MEMRI Special Dispatch –
19.11.2004
Palästinensische Zeitung
Al-Ouds:
Israels Politik nach Arafat
In einem redaktionellen
Kommentar beschäftigt sich die palästinensische Zeitung Al-Quds mit der
israelischen Politik nach dem Tode Yassir Arafats. Dieser sei für die
israelische Regierung "kein Partner" gewesen, weil er nicht gegen den
Terror vorgegangen sei. Das habe Israel aber nur als Vorwand gedient, um
den Friedensprozess zu stoppen und die Besatzung aufrecht zu erhalten.
Tatsächlich, habe sich aber jetzt gezeigt, so Al-Quds, dass Arafat
niemals Macht über alle palästinensischen Widerstandsgruppen gehabt
habe.
Ohne direkt auf die
innerpalästinensischen Auseinandersetzungen nach dem Tod Arafats
einzugehen, lenkt die Zeitung den Blick wieder auf die Haltung Israels:
Statt Arafat würden jetzt eben die Palästinenser insgesamt für die
Gewalt verantwortlich gemacht. Der Kommentar erschien am 18.11.2004:
"Nach und nach fällt die
israelische Maske"
"Während der letzten vier Jahre - und auch schon zuvor - haben die
israelischen Behörden den verstorbenen Präsidenten Arafat stets als
Vorwand benutzt, um die Umsetzung von Verpflichtungen des
Friedensprozesses umgehen und den Prozess einfrieren, wenn nicht gar
ganz zerstören zu können. Mit falschen Anschuldigungen und diversen
Behauptungen führten sie die öffentliche Meinung in Israel und der
ganzen Welt in die Irre. Indem so getan wurde, als ob es 'auf
palästinensischer Seite keinen Partner für Verhandlungen' gebe, wurde –
nach Israels eigener Logik – die Beendigung des Friedensprozesses und
die Durchführung von einseitigen Schritten gerechtfertigt, die
tatsächlich nur die Verwirklichung des palästinensischen Strebens nach
Unabhängigkeit und Souveränität verhindern sollten.
Diese berechnende und fälschliche israelische Propaganda stellte Arafat so
dar, als ob er die Schlüssel für die Aktivitäten sämtlicher
palästinensischer Gruppierungen in der Hand hielte und am Schaltknopf
aller Operationen [1] gegen israelische Ziele innerhalb der grünen Linie
und in den 1967 besetzten Gebieten sitzen würde. Und immer wenn eine
Operation dieser Art stattfand, richtete sich der Vorwurf allein an die
PA – insbesondere an Präsident Arafat, der ´die Operation nicht
verhindern konnte´. Dabei ist doch bekannt, dass die israelischen
Stellen [Verwaltung und Sicherheit in ihrer Hand behalten haben], den
Unterbau des palästinensischen Sicherheitsapparates zerstört und dessen
Bewegungsfreiheit gelähmt haben. […]
Allerdings wurde in der Zeit […] zwischen Arafats Reise nach Paris zur
medizinischen Behandlung und seinem Tod in der vergangenen Woche
deutlich, wieviel Schein und Irreführung sich in den letzten vier Jahren
hinter der falschen Maske Israels verborgen hat: Der ganzen Welt wurde
nun klar, dass Arafat zwar der zentrale Knotenpunkt im Gewebe der
palästinensischen Einheit war, aber eben nicht alle Fäden in der Hand
hielt, wie es die israelischen Behörden im eigenen Interesse immer
darzustellen versuchten. Sie wollten [mit diesen Behauptungen] nur den
Friedensprozess einfrieren und den Kampf des palästinensischen Volkes um
Freiheit und Beendigung von Besatzung und Besiedlung stoppen.
Es stellt sich also die Frage: Verändert sich nun - da Arafat, den die
Regierung Scharon immer als Hindernis auf dem Weg zum Frieden
hingestellt hat, tot ist - die Strategie Israels? Es besteht wohl kein
Zweifel daran, dass die israelische Politik so bleiben wird wie sie ist.
Denn die Bedingungen für die Wiederaufnahme eines Kurses in Richtung
Frieden sind die selben, die schon Arafat gestellt worden waren: die
'Bekämpfung der palästinensischen Widerstandsgruppen' und das Entfachen
eines Bürgerkriegs innerhalb der palästinensischen Gesellschaft, der die
Palästinenser von der Besatzung und den israelischen Willkürmaßnahmen
ablenkt.
Nachdem also die Maske, hinter der sich die israelischen Stellen zu
verstecken suchten, zerrissen ist und das wahre Gesicht der Besatzung
offen zutage tritt, konnten sie nur darauf verfallen, nun 'jeden
Palästinenser als Arafat hinzustellen' und jeden Palästinenser voll und
ganz für die Gewalt verantwortlich zu machen. Das Anschlagen solch
falscher Töne hat in den israelischen Medien schon begonnen und ist wohl
als Vorbereitung auf ihre Weiterverbreitung in der gesamten
Weltöffentlichkeit und insbesondere in Amerika zu sehen."
[1] 'amaliyat (= med. und milit.: Operationen) ist der in vielen
arabischen Medien verwandte Begriff für (Terror-)Operationen gegen
militärische wie zivile Ziele.
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