"Das Eis brechen":
Eine andere Art der Koexistenz
Auszüge aus einem Bericht von Moshe Gilad,
Ha'aretz, 23.12.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Am Samstag werden sie von Israel aus abreisen.
Vier Palästinenser und vier Israelis werden versuchen, -so ihr
eigener Wortlaut- "weit weg vom Nahen Osten das Eis zu brechen". Die
Delegation "Das Eis brechen, 2004" macht sich auf den Weg zum
gefrorenen Kontinent, in die Antarktis. Hier will sie eine lange
Wanderung quer über die Eisfelder machen. Dieses Projekt wurde von
Heskel Nathaniel und Doron Erel initiiert. Nathaniel ist ein
41jähriger Israeli, der in den letzten zehn Jahren in Deutschland
lebte. Erel ist ein erfahrener Bergsteiger und langjähriger
Globetrotter.
Die Abreise der Delegation wurde bereits im Juli
vor dem Reichstag in Berlin angekündigt. Die 35-Tage-Tour wird mit
einem Flug in den Süden Chiles beginnen. Dort werden die Teilnehmer
an Bord zweier Segeljachten gehen. Auf den Segeln werden Zeichnungen
des israelischen Künstlers Menasheh Kadishman und des
palästinensischen Künstlers Suleiman Mansur aus Ramallah abgebildet
sein. Eine Woche lang wird man unter schwierigen Bedingungen bis vor
die Küste der Antarktis segeln. Zwei Tage nach dem Anlegen wird die
Gruppe zu einer 10-Tage-Tour durch die Eisfelder des Südpols
aufbrechen.
Die Antarktis wurde unter anderem deshalb als Ziel
der Tour ausgewählt, weil sie zu keinem Staat gehört. Sie ist als
internationaler Kontinent erklärt worden und wird vor allem für
Forschungszwecke genutzt. Die Delegation plant, unter extrem
schwierigen Boden- und Wetterbedingungen den Gipfel eines bisher
nicht bestiegenen Berges zu erreichen. Der Berg befindet sich etwa
20 Kilometer im Inneren des Kontinents. Die Gruppe wird in zwei bis
drei Tagen dorthin marschieren. Dabei wird sie mit Seilen verbunden
sein. Sie wird nur langsam vorwärts kommen und ihre Ausrüstung und
ihre Lebensmittel auf Schlitten übers Eis ziehen. Auf dem Gipfel des
Berges wird die Gruppe eine Zeremonie abhalten, während der sie dem
Ort einen Namen geben wird, der ihren Wunsch nach Frieden
reflektiert.
Die Gruppe besteht aus zwei Frauen und sechs
Männern. Außer den Initiatoren des Projekts, Nathaniel und Erel,
sind folgende Teilnehmer dabei: der palästinensische Journalist Ziad
Darwish, der in Ostjerusalem lebt; Olfat Haider, Sportlehrerin aus
Haifa; Yarden Fanta, die mit 14 Jahren aus Äthiopien nach Israel
kam, wobei sie einen langen Marsch durch die Wildnis des Sudan auf
sich genommen hatte, inzwischen macht sie ihren Doktor in den
Fächern Pädagogik und Psychologie; Avihu Shoshani, ein Rechtsanwalt
aus Tel Aviv; Nasser Quass, der Manager des palästinensischen
Fußballteams, er war in der Vergangenheit wegen seiner
Mitgliedschaft in der Fatah zu drei Jahren Gefängnis in Israel
verurteilt worden; und Suleiman al-Khatib, der mit 14 Jahren in ein
israelisches Gefängnis kam und 11 Jahre später entlassen wurde.
Doron Erel sagt, dies sei keine normale Wanderung
und die Vorbereitungen seien mit viel Aufregung verbunden. Die
Delegation traf sich im Sommer für einen einwöchigen
Vorbereitungskurs in Chamonix in den französischen Alpen. Bereits
damals begann eine besondere Beziehung unter den Gruppenmitgliedern:
wegen der Zusammensetzung des Teams bekamen Themen wie gegenseitige
Hilfe und gemeinsames Arbeiten angesichts der Herausforderungen,
denen man gegenüberstand, eine besondere Bedeutung.
Erel zögert nicht zuzugeben, dass dies ein
"naives" Projekt ist. Doch er betont sofort, dass die Naivität die
Art und Weise der Teilnehmer ist, etwas zu tun, das ihren
gemeinsamen Wunsch nach Frieden ausdrückt.
"Wenn acht Menschen viele Tage gemeinsam
marschieren, wenn sie dabei mit einem Seil verbunden sind, das ihr
Leben retten soll, und wenn sie unter schwierigen Bedingungen in
kleinen Zelten schlafen, dann schafft dies eine Verbundenheit, die
jenseits aller politisch-diplomatischen Meinungsverschiedenheiten
liegt", sagt er. Diejenigen, die sich auf diese Tour begeben, sagt
er, haben den starken Wunsch, ein herausforderndes und interessantes
Abenteuer mit der immensen Notwendigkeit gemeinsamer Projekte für
beide Völker zu kombinieren. Zynische Bemerkungen, es sei besser,
nicht nur eine kleine Delegation, sondern beide Völker in ihrer
Gesamtheit in die Antarktis zu schicken, rufen kein Lächeln bei ihm
hervor....
Wenn die Delegation nach Israel zurückkehrt, sagt
Erel, wird die Organisation, die er gemeinsam mit Nathaniel für die
Tour in die Antarktis gegründet hat und die den Namen "Extreme
Friedensmission" trägt, weitere Erziehungs- und
Extremabenteuerprojekte für Kinder beider Völker organisieren.
hagalil.com
24-12-2003 |