Diplomatie oder Unabhängigkeitskrieg der Straße?
Die Wahl des Jasir Arafath
Demonstrationen für Bin Laden sind in
Gaza von der palästinensischen Polizei mit eiserner Hand unterdrückt
worden. Es gab mindestens drei Tote und zahlreiche Verletzte. Somit hat
sich Arafat dafür entschieden, sich auf die Seite der USA zu stellen.
Da er aus der bitteren Erfahrung mit
seiner Unterstützung Saddam Husseins gelernt hat, hat Arafat diesmal
eine logische und keine emotionelle Entscheidung getroffen. Er erwartet,
dass die Amerikaner und ihre Verbündeten nach einem Sieg in der ersten
Phase der Kämpfe eine Madrid II Konferenz unter ihrer Schirmherrschaft
einberufen werden, in dem eine israelisch-palästinensische
Friedenslösung erzwungen werden wird. Arafat will zu dieser Konferenz
als einer der Sieger kommen.
Arafat befindet sich allerdings in einer
peinlichen Situation. Seit dem Anschlag in den USA tat er alles, um den
palästinensischen Kampf vom internationalen Terror fernzuhalten. Vor
allem bemühte er sich, sich von jeder Unterstützung für Bin Laden zu
entfernen. Jedoch sein Volk, und nicht nur die Hammas und der Jihad, ist
nicht derselben Meinung: Viele Palästinenser unterstützen den
Meisterterroristen und rufen im Chor "Wir sind alle Bin Laden".
Arafat war der erste Führer in der Welt,
der den Anschlag in den USA verurteilte. Seit Eröffnung des Kriegs in
Afghanistan schweigt er jedoch. Er ist nicht bereit, den Amerikanern
öffentlich seine Unterstützung zu erklären und die arabischen Staaten
aufzufordern, sich der Koalition anzuschließen, wie es Präsident Bush
von ihm erwartete. Stattdessen wartet er auf die offizielle arabische
Haltung zu dem Krieg, die die Außenminister der islamischen Staaten in
Katar festgesetzt haben.
Die palästinensische Straße ist jedoch
radikaler als ihr Führer und zögert nicht, eine Haltung zu beziehen:
Zahlreiche Palästinenser haben sich bereits zu einer klaren
anti-amerikanischen Haltung entschlossen und sie in Gaza auch
demonstriert.
Arafat war über die Demonstration
informiert, verhinderte sie jedoch nicht, da er keinen Konflikt wollte.
Er unternahm Vorsichtsmaßnahmen, es stellte sich jedoch heraus, dass
diese nicht genügten. Letzten Endes musste er seine Polizisten
aussenden, damit sie die Demonstration auflösen. Um jeden Preis sollten
Aufnahmen der Sympathiekundgebungen für Bin Laden verhindert werden.
Arafat wird jetzt versuchen, die
Bedeutung der Demonstrationen herunterzuspielen. Er kann aber die
Gefühle auf der palästinensischen Straße nicht ändern. Die Risse werden
die Palästinenser mit ihrem verbindenden Klebstoff kitten, dem Hass
gegen Israel. Wirksame Maßnahmen gegen den Terror sind von der PA nicht
zu erwarten.
Dachlan und Rajub fordern die
Bekämpfung des Terrors
Inzwischen fordern bereits Leute aus
Arafath engstem Umfeld eine Vorgehen gegen die Terrorgruppen in
Palästina. Zum wiederholten Male kritisierte auch der israelische
Verteidigungsminister Ben-Elieser den Chef der PA. In einem Interview
mit Jedioth achronoth fragt Ben-Elieser "Warum tut Arafath nichts? Alle
ernsten Leute im Umfeld Arafats sagen ihm immer wieder: 'Sie führen uns
in den Untergang'. Vor dem Treffen mit Peres hat Arafath noch gewisse
Bemühungen unternommen. Danach haben ihn alle gelobt, ihm gedankt, ihm
schon wieder einen Staat versprochen, und deshalb hat er gleich wieder
die Präventivmaßnahmen eingestellt. Arafat unternimmt nur dann
Bemühungen, den Terror zu stoppen, wenn er glaubt, sich unter
internationalem Druck zu befinden, oder wenn es im Moment seinen
Interessen dient. Achten Sie doch einmal darauf, wann das geschieht:
Immer nach einem großen Anschlag, wenn die Welt ihm auf die Pelle rückt.
Ansonsten ist dieser Mann, Arafat, verdammt noch mal nicht in der Lage,
auch nur zwei Tage Ruhe zu liefern!"
Mit seinem Widerstand gegen Bin Laden
scheint Arafat wieder einmal den ersehnten Hebel für eine, ihm genehme,
internationale politische Initiative, gefunden zu haben. Er wird eines
Tages noch Freudentänze auf dem Grab Bin Ladens aufführen. Die
israelische Regierung verstrickt sich hingegen in problematischen
Reaktionen auf den amerikanischen Antiterrorkrieg. Sie verhält sich so,
als sei es nicht auch ihr Krieg. Die Regierung spricht in verschiedenen
und widersprüchlichen Stimmen. Während sich Arafat derzeit als jemand
präsentiert, der mit Ungeduld auf den Tag des Siegs der
Antiterrorkoalition wartet, stellt sich die israelische Regierung so
dar, als fürchte sie sich vor diesem Tag.
Nach Jedioth achronoth, u.a. Roni Shaked,
10. Oktober 2001. Das erwähnte Exklusivinterview mit
Verteidigungsminister Ben-Elieser führte Alex Fischmann, ebenfalls
Jedioth.
haGalil onLine
11-10-2001 |