In keiner Position wird nachgegeben
Kommentar von Danny Rubinstein; Ha'aretz, 11.04.2002
Wenn blutige Konflikte neue Höhepunkte erreichen,
konzentriert sich jede Seite auf ihr eigenes Leid. Sogar der Propagandakrieg,
der zwischen uns und den Palästinensern in der Öffentlichkeit geführt wird, hat
einen harten und kompromisslosen Stand eingenommen.
Die palästinensischen Medien (und somit viele der Medien in der
Region und darüber hinaus in der Welt) sind schnell dabei, darüber zu reden, wie
die israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) die medizinische Versorgung der
Kranken und Verwundeten in den Kampfgebieten blockieren. So sprach gestern
beispielsweise der Verwaltungsdirektor des staatlichen Krankenhauses Rafidia in
Nablus, Samir al-Anabatawi, darüber, dass mehr als 20 Patienten, unter ihnen vor
allem Babies, Gefahr laufen, zu sterben, weil der Sauerstoffvorrat des
Krankenhauses zu Ende geht. Er sagte, dass israelische Soldaten zweimal auf
einen Wagen des Krankenhauses geschossen hätten, der Sauerstoffflaschen hätte
bringen sollen. Und nun gäbe es für die 14 Babies auf der Station für
Frühgeburten oder für Patienten auf anderen Stationen keinen Sauerstoff mehr.
Schockierende Bilder von Toten und von der Zerstörung der
palästinensischen Städte füllen arabische und ausländische Fernsehbildschirme.
"Die israelische Armee zerstörte auch wichtige historische Kulturstätten im
ältesten Teil von Nablus", sagte der Bürgermeister der Stadt, Mahmud al-Allul.
Basierend auf diesem Hintergrund ist es unmöglich von einem Nachgeben in der
palästinensischen Position zu sprechen. Vielmehr das Gegenteil ist der Fall -
nun scheint es härter als in der Vergangenheit zuzugehen, man scheint auf Rache
versessen zu sein.
Ein Beispiel: Der Generalsekretär der PA, Ahmed Abed al-Rahman
(der sich in Ramallah direkt neben Yassir Arafats Anwesen befindet) reagierte
auf den gestrigen Selbstmordanschlag an der Yagur-Kreuzung in Haifa, indem er
sagte, dass die Palästinenser keine andere Wahl mehr hätten, als sich selbst in
lebende Bomben zu verwandeln.
Offizielle palästinensische Sprecher hatten bisher immer dahin
tendiert, Anschläge gegen Zivilisten auf beiden Seiten anzuprangern. Doch dieses
Mal stehen die Dinge anders. Der Grund für diese Änderung ist die Welle der
Unterstützung für Selbstmordattentäter, die gegenwärtig über beinahe die gesamte
palästinensische Bevölkerung rollt.
Die unnachgiebige Haltung auf der palästinensischen Straße ist
auch gegenüber den Amerikanern sehr feindlich. Palästinensische Analysten reden
und schreiben eine Menge über die unausgewogene amerikanische Position. Sie
sagen, die Amerikaner seien sehr sensibel bezüglich der Selbstmordanschläge und
des Leides der Israelis. Doch für den weitaus beträchtlicheren Schaden, der den
palästinensischen Zivilisten zugefügt wird, hätten sie kein Mitgefühl.
Diese Faktoren veranlassen die Mitglieder der palästinensischen
Führungsriege natürlich nicht, dem Aufruf des Hamasführers Ahmed Yassin an die
Islamischen Nationen nachzukommen und amerikanische Waren zu boykottieren. Doch
bei ihrem bevorstehenden Treffen mit US-Außenminister Powell, haben sie keine
großen Absichten, irgend etwas aufzugeben. Arafat und seine Männer sind durch
die anti-israelischen Demonstrationen in der arabischen Welt und durch die
Unterstützung seitens Europa sehr ermutigt und ganz besonders durch die
Tatsache, dass sie es geschafft haben, die "Isolation", die Arafat auferlegt
wurde, vollkommen bedeutungslos zu machen.
Gestern trafen sich alle Mitglieder des palästinensischen
Verhandlungsteams mit Arafat in dessen Büro, um sich auf das Treffen mit dem
US-Abgesandten Anthony Sini vorzubereiten und natürlich auf das weitaus
wichtigere Treffen mit Powell. "Wie konnte es passieren, dass ein irrelevanter
und isolierter Arafat den Außenminister des mächtigsten Landes der Welt treffen
wird? fragten gestern spöttelnd palästinensische Zeitungen.
Den Eindruck, den Arafats Sprecher und Berater aufkommen lassen,
ist derjenige, dass sie beabsichtigen, auf der Umsetzung des
Tenet-Waffenstillstandes und des Mitchell-Berichtes zu bestehen, und zwar gemäß
ihrem eigenen Standpunkt, ohne Sinis Interpretationen, die für sie inakzeptabel
sind. Sie werden Powell und seinen Männern auch erklären, dass sie nun Zeit
brauchen, um das aufzubauen, was die IDF zerstört hat und dass es ihnen erst
dann, wenn sie den palästinensischen Sicherheitsapparat neu errichtet haben,
möglich sein wird, Anstrengungen zur Beendigung des Terrors zu unternehmen.
Einer von Arafats Helfern sagte Ha'aretz gestern, dass es ihm
erscheint, als wolle der PA-Führer nun nicht einmal öffentlich zu einem Ende der
Anschläge aufrufen. Er würde nur die Bereitschaft äußern, dies erst nach einem
vollständigen israelischen Rückzug aus den PA-kontrollierten Gebieten zu tun und
nachdem alle Sperrungen und Ausgehverbote aufgehoben wurden. In anderen Worten:
Arafat werde es eher bevorzugen, in die Konfrontation mit Amerika zu geraten als
sein eigenes Volk zu verärgern, von dem die meisten glauben, dass Powell nicht
wegen seiner Sorge um das Schicksal des palästinensischen Volkes kommt, sondern
vielmehr wegen des Drucks seitens der arabischen Führer, die Freunde Amerikas
sind, und die sich aufgrund der gegenwärtigen Ereignisse Sorgen um ihre eigenen
Positionen machen.
haGalil onLine 11-04-2002 |