Arafats Nachfolger?
Wegweiser aus der Intifada
Der gemäßigte Palästinenser Abu Mazen
soll einen Terrorstopp aushandeln – Israel hofft, dass er bald auch
Arafat ablöst
Thorsten Schmitz
Die Gespräche zwischen der Fatah- Gruppe von
Palästinenserpräsident Jassir Arafat und den Terrororganisationen
Hamas und Islamischer Dschihad über ein befristetes Moratorium von
Anschlägen auf Israelis sind am Freitag erneut verschoben worden.
Sie sollten kommende Woche in Kairo stattfinden – und es sollte die
Bewährungsprobe für Mahmud Abbas werden, besser bekannt als Abu
Mazen.
Der 67 Jahre alte Stellvertreter Arafats ist
auserkoren, einen Waffenstillstand zumindest für die Zeit bis zu den
israelischen Parlamentswahlen am 28. Januar zu erzielen, um Premier
Ariel Scharon keine Plattform für einen Wahlkampf gegen
palästinensischen Terror zu geben. Auf Abu Mazen konzentrieren sich
die Hoffnungen Israels und der USA: Er soll noch vor den
palästinensischen Wahlen Arafat beerben und Premier werden, während
Arafat eine symbolische Funktion als Präsident übernehmen soll.
Nach Ansicht Israels, der USA und westlicher
Diplomaten ist Mazen all das, was Arafat nie war: vetrauens- und
glaubwürdig, geistreich und mutig. Zwar betont Mazen stets, er habe
keinerlei Ambitionen auf Ämter oder Funktionen, doch sein Lebenslauf
liest sich geradezu als Training für die große Aufgabe, das
palästinensische Volk aus der von Arafat durch dessen Intifada
verschuldeten Isolation herauszulotsen. Vor wenigen Wochen sorgte
Abu Mazen auf einer Kundgebung von Fatah-Funktionären im
Gaza-Streifen, der Hochburg der Hamas-Terrorgruppe, für
internationales Aufsehen. In deutlichen Worten kritisierte er die
Intifada als Eigentor: "Genug ist genug. Wir wollen Frieden!" Die
Gewalt habe den Palästinensern eine Wiederbesetzung zuvor autonomer
Zonen beschert – an deren Schaffung Mazen maßgeblich als Mitglied
bei den Friedensverhandlungen von Oslo beteiligt gewesen war. Er
rief zu einem sofortigen Stopp des Terrors und zum Dialog auf.
Weil Israel im charismatischen Mazen den künftigen
Führer der Palästinenser sieht, hat sich in jüngster Zeit selbst
Scharon zweimal in Geheimgesprächen mit Mazen getroffen. Arafat, der
seit einem Jahr unter faktischem Hausarrest in Ramallah festsitzt,
war darüber derart erzürnt, dass er Mazen zunächst von allen
Aufgaben entband. Inzwischen aber darf der studierte Historiker und
Jurist Mazen wieder für die Autonomiebehörde agieren – Arafat musste
einsehen, dass der Westen auch in Zukunft mit ihm keine
Verhandlungen führen wird.
Mazen hat sich in den Jahren in Israel den Ruf
eines Pragmatikers erworben, welcher der Diplomatie den Vorzug
einräumt. Selbst in den gewaltsamsten Momenten der jüngsten Intifada
hielt Mazen Kontakt zur israelischen Regierung und zu
Friedensgruppen wie "Peace now" – zum Missfallen von Arafats
Fatah-Organisation und deren bewaffnetem Flügel, den "Al-Aksa-
Brigaden". Mazen ist einer der Mitgründer von Fatah, wirft der
größten politischen Gruppe in der PLO jedoch vor, durch die
Militarisierung das palästinensische Volk "in die Irre" geleitet zu
haben. Die Gewalt, so Mazen, spiele nur Scharon in die Hände. Zudem
habe sie "all das zerstört, was wir in den letzten Jahren erreicht
hatten".
hagalil.com
05-01-03 |