Die Illusion der Beruhigung
Palästinenser und Israelis knüpfen an die
Resolution unterschiedliche Erwartungen
SUSANNE KNAUL
JERUSALEM taz Der
amerikanische Nahost-Abgesandte Anthony Zinni erreicht die Region auf
dem Höhepunkt von Gewalt und Blutvergießen. Der Appell der Amerikaner an
beide Seiten, einen Waffenstillstand auszurufen, noch bevor Zinni seine
Reise beginnt, stieß auf taube Ohren.
In einer heftigen Debatte des israelischen Kabinetts
erklärte Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser, dass die in der
Nacht zum Dienstag begonnene Operation in Ramallah beendet sei. Offenbar
entschied Ben-Elieser ohne vorherige Absprache mit Premierminister Ariel
Scharon, der eine Fortsetzung der Invasion befahl. Ben-Elieser drohte
mit dem Rücktritt aus der Regierung, sollte das Kabinett über eine
Fortsetzung der Operation entscheiden.
Während die Regierung in Jerusalem einen Abzug aus
Ramallah ausschließt, solange es keinen Waffenstillstand gibt, lehnen
umgekehrt die Palästinenser einen Waffenstillstand ab, solange
israelische Soldaten in der Stadt stationiert sind. Damit schließt sich
erneut der Teufelskreis.
Palästinenserführer Jassir Arafat, der vor Journalisten
erklärte, er habe seinen Sicherheitsorganisationen "noch keinen Befehl
zum Widerstand" gegeben, warnte, dass sich seine Geduld dem Ende
zuneige. Eines der Angebote, die Zinni den Palästinensern machen will,
ist offenbar die Stationierung von internationalen Beobachtern in der
Region. Die Israelis lehnten den Einsatz internationaler Truppen aus
Sorge vor einer Parteilichkeit vor allem von UNO-Truppen ab. Berichten
zufolge, ist jetzt die Rede von amerikanischen oder europäischen
Beobachtern, mit denen sich Scharon vermutlich arrangieren könnte.
In einer ganzseitigen Anzeige in einer israelischen
Tageszeitung appellierten am Mittwoch "palästinensische Intellektuelle
an die israelische Öffentlichkeit", sich für ein Ende der Gewalt und ein
Ende der Besatzung einzusetzen. Nur so "wird sich uns der Horizont für
Frieden und Koexistenz öffnen".
Auf israelischer Seite sind die Erwartungen an den
Besuch Zinnis nicht sehr hoch. Eine Eindämmung der Eskalation wäre schon
ein Erfolg, hieß es aus Regierungskreisen. Arafat werde mit den
gewohnten Mitteln versuchen, "die Illusion einer Beruhigung" zu
erzeugen, indem er die Widerstandsgruppen zu einer Einstellung der
Übergriffe anhält. Die Forderung, die Infrastruktur der militanten
Opposition zu bekämpfen sowie von Israel gesuchte Terroristen zu
verhaften, werde er nicht erfüllen.
Einer Einschätzung der liberalen Tageszeitung Haaretz
zufolge hat Arafat nicht mehr die volle Macht über die
Widerstandsgruppen. Vor allem die Fatah-nahe Tansim hatte seit Beginn
des Jahres die gewaltvollen Übergriffe auf israelische Soldaten und
Zivilisten angeführt.
taz Nr. 6700 vom 14.3.2002, Seite
3, 92 TAZ-Bericht SUSANNE KNAUL
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haGalil onLine 14-03-2002 |