In der vergangenen Woche wurde immer wieder die Bitte Arafats
kolportiert, man möge ihm ein paar Tage Zeit geben, um die
Verantwortlichen aus den Reihen der Hamas und des Islamischen Djihad
festzunehmen. Ähnlich wie nach der Anschlagsserie im Frühjahr 1996, so
versprachen es die palästinensischen Behörden, werde man nun, nach
Dutzenden Toten und Hunderten von Verletzten, endlich gegen die
Hintermänner vorgehen.
Gerne würde man diesen Versprechungen glauben. Doch es waren dieselben
palästinensischen Behörden, die zu Beginn der Intifada dafür sorgten,
dass die Verantwortlichen für diverse Selbstmordanschläge aus den
Gefängnissen entlassen wurden und nahezu unbehelligt weitere Verbrechen
planen konnten.
Aber auch die Behauptung, es gehe um die Verfolgung einiger
islamistischer Terroristen, die mit ihren Anschlägen in Israel eine
Lösung des Konfliktes verhindern wollen, ist wenig überzeugend. Denn die
Gegenüberstellung von gemäßigten Vertretern der PLO einerseits und
radikalen Islamisten andererseits taugt schon seit Jahren nicht mehr.
Nicht nur, dass die Hamas und der Islamische Djihad an Bedeutung in den
Behörden und an Zustimmung in der Bevölkerung gewonnen haben, ihr
Programm selbst ist es, das immer mehr den politischen Mainstream
widerspiegelt. Denn die Aufrufe zum Djihad und zum Märtyrertum im Kampf
um Palästina stammen nicht mehr allein vom islamistischen Rand der
palästinensischen Gesellschaft, sondern sie werden mittlerweile auch in
deren Mitte, in der PLO, der Fatah und in der Verwaltung formuliert.
Davon zeugt nicht allein die wachsende Zusammenarbeit von Islamisten
und Fatah- oder PFLP-Mitgliedern bei Attacken auf Israel. Insbesondere
die propagandistische Vorbereitung auf den großen Kampf spricht Bände.
Das von der Autonomiebehörde kontrollierte palästinensische Fernsehen
spielte nicht nur in den ersten Wochen der Intifada eine entscheidende
Rolle dabei, die Opfer als »Märtyrer« für die gemeinsame Sache zu
mystifizieren. Die Aufforderungen, sich diesem Kampf bis zum Tode
anzuschließen, fanden sich nicht nur in einpeitschenden Hymnen und
stundenlangen Wiederholungen von Bildern zerschossener Körper. Sie
tauchten auch in Kindersendungen auf, die eigens zu diesem Zwecke
produziert wurden.
Die PA, die die Kontrolle über die Moscheen ausübt, stört solche
Propaganda auch dann nicht, wenn sie während des Freitagsgebets vor
Tausenden von Muslimen verbreitet wird. Die Predigten, in denen mit den
Lockungen des Paradieses zum Kampf aufgerufen wird, werden
allwöchentlich im palästinensischen Fernsehen übertragen.
Die höchste religiöse Autorität der Region, der von Arafat benannte
Mufti der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem, Sheikh Akrameh Sabri, hat sich
dabei in den letzten Monaten besonders hervorgetan. Bei diversen
Gelegenheiten leugnete er den Holocaust, er machte dem Papst deutlich,
dass die christliche Judenverfolgung nichts sei, für das man sich
schämen oder entschuldigen müsse.
Nach einem Bericht der internationalen arabischen Zeitung al-Hayat vom
vergangenen Freitag kritisierte Sabri nunmehr auch noch den Scheikh der
Al-Azhar-Universität und -Moschee in Kairo, der Selbstmordanschläge auf
unschuldige Zivilisten verurteilt hatte; er habe »internationalem Druck«
nachgegeben. Sabri fügte hinzu: »Widerstand ist gerechtfertigt, und
diejenigen, die ihr Leben geben, brauchen keine Erlaubnis von
irgendwem.«
Im Übrigen dürfe man »der Intifada und dem Djihad nicht im Weg stehen.
Eher müssen wir an ihrer Seite stehen und sie ermutigen.« Diese kleine
Ermunterung zum »heiligen Krieg« stammt nicht von einem Prediger der
Hamas, sondern von dem religiösen Repräsentanten Arafats und der
palästinensischen Behörden.