Eingefrorene Gelder:
Ein Scheck über 70 Mio NIS
Nur wenige glauben, der
PA-Finanzminister könne Arafat dazu bringen, seinen Kurs zu ändern
Nachrichtenartikel von Amos
Harel, Haaretz, 28.07.2002
Der Scheck über 70 Millionen
Neue Israelische Schekel (Anmerkung: 1,00 € = 4,74 NIS), den der
palästinensische Finanzminister Salam Fayad in den nächsten Tagen
erhalten wird, wird nur einen kleinen Teil dessen decken, was die
Palästinensische Autonomiebehörde derzeit benötigt. Die zwei Milliarden
NIS Steuergelder, die Israel seit Januar 2001 aufgrund der Eskalation
der Gewalt zurückhält, wären für die Palästinenser von weitaus größerem
Nutzen, sie wären zumindest ein Anfang, um aus der gegenwärtigen Not
herauszukommen.
Bis Israel entschied, sie
zurückzuhalten, waren die nun eingefrorenen Gelder ein bedeutender Teil
des PA-Budgets. Das Geld –etwa 50 Millionen $ im Monat (Anmerkung:
1,00 € = 1,00 $)- stammt aus Mehrwertsteuer-Einnahmen, Steuern, die
von palästinensischen Arbeitern in Israel bezahlt werden, Zolleinnahmen
und Verbrauchssteuern auf Benzin und Zigaretten. Dies sind etwa 70% des
monatlichen Budgets für die PA. Von dem Moment an, in dem die Geldmittel
einbehalten wurden, war PA-Führer Yassir Arafat (offiziell) unfähig, die
Gehälter der PA-Angestellten und die der Sicherheitskräfte zu bezahlen.
Nach seinen eigenen Worten
benötigt Arafat allein 58 Millionen $ monatlich für das Auszahlen der
Gehälter. Diese werden in etwa durch Spenden aus der arabischen Welt,
mit Hilfe der EU, durch begrenzte Steuererhebungen (ca. 14 Millionen $
pro Monat, die hauptsächlich von Geschäftsleuten bezahlt werden) und
offizielle Einnahmen aus Monopolen gedeckt.
Israel ist jedoch der Meinung,
dass Arafat die Zahlen entwertet und dass er tatsächlich nur 35
Millionen $ pro Monat für das Auszahlen der Gehälter benötigt. Wie
reduziert der PA-Führer seine Ausgaben? Ganz einfach. Die PA fror die
Dollarrate ein. Die Angestellten werden auf der Ebene von 3,70 NIS pro
Dollar bezahlt (Anmerkung: derzeit kostet ein Dollar tatsächlich 4,74
NIS). Die PA entwertet auch die Zahlen ihrer Berichte über den
Durchschnittslohn ihrer Mitarbeiter gegenüber dem Internationalen
Währungsfonds (die aktuelle Zahl liegt bei etwa 100,00 $ niedriger als
derjenigen, die angegeben wurde). Diese Schritte machen es der PA
möglich, Bankkonten mit hohen Summen einzurichten, die für den Erwerb
von Waffen und für die Unterstützung des Terrors benutzt werden.
Der Geheimdienst des israelischen
Generalstabs glaubt, dass Arafat monatlich etwa 10 Millionen $ für diese
zusätzlichen Bedürfnisse bereitstellt. Doch dies ist nur ein Teil der
Geschichte. Unter der Oberfläche operiert das, was Major-General Amos
Gilad, der Koordinator für Regierungsaktivitäten in der Westbank und in
Gaza, das "Luxussystem" nennt.
Es existiert ein weites System
von Monopolen, die in den Territorien operieren und ranghohen
palästinensischen Beamten ermöglichen, ein respektables Einkommen zu
verdienen, das den spionierenden Augen internationaler Aufsicht gut
verborgen ist. Es ist schwer, die Summe exakt zu beziffern, doch sie
erreicht ganz gewiss mehrere Hundert Millionen Dollar jährlich. Die
Schlüsselfigur des ganzen ist Arafats Finanzberater Mohammed Rashid, der
wieder auf die Bühne zurückgekehrt ist, nachdem er aufgrund öffentlicher
Kritik über die Korruption der PA für kurze Zeit nicht an der Seite des
PA-Führers gestanden hat.
Die "Gesellschaft für Entwicklung
und Investition, Palästina", in der Rashid eine prominente Figur ist,
beherrscht die meisten Monopole innerhalb der PA, sei es auf direkte Art
oder in Form von Partnerschaften oder manchmal auch durch Gewalt.
Aus den Territorien kamen mehr
als nur wenig Berichte über Geschäftsleute, die es vorziehen, die
Zentren ihrer Geschäftsaktivitäten ins Ausland zu verlegen, nachdem
Rashid ihnen die Partnerschaft aufzwang.
Die Monopole in der PA dienen
beinahe dazu, festzustellen, wer in der palästinensischen Führung welche
Position einnimmt: Die großen Einnahmen im Bereich des Kraftstoffs
werden zwischen Jibril Rajoub und Mohammed Dahlan aufgeteilt. Rajoub
kontrolliert auch das zur Zeit geschlossene Kasino in Jericho. Dahlan
kontrolliert das, was über die Grenze aus dem Gazastreifen nach Israel
geht.
Minister Jamil al-Tarifi
kontrolliert den Zement in der Westbank und eine Reinigungsfirma. Nabil
Sha’ath ist ein bedeutender Mann im Computerbereich, während Abu Ala
viele Immobilienanteile besitzt. Abu Mazen und seine Familie haben die
Kontrolle über eine Gesellschaft, die sowohl in Werbeverträge für TV und
Radio involviert ist wie auch in die Vermarktung von Elektroartikeln in
den Territorien.
Und was ist mit Rashid? Der
Finanzberater hat (wie sein "Boss" Arafat) Anteil an jedem Kuchen:
Kraftstoff, Zement, Zigaretten, Mehl, Eisen, Medizin, nicht zu vergessen
sein Anteil am Kasino. Rashid hatte einige seiner Geschäftsanteile in
den Territorien satt. Folglich versuchte er, sein luxuriöses
Ramallah-Hotel unter bedeutenden Einbußen an eine arabische Bank zu
verkaufen.
Das größte Geheimnis betrifft den
persönlichen Vermögensstand des PA-Führers. Die Informationen sind
höchstens bruchstückhaft, obwohl es klar ist, dass mehrere
Hundertmillionen auf Arafats Konten im Ausland geflossen sind.
Inoffiziell spricht man in der israelischen Verteidigung von einem
persönlichen Vermögen, das 1,5 Milliarden Dollar umfasst, von denen ein
Teil an Immobilienprojekte geknüpft ist.
Die israelische Verteidigung legt
einigen Wert auf den neuen Finanzminister Fayad, doch sie ist auch
skeptisch. Viele zweifeln, dass es ihm möglich sein wird, Arafat die
Regeln von ordnungsgemäßer Verwaltungs- und Behördenarbeit aufzuerlegen.
Der PA-Führer ist den alten Kurs so sehr gewöhnt, dass es sehr schwer zu
glauben ist, er werde sich gerade jetzt ändern. "Am Ende wird Fayad
scheitern", sagt eine Quelle der Verteidigung, indem sie dicht an der
Saga der PA-Steuergelder bleibt, "denn Arafat wird ihm nicht erlauben,
inoffizielle Gelder zu kontrollieren, doch gerade diese sind der
bedeutendere Teil."
Fayads Mitarbeiter haben
israelischen Beamten bereits mitgeteilt, dass sie glauben, er werde den
Posten letzten Endes aufgeben. "Wenn Arafat ihm Steine in den Weg legt,
wird Fayad nicht weitergehen", sagten sie. Manche äußerten sogar ihre
Überraschung darüber, dass der Finanzminister, der einen amerikanischen
Pass hat, zustimmte, sich in das Krankenbett der palästinensischen
Wirtschaft zu legen. Die israelischen Verteidigungsstreitkräfte sind
genauso pessimistisch. Dies ist nicht Israels offizielle Meinung, doch
es scheint, dass sie von vielen in der Verteidigung geteilt wird.
hagalil.com
28-07-02 |