Kabinett tritt
geschlossen zurück:
Arafat erleidet schwere innenpolitische
Niederlage
Parlament versagt dem Palästinenser-Präsidenten Gefolgschaft / Neue
Regierung soll innerhalb von zwei Wochen ernannt werden
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem - Palästinenser-Präsident Jassir
Arafat hat am Mittwoch bei der geplanten Abstimmung über sein neues
Kabinett eine schwere politische Niederlage erlitten. Die
Abgeordneten des palästinensischen Parlaments in Ramallah im
Westjordanland versagten Arafat die Gefolgschaft. Um einem
bevorstehenden Misstrauensvotum zuvorzukommen, trat das im Juni neu
berufene Kabinett geschlossen zurück. Der israelische Rundfunk
meldete unter Berufung auf palästinensische Quellen, Arafats
politische Fatah-Organisation habe für ein Misstrauensvotum gegen
die neu gebildete Regierung geworben. Die Fatah stellt 55 der 88
Abgeordneten im Parlament.
Arafat hatte dem Druck der USA und Israels im
Sommer nachgegeben und fünf Minister neu berufen. Einige
Ressortchefs behielten jedoch ihre Posten, was im palästinensischen
Parlament für Unruhe gesorgt hatte. Der alten Garde Arafats werfen
sie Korruption und Ineffizienz vor. Sie bereichere sich auf Kosten
der palästinensischen Zivilbevölkerung mit internationalem Geld, das
EU-Staaten und auch die USA der Autonomiebehörde überwiesen. Die
Abgeordneten waren mehrheitlich einverstanden, den fünf neuen
Ministern ihr Vertrauen auszusprechen, nicht jedoch den alten
Mitgliedern der Regierung.
Wahltermin festgelegt
Wenige Stunden vor dem überraschenden Rücktritt
der bisher amtierenden palästinensischen Regierung hatte Arafat per
Dekret den 20. Januar als Termin für die Neuwahl des Präsidenten und
des Parlaments bestimmt. Durch den Rückzug wird nun bis Januar eine
Übergangsregierung die Geschäfte der Palästinensischen
Autonomiebehörde führen müssen, die Arafat nach Angaben eines
Sprechers in den kommenden zwei Wochen dem Parlament vorstellen
wird.
Mit der Festlegung auf den 20. Januar widersetzte
sich der Palästinenser-Chef Forderungen der USA und Israels, die
Wahlen zu einem späteren Zeitpunkt abzuhalten. Arafats Berater Nabil
Abu Rudeineh sagte, die USA und Israel seien lediglich an einem
späteren Datum interessiert, um die derzeitige Palästinensische
Autonomiebehörde zu zerschlagen. Beide Länder knüpfen eine
Wiederaufnahme von Friedensgesprächen und die Bildung eines
palästinensischen Staates an umfassende Reformen innerhalb der
Autonomiebehörde. Zugleich betonen sie, dass diese Ziele mit Arafat
nicht verwirklicht werden könnten. Bisher haben sich weder die USA
noch Israel festgelegt, wie sie im Falle einer Wiederwahl Arafats
reagieren wollen. Dieser hatte vor seiner gestrigen Schlappe
mehrfach erklärt, dass er wieder kandidieren werde. Ein für Mittwoch
oder Donnerstag in Aussicht gestelltes Treffen zwischen dem
palästinensischen Innenminister Abdel Rasak Jechia und Israels
Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser ist bis auf weiteres
ausgesetzt worden.
Israelische Truppen sind in der Nacht auf Mittwoch
für mehrere Stunden in den Norden des Gaza-Streifens eingedrungen
und haben dort in der palästinensischen Ortschaft Beit Chanun Häuser
und Moscheen durchsucht. Dabei sei es zu vereinzelten Feuergefechten
gekommen, meldete der israelische Rundfunk. Die Armee habe nach
mutmaßlichen Terroristen gesucht, hieß es aus dem
Verteidigungsministerium. Angaben über Verletzte wurden zunächst
weder von Palästinensern noch von israelischer Seite gemacht. Im
Norden des Westjordanlands nahmen israelische Soldaten vier
Mitglieder des Islamischen Dschihad fest. In dem Dorf Harisch an der
Grenze zum Westjordanland explodierte ein Sprengsatz, ohne dass es
Verletzte gab.
hagalil.com
12-09-02 |