Arafat wankt:
Hamas will Palästinenser-Präsident stürzen
Von Thorsten Schmitz
Die Machtbasis von Palästinenserpräsident
Jassir Arafat bröckelt zusehends. Der Vorsitzende der
Autonomiebehörde steht seit mehr als einem Jahr unter virtuellem
Hausarrest in Ramallah im Westjordanland, Staatschefs und
Außenminister aus aller Welt haben ihre Kontakte zu ihm eingestellt.
Nun hat die Palästinensergruppe Hamas, die auf der Liste der
Terrororganisationen der US-Regierung steht, erstmals öffentlich
gegen Arafat aufbegehrt. Hamas beabsichtigt, Arafat bei den
kommenden Wahlen abzulösen.
Dass Arafats Einfluss schwindet und die Macht der
Hamas wächst, lässt sich auch am Scheitern der Konferenz von
Palästinenser-Gruppen in Kairo vorvergangene Woche ablesen. Arafats
Fatah hatte versucht, unter Moderation von Ägyptens Staatschef Hosni
Mubarak ein Ende der Anschläge in Israel zu erwirken. Das
Terror-Moratorium war jedoch am Hamas-Widerstand gescheitert. Hamas
verfügt im Gegensatz zu Arafats Fatah über einen "guten" Ruf
innerhalb der palästinensischen Gesellschaft.
Besonders im Gaza-Streifen, ihrer Hochburg, hat
die Organisation ein dichtes soziales Netz gewebt aus Armenküchen,
Kliniken und Schulen. Die Hamas hat im verarmten Gaza-Streifen, der
mit seinen etwa 1,3 Millionen Palästinensern als dichtest
besiedelter Flecken der Erde gilt, das Machtvakuum gefüllt und die
Funktionen der Palästinensischen Autonomiebehörde übernommen, seit
Israel Arafat keine Reisegenehmigung in sein Hauptquartier in
Gaza-Stadt erteilt. Ein Hamas-Funktionär sagte am Wochenende, seine
Organisation verfüge über die Infrastruktur, die Führung "in
politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht"
auszuüben. Hamas-Mitglieder gelten zudem als weniger korrupt als die
Funktionäre der Fatah, dafür aber als umso fanatischer. Ihr
spirituelles Oberhaupt, der in Gaza-Stadt lebende Scheich Ahmed
Jassin, rief erst am Wochenende wieder dazu auf, den "Krebs namens
Israel" zu vernichten.
Um eine weitere Radikalisierung der Palästinenser
zu verhindern, hat der künftige israelische Regierungschef Ariel
Scharon erstmals seit einem Jahr wieder Gespräche mit gemäßigten
Palästinensern geführt. Wie erst jetzt bekannt wurde, traf Scharon
bereits vergangenen Mittwoch den palästinensischen
Parlamentspräsidenten Ahmed Kurei und unterbreitete einen
Zweistufenplan.
Demnach würde Israel seine Truppen aus Gebieten
abziehen, in denen die Palästinenser für Sicherheit sorgten. Israel
will verhindern, dass die Palästinenser in die Arme der Hamas
getrieben werden. Zudem gilt das Gespräch als Vorbereitung auf die
Zeit nach einem Irak-Krieg. Die US-Regierung hat ihren arabischen
Alliierten versprochen, nach einem Regimewechsel im Irak die
Vermittlungen im Nahost-Konflikt zu intensivieren. Nicht nur wegen
des internationalen Drucks führt Scharon nun Gespräche mit
gemäßigten Palästinensern. Er möchte damit die Arbeitspartei von
ihrem Koalitions-Nein abbringen. Die Gespräche mit den
Palästinensern – trotz anhaltender Gewalt – waren eine der
Hauptforderungen der Arbeitspartei. Auch am Sonntag kam es wieder zu
einem blutigen Zwischenfall. Drei Palästinenser sprengten sich mit
einer Autobombe bei einem israelischen Armeeposten in die Luft. Zwei
Soldaten erlitten einen Schock.
hagalil.com
10-02-03 |