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Das Versagen der Führungsschichten:
Todes- und Tötungskult

Kommentar von Amira Hass, Haaretz, 08.01.2003
Übersetzung Daniela Marcus

Die beiden Selbstmordanschläge in dieser Woche im Neve-Scha’anan-Viertel von Tel Aviv haben schreckliches Versagen offenbart. Das Versagen der offiziellen palästinensischen Führung ist klar. Doch im Gegensatz zur Darstellung in Israel ist es kein Operationsfehler, der einen Mangel an Motivation zur Verhinderung von Anschlägen gegen israelische Zivilisten beweist.

Es ist unaufrichtig zu behaupten, Yassir Arafat, der in seinem Hauptquartier in Ramallah gefangen gehalten wird –und Sauerstoffbehälter benötigt, um seinen Raum zu lüften- könnte, wenn er wollte, den Sicherheitsapparat befehlen, den er nicht länger hat. Er kann nicht die Sicherheitsbeamten, die zuhause sind, verhaftet oder getötet wurden oder die Kundschafter, die getötet oder verwundet wurden, durch die die Städte umgebenden Kontrollpunkte und Schützengräben schicken, um potentielle Selbstmordattentäter zu finden.

Was ihm und seinen Ministern und Beratern fehlt, ist ein moralisch-ideologisches Auftreten, das sozial-moralischen Druck ausüben und eine Stimmung gegen Angriffe auf Zivilisten schaffen könnte. Druck, der auf Organisationen und auf Einzelpersonen wirken könnte. Heutzutage gibt es kein einziges Mitglied der palästinensischen Führung, das nicht versteht, wie sehr Angriffe auf israelische Zivilisten der palästinensischen Sache und ihren eigenen, persönlichen Interessen und denjenigen ihrer Kollegen schaden, vor allem dann, wenn die Morde von denen ausgeführt werden, die sich zum bewaffneten Flügel der Fatah bekennen. Viele sind über die Szenen des Blutvergießens aufrichtig entsetzt.

Doch niemand ist übrig geblieben (wenn es überhaupt jemals jemanden gegeben hat), der das Charisma und die Autorität besitzt, um Respekt zu wecken – nicht einmal Arafat. Dies ist das Resultat ihrer Herrschaft vor der Intifada, als man ihre Regierung als etwas empfand, das aus der Pflicht, für das Wohl des Volkes zu sorgen, ein Gespött macht.

Das Versagen liegt auch auf Seiten der beliebteren, natürlicheren Fatah-Führer vor Ort. Im besten Falle haben einige von ihnen Widerstand gegen die Anschläge geäußert, doch dies nur in vagen Bemerkungen -versehen mit vielen "Wenn" und "Aber"- in irgendwelchen abseits vom Geschehen geführten Interviews. In anderen Fällen sprechen sie sich hinter verschlossenen Türen oder in Treffen mit ausländischen Diplomaten gegen die Anschläge aus. Aber sie trauen sich nicht, sich in einer geplanten Kampagne offen gegen das zu erheben, von dem man üblicherweise denkt, es sei die öffentliche Meinung – nämlich, dass die Anschläge innerhalb Israels eine angemessene Antwort auf das Töten und die Zerstörung durch die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte seien.

Zugegeben, unter den Bedingungen der Schließungen und Ausgangssperren ist es schwer, eine Aufklärungs- und Erziehungskampagne zu organisieren. Doch das logistische Problem ist nicht das Haupthindernis. Vielleicht haben diese Menschen Angst, dass sie als Verräter der Gefangenen betrachtet werden, oder als solche, die sich von den Getöteten oder Verwundeten distanzieren. Vielleicht haben sie Angst, dass sie mit Verachtung daran erinnert werden, Regierungsprivilegien genossen zu haben und sich nun die Brosamen dessen, was von diesen Privilegien übrig geblieben ist, schmecken zu lassen. Vielleicht glauben sie, sie hindern ihre Hamas-Rivalen daran, politische Macht zu gewinnen, wenn sie die Botschaft undeutlich herüber bringen. Vielleicht fürchten sie um ihre persönliche Sicherheit. Und vermutlich gibt es noch immer diejenigen, die denken, dass Israel letzten Endes sozial und wirtschaftlich geschwächt wird, wenn man israelischen Zivilisten Schaden zufügt.

Zu den Rängen derjenigen, die versagt haben, müssen auch die Aktivisten der "zivilen Gesellschaft" hinzugefügt werden, diejenigen Palästinenser aus Nicht-Regierungs-Organisationen, die im Bereich der Bürgerrechte, des Gesundheitswesens, der Wohlfahrt und der Erziehung tätig sind. Sie sind in ständigem Kontakt mit weit verbreiteten Kreisen europäischer und amerikanischer Aktivisten, die in die Territorien kommen und mit scharfzüngigen und präzisen Berichten über die israelische Besatzung in ihre Heimatländer zurückkehren – mit Berichten über die brutalen Behandlungen seitens der Soldaten, über Soldaten, die Frauen und Kinder getötet haben, über die schreckliche Armut, die durch die Schließungen entstanden ist, über Hunderte von Häusern, die zerstört wurden, über Olivenbäume, die entwurzelt wurden. Diese internationalen Aktivisten betonen, dass sie gewaltlosen, bürgerlichen Ungehorsam unterstützen. Ihre Verbindung zu palästinensischen Aktivisten basiert auf dem Glauben an allgemein gültige, nationale Werte, an die Solidarität der Unterdrückten.

Doch die gleichen Palästinenser, die im sozialen und bürgerlichen Bereich aktiv sind –und unter ihnen sind Akademiker und andere, die sich mit der intellektuellen Elite der Palästinenser identifizieren- wagen es nicht, an die palästinensische Öffentlichkeit zu gehen und eine pädagogische Offensive gegen den Kult des Todes und des Tötens zu starten. Viele von ihnen sagen in persönlichen Gesprächen, dass die Anschläge nicht nur aus pragmatischen Gründen verurteilt werden müssen; denn die durch die Anschläge schockierte internationale Gemeinschaft vergisst die israelische Besatzung und deren Schrecken. Die Anschläge müssen auch aus moralischen Gründen verurteilt werden, aus allgemein gültigen Gründen der Menschlichkeit.

Ein paar von ihnen kann man sagen hören: "Wir dürfen nicht auf das moralische Niveau der israelischen Besatzer sinken." Doch sie trauen sich nicht, dies öffentlich und systematisch zu sagen, ausgenommen einiger weniger Unterschriften unter diese oder jene Petition. Vielleicht haben einige von ihnen Angst, ihnen werde vorgeworfen, sie seien entfremdete Intellektuelle, für die es leicht sei "zwischen ihren Auslandsreisen" zu predigen, weil sie nicht wie das gewöhnliche Volk leiden. Vielleicht haben sie Angst, in einer moslemischen Gesellschaft, die immer orthodoxer wird –gemäß der vulgärsten und ignorantesten Interpretation der moslemischen Orthodoxie-, als Gotteslästerer dargestellt zu werden. Vielleicht haben sie Angst, entlegitimiert zu werden. Oder sie haben Angst, physischen Schaden zugefügt zu bekommen.

Das Versagen der Menschen, die diese drei Führungsschichten bilden, zeigt auch, dass sie über die Jahre hinweg versäumt haben, gemeinsam zu arbeiten, gemeinsam eine Strategie und einen Arbeitsplan gegen die israelische Besatzung aufzustellen. Anscheinend hat keiner Vertrauen in den jeweils anderen und dessen Absichten.

hagalil.com 10-01-2003

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