel in Verbindung zu bringen, aus dem
er zum Gespött der ganzen Welt mit acht ungläubigen Toren herausgekommen
ist?
Warum zeigt sich der Araber, wie die Mitglieder der saudischen Mannschaft
bewiesen haben, auch wenn er sportlich ist, ständig furchtsam, zaudernd
und mit blassem Gesicht, so als wenn er das Schwert des Sportministers
oder das des Vorsitzenden des Olympischen Komittees im Nacken spüre?
Wann verstehen die Araber endlich, daß
der Sport auf höchstem Niveau kein Familienspiel mehr ist, sondern eine
Wissenschaft und eine Erfahrung, die nicht von der Mentalität und Natur
des Landes zu trennen ist, in dem er entstanden ist?
Eine hervorragende Leistung eines Spielers auf dem Sportfeld ist bei
weitem schwieriger zu erlangen als die Position eines arabischen
Herrschers, der aufgrund der testamentarischen Verfügung seines Vaters
an die Macht gekommen ist.
Wie wäre es, wenn die vielen Gelder, die
die saudische Staatskasse für die Nationalmannschaft ausgab, für die
Übertragung der Weltmeisterschaft auf den lokalen arabischen
Fernsehsendern verwendet würden? Diese müssen zugunsten des Monopols
korrupter Geschäftsleute, die ihre arabischen Heimatländer wegen
fehlender Parabolantennen und sonstiger Empfangsgeräte verlassen haben,
auf die Übertragung großer Sportereignisse verzichten. Über die
Ergebnisse der Spiele können sie nur im Zusammenhang mit den Nachrichten
über Katastrophen, die palästinensische Krise, den Konflikt zwischen
Indien und Pakistan und dem Kampf gegen den Terror berichten.
All diese Fragen erfordern eine
tiefergehende Überprüfung und eine härtere Bilanzierung. Dies gilt nicht
für die besiegten saudischen Spieler, die sogar das Mitleid der
deutschen Fans erregten, als diese sie - eine kränkende Geste - in den
letzten Spielminuten bei ihren unnützen Angriffen anfeuerten. Dies gilt
auch nicht für den eingebildeten Nationaltrainer, der mit den
Segenswünschen des Volkes und den Gebeten des Ministers nach Korea und
Japan flog, als wäre er ein lahmes Pferd, das widerwillig in den
Wettkampf geführt werden müsse. Vielmehr müssen diese Fragen die
Verantwortlichen aufrütteln, und auch die Politiker, die für das zur
Rechenschaft gezogen werden sollten, was sie ihren zaudernden, sich vor
der Macht des Sportministers fürchtenden Söhnen angetan haben.
Dieser hat seine unverantwortlichen Verlautbarungen, die den sportlichen
Wettkampf zu einem Thema des nationalen und religiösen Kampfes gemacht
und willkürlich festgelegt haben, daß die Mannschaft des Islam den Sieg
erringen wird, nicht korrigiert. Stattdessen hat sich diese Mannschaft
durch ihre Schwäche und Unfähigkeit sowie durch die Verschwendung von
Geldern dem Gespött ausgesetzt.
Die Statistiken bestätigen, daß die
Ausgaben für die saudische Nationalmannschaft vier mal so hoch sind wie
für die deutsche Mannschaft. Zwei demokratische Staaten, in denen alle
Rechnungen offen liegen! Der Moderator des Sportprogramms auf einem der
westlichen Fernsehkanälen, der das Spiel kommentierte und einige
Fußballspieler zu einer Analyse ins Studio eingeladen hatte, meinte
spöttisch: "Der saudische Trainer Nasir al-Jauhar war der einzige
Trainer, der während des Spieles Stapel von Papieren und Akten
aufmerksam las". Einer seiner Studiogäste äußerte daraufhin die Meinung,
daß er vielleicht einen Siegesplan bei sich gehabt hätte. Ein anderer
meinte: "Ich glaube, daß es Instruktionen des Sportministers für die
Spieler waren, und er hat versucht, sie umzusetzen, damit er keine
Verantwortung für die Niederlage übernehmen muß". Daraufhin sagte der
Moderator: "Auf jeden Fall wird der Minister seinen Posten behalten -
wie auch immer das Spiel ausgegangen ist". Das ist das, was die
Ausländer von uns und unserer Politik verstanden haben: Der
Sportminister wird seinen Posten nicht verlieren - ganz gleich wie das
Spiel ausging.! Wenn die Ausländer gewinnen, sagen wir: Möge Gott sich
ihnen nur im Diesseits großherzig erweisen! Wenn wir jedoch siegen,
sagen wir: Gott hat unsere Bitten und die Gebete und Instruktionen des
Ministers erhöht! Ach, Ihr Araber! Wie lange werden die Verantwortlichen
zu den Fußballspielen noch schweigen?
Mögen die acht Tore der Deutschen den
Saudis, den Arabern und der islamischen Umma wohl bekommen, und das
neunte möge das Problem des Sportministers sein!"
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE
(MEMRI)
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haGalil onLine 17-06-2002 |