hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!

"Arafat meint es nicht ernst mit den Reformen":
Feuer gegen Korruption

Die Proteste gegen Arafats Autonomiebehörde dauern an. Den Forderungen nach Reformen haben sich nun auch Teile des palästinensischen Establishments angeschlossen

Von André Anchuelo
Jungle World 35 v. 18.08.2004

In Khan Younis besetzten etwa 100 Universitätsabsolventen ein Gebäude der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und forderten die ihnen versprochenen Jobs, in Rafah stürmten Obdachlose ein PA-Büro und verlangten sofortige Hilfe. Auch in der vergangenen Woche dauerten die Proteste im Gazastreifen an, die im Juli mit gewaltsamen Aktionen bewaffneter Gruppen begonnen hatten (Jungle World, 31/04).

Die Forderungen an die Adresse Yassir Arafats nach tiefgreifenden Reformen der PA werden immer vernehmlicher. Die Proteste beschränken sich nicht mehr auf den Gazastreifen, und auch die Kritik aus Kreisen des PA-Establishments wird immer schärfer. So veröffentlichte Anfang voriger Woche die israelische Tageszeitung Ha'aretz Auszüge aus dem Bericht eines palästinensischen Untersuchungsausschusses. Das fünfköpfige Sonderkomitee des Palästinensischen Legislativrates war Anfang Juli eingesetzt worden, um die Gründe für das in den von der PA kontrollierten Gebieten vorherrschende Chaos zu untersuchen. Seitdem hatte der Ausschuss Dutzende prominenter Palästinenser befragt – von Premierminister Ahmed Qurei über Befehlshaber von Polizei- und Sicherheitsdiensten bis zu Aktivisten der Fatah und Journalisten.

Indirekt gibt das Gutachten Arafat die Schuld an der gegenwärtigen Lage: "Der Hauptgrund für das Scheitern der palästinensischen Sicherheitskräfte und ihren Mangel an Taten bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung ist die Tatsache, dass eine klare politische Entscheidung völlig fehlt." Folglich fordert das Komitee den PA-Vorsitzenden auf, "seine Autorität zu nutzen, um unverzüglich Befehle zu erteilen, damit alle gefährlichen Aktivitäten im Gazastreifen (…) beendet werden." Außerdem fordert der Bericht ein Ende des Beschusses Israels mit Qassam-Raketen und sonstiger Angriffe im israelischen Staatsgebiet, den Rücktritt der Regierung Qurei und allgemeine Wahlen.

Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Reports legten über 100 prominente Palästinenser nach. Sie veröffentlichten in verschiedenen palästinensischen Tageszeitungen ganzseitige Anzeigen mit einem Aufruf an die "allgemeine Öffentlichkeit" zur Durchführung von Reformen, Bekämpfung der Korruption, Abhaltung allgemeiner Wahlen und Fortführung der Intifada bei Schonung von "Zivilisten beider Seiten".

Zu den Unterstützern der Petition zählen Menschenrechtler, Intellektuelle, Fatah-Aktivisten, Parlamentsmitglieder, ehemalige PA-Minister und selbst zwei Mitglieder der amtierenden Regierung. Einer der Unterzeichner wird in der Jerusalem Post mit der Äußerung zitiert, dass die Entscheidung, den Aufruf zu veröffentlichen, getroffen worden sei, nachdem Arafat es eine Woche zuvor abgelehnt hatte, die Kontrolle über die Sicherheitsdienste abzugeben und die Macht mit Qurei zu teilen. "Arafat meint es nicht ernst mit den Reformen", resümiert der ungenannte Kritiker.

Weil immer mehr Palästinenser unterschiedlichster politischer Couleur genau darüber empört sind, wird die Situation für Arafat langsam bedrohlich. Tatsächlich räumen die meisten Beobachter zwar ein, dass Arafat so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden werde. Doch anders als bei früheren Krisen könne der 75jährige diesmal keinen politischen Gewinn aus der Lage schlagen. "Es könnte der Anfang vom Ende für ihn sein. Ohne Zweifel geht er aus dem Konflikt schwächer hervor, als er hineingegangen ist", urteilt der palästinensische Journalist Daud Quttab.

Auffällig ist, dass sich derzeit unterschiedlichste Kritiker Arafats unter dem Banner von Reformen und Korruptionsbekämpfung versammeln. Da es noch immer als zu gefährlich gilt, Arafats Rücktritt zu fordern, versuchen insbesondere mächtige Milizenführer, ihn indirekt durch die Unterstützung der Reformforderungen zu treffen. Das führt so weit, dass selbst intime Kenner der palästinensischen Szenerie nicht mehr klar zu sagen vermögen, wer loyal zu Arafat steht und wer ihn bekämpft.

Exemplarisch hierfür sind Vorfälle in Jenin vor zwei Wochen. Mitglieder der örtlichen Al-Aqsa-Brigaden steckten die Büros des PA-Sicherheitsdienstes und des Distriktgouverneurs in Brand. Doch die Hintergründe sind unklar. So heißt es in einigen Berichten, es handele sich bei den dortigen Brigaden um Getreue Arafats. Andere Reporter wollen gesehen haben, dass bei der Erstürmung des Gouverneursbüros auch Bilder Arafats von den Wänden gerissen und verbrannt worden seien.

Zacharia Zubeidi, der Chef der Al-Aqsa-Brigaden von Jenin, kritisierte schließlich einige Tage später in einem Interview mit der Jerusalem Post "Nepotismus und Korruption" in der PA-Führung und erläuterte, mit seinem "Protest" habe er auf die lähmenden Mängel in der PA, insbesondere das Fehlen einer unabhängigen Justiz, hinweisen wollen. Mit Mohammed Dahlan, einem der einflussreichsten Fatah-Politiker und Milizenführer, der vielen als Hauptdrahtzieher der gewalttätigen Protestaktionen insbesondere im Gazastreifen gilt, wolle er jedoch nichts zu tun haben. Zubeidi zufolge habe Dahlan erst "das Streichholz entzündet, das die PA in Brand gesteckt" habe. Andere Beobachter hingegen vermuten, dass Dahlan über Leute wie Zubeidi seine Rebellion gegen Arafat vom Gazastreifen in die Westbank zu exportieren versucht. Sicher ist wohl nur, dass es – nicht nur in Jenin – tatsächlich gebrannt hat.

Dahlan versucht, durch demonstrativ hartes Vorgehen von seinem Imageproblem als angeblicher Erfüllungsgehilfe Israels abzulenken. Zubeidi hat ein ganz anderes Problem: Er steht auf der israelischen Fahndungsliste und hat bereits fünf israelische Liquidierungsversuche überlebt. Seine Überlebenschancen sind vielleicht nicht die besten, doch für seine politische Reputation könnte es kaum günstigere Umstände geben.

Derweil machen sich zwei andere politische Akteure ihre eigenen Gedanken. Die Hamas wartet ab, welche Kräfte die Auseinandersetzungen in PA und Fatah gewinnen, um danach neue Bündnisse zu schmieden. Und die israelische Regierung fragt sich, ob sie irgendeine Seite unterstützen sollte, um eine weitere "Anarchisierung" zu verhindern. Einige Israelis meinen inzwischen, dass der einzige Stabilitätsgarant dabei ausgerechnet Yassir Arafat ist.

So stellte ein Kommentator von Ha'aretz bereits vor einem Monat fest, dass "schlecht für Arafat" nicht unbedingt "gut für Israel" bedeute. Denn es ist nicht gerade wahrscheinlich, dass sich bei einer Fortsetzung der derzeitigen Entwicklung die palästinensischen Kräfte durchsetzen werden, die jetzt die Einstellung von Angriffen auf israelische Zivilisten fordern. Das Problem ist nur, dass auch Arafat in den letzten vier Jahren nichts für deren Schutz getan hat.

hagalil.com 20-08-2004

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved