Nach christlicher Tradition wurde Jesus in Bethlehem geboren.
Aus diesem Grunde ist Bethlehem einer der heiligsten Orte im
Christentum. Da die Stadt für den Islam keine besondere Heiligkeit
aufweist und da die nördlich und südlich von Bethlehem gelegenen
Städte Jerusalem und Hebron für die jüdische Religion von größerer
Bedeutung sind, wurde Bethlehem eine Stadt, in der während Hunderten
von Jahren die Christen die Bevölkerungsmehrheit stellten.
Die Gründung des Staates Israel hat das Gleichgewicht zwischen
Muslimen und Christen in der Stadt weitgehend erschüttert. Um die
Stadt herum wurden drei Flüchtlingslager errichtet (Dehaishe, Al
Aida, Al Aza), die fast ausschließlich von Muslimen bewohnt sind.
Dies beeinflusste das demographische Gleichgewicht der Stadt.
Das Gewicht der christlichen Bevölkerung im Autonomiegebiet ist
gering. Ihr Anteil beträgt lediglich 2% der Gesamtbevölkerung (61000
Menschen). Die christliche Bevölkerungsgruppe ist jedoch relativ
gebildet und etabliert. Sie nimmt regen Anteil am palästinensischen
Leben und leistet einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung, im Bildungswesen und bei der Vertretung des
palästinensischen Standpunktes gegenüber der internationalen
öffentlichen Meinung. Hanan Ashrawi ist hierfür ein prominentes
Beispiel.
Arafat und die palästinensische Autonomiebehörde messen den
Christen große Bedeutung hinsichtlich der Bestrebungen bei,
Unterstützung für die palästinensische Position im christlichen
Westen zu mobilisieren. Arafat versucht, sich als Beschützer der
Christen auf palästinensischem Boden darzustellen. Vor diesem
Hintergrund ist sein Bestreben zu verstehen, an der
Mitternachtsmesse in Bethlehem teilzunehmen.
Seit Jahren ist in den Gebieten ein Rückgang der christlichen
Bevölkerung zu erkennen. Dieser ist die Folge einer niedrigen
Geburtenrate und der Auswanderung überwiegend junger Menschen wegen
mangelnder Beschäftigung. Diese Tendenz war auch nach der Errichtung
der Palästinensischen Autonomiebehörde und der bewaffneten
Konfrontation der letzten Jahre auffällig. Eine Tendenz, Eigentum zu
verkaufen, ist jedoch nicht erkennbar, was als Hinweis auf eine
Rückkehrabsicht zu deuten ist.
Der Rückgang der christlichen Bevölkerung äußert sich in massiver
Weise in Bethlehem, das nach vielen Generationen von einer Stadt mit
christlicher Bevölkerungsmehrheit zu einer mehrheitlich muslimischen
Stadt geworden ist. Bei der letzten von den britischen
Mandatsbehörden durchgeführten Volkszählung im Jahre 1947 waren 80%
der Bevölkerung Christen. Heute unter palästinensischer Herrschaft
hat sich das Verhältnis umgekehrt und etwa 80% der Bevölkerung sind
Muslime. Die Bevölkerungszahl in Bethlehem und Umgebung beträgt
insgesamt: ca. 150.000, davon sind etwa 30.000 Christen.
Als im Dezember 1995 Bethlehem unter die Kontrolle der
Palästinensischen Autonomiebehörde fiel, änderte diese die für die
Christen gültigen Regeln. Die Geburtskirche und andere für das
Christentum wichtige Stätten wurden der Autonomiebehörde
unterstellt, wodurch Yasser Arafat die Möglichkeit gegeben wurde,
Druck auf die Oberhäupter der christlichen Gruppen auszuüben. Dies
hatte zur Folge, dass die Vertreter der verschiedenen Kirchen sich
Arafat unterordneten und zu Sprachrohren der palästinensischen
Propaganda wurden.
Ein Beispiel für die Haltung Arafats gegenüber den Christen war
seine einseitige Entscheidung, das griechisch-orthodoxe Kloster in
der Nähe der Geburtskirche während seiner Besuche in Bethlehem als
Residenz zu nutzen. Dies geschah, ohne dass im Vorfeld die
Zustimmung der Kirche erteilt wurde.
Die Haltung der Autonomiebehörde gegenüber den Christen ist nicht
nur in Bethlehem von gesellschaftlicher und religiöser Verfolgung
charakterisiert. Dies äußert sich durch die Zerstörung von
Friedhöfen und durch gewaltsames Eindringen in Klöster zum einen und
durch Verfolgung auf persönlicher Ebene zum andern. So wurde im Juni
1997 ein getaufter Palästinenser verhaftet. Er wurde von den
Sicherheitskräften verhört und gefoltert, nachdem er Bibeln verteilt
hatte.
Ein schwerwiegenderer Fall ereignete sich im August 1997, als
palästinensische Polizisten das Feuer auf eine arabisch-christliche
Menge eröffneten und sechs Menschen verletzten. Die Autonomiebehörde
versuchte den Vorfall zu vertuschen und warnte Journalisten davor,
diesen zu veröffentlichen.
Diese Haltung äußerte sich in verstärktem Maße nach Ausbruch der
bewaffneten Konfrontation im September 2000 insbesondere in der
Gegend von Bethlehem. Ausdruck davon war die Beschießung des
Wohnviertels Gilo von Stellungen in der Nähe von Kirchen in Beit
Jala durch Tanzim-Aktivisten, die meisten von ihnen Beduinen vom
Tamra-Stamm. In ähnlicher Weise wurde die Wohngegend Har Homa von
Bethlehem aus und das Militärlager Shedma von Beit Sachur aus
beschossen, wobei eine Erwiderung des Feuers durch Israel bewusst
provoziert wurde. Das Ziel war, die erwartete Beschießung von
Christen im Rahmen der israelischen Reaktion propagandistisch
auszunutzen. Dieser Versuch scheiterte wegen der israelischen
Pressearbeit und infolge einer Reihe von Briefen, in denen die
Bewohner von Beit Jala um die Hilfe der christlichen Welt baten, um
eine Feuerpause zu erreichen.
Die Attacken gegen die Christen waren auch auf das bei den
Muslimen bestehende Gefühl zurückzuführen, dass sich die Christen
nicht im Kampf der Palästinenser engagieren würden. Es wurde mit
Verwunderung gefragt, wie es sein könne, dass es keine christlichen
Todesopfer gebe. Gegen führende christliche Vertreter, an deren
Spitze der Bürgermeister Bethlehems, Hana Nasser stand. wurden
Flugblätter verteilt, in denen diese der Kollaboration mit Israel
bezichtigt wurden. Auf die Flugblattaktion folgten konkrete Taten.
Zwei Aktivisten der christlichen Gemeinschaft wurden durch
Angehörige der Tanzim-Milizen angeschossen und verletzt, die sie der
Kollaboration mit Israel bezichtigten. Sechs andere Personen, die
Handelsbeziehungen mit Omar Saadah, dem Kommandanten des
militärischen Arms der Hamas in der Stadt unterhielten, wurden
verhaftet, nachdem der Hamas-Aktivist durch israelisches Feuer
getötet worden war. Sie wurden verdächtigt, Israel die für seine
Tötung erforderlichen Hinweis! e ! geliefert zu haben.
Die Haltung der Palästinenser zu den Christen erreichte ihren
Höhepunkt während der Militärmaßnahme "Schutzschild" im April 2002,
als palästinensische Terroristen die Geburtskirche in ihre Gewalt
nahmen. Dort verschanzten sie sich in dem Wissen, dass Israel davon
absehen würde, in diese heilige Stätte einzudringen. Die Terroristen
wurden nach langen Verhandlungen evakuiert, und 13 von ihnen fanden
in europäischen Ländern Aufnahme.
Video (real):
Unheiliges
Asyl in Beth Lechem