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Noch eine halbe Chance

Nach den jüngsten Terroranschlägen in Israel scheint die Zeit für Yassir Arafat abgelaufen zu sein.

von andré anchuelo

Point Of No Return: Für Arafat wird es eng. Wenn er konsequent gegen die Islamisten vorgeht, droht ein Bürgerkrieg. Tut er es nicht, stärkt er die Kräfte in der israelischen Regierung, die ihn und seine Autonomiebehörde loswerden wollen. Nur an der diplomatischen Front hat er Erfolg: Auf Antrag der Arabischen Liga wurde Israel wegen Verstößen gegen die Genfer Konvention verurteilt.

Wir tun unser Bestes«, sagte ein sichtlich gequält lächelnder Yassir Arafat am vergangenen Wochenende immer wieder einer Reporterin der BBC. Sie hatte den Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gefragt, ob seine Polizei nicht mehr tun müsse, um die Aktivitäten palästinensischer Terrororganisationen zu unterbinden. Bei dem Gespräch drängte sich der Eindruck auf, dass es schon gar nicht mehr um die Frage geht, ob Arafat nicht mehr tun kann oder will, sondern eher darum, wer ihn zuerst entmachtet: die Israelis oder aber rivalisierende palästinensische Gruppen. Jedenfalls scheint er politisch am Ende zu sein.

Mit den blutigen Terroranschlägen vom vorletzten Wochenende, die fast 30 Todesopfer forderten, waren offenbar nicht nur auf der israelischen Seite sämtliche roten Linien überschritten. Auch die US-Regierung war extrem verärgert, dass ihre beiden neuen Unterhändler für den Nahen Osten, Anthony Zinni und William Burns, derart »begrüßt« wurden. Israels Premier Ariel Sharon, der zur Zeit der Anschläge in Washington weilte, verkürzte seinen Besuch und nahm von US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell die offizielle Botschaft mit nach Hause, dass Israel im Kampf gegen den Terror tun muss, »was ihm angemessen erscheint«.

Nachdem sich die US-Administration im Zuge ihrer »Anti-Terror-Allianz« mit arabischen Staaten im Oktober und November der palästinensischen Position annäherte, indem sie ein stärkeres Engagement im Nahen Osten und ihre Unterstützung für die Gründung eines Palästinenserstaates in Aussicht stellte, schwenkt sie nun um und unterstützt Israel.

Den US-amerikanischen Politikern dürfte klar geworden sein, wie ernst es Sharon diesmal meint. Nicht nur irgendein brüchiger Waffenstillstand stand auf dem Spiel, sondern die Existenz der Palästinensischen Autonomiebehörde und ihres Vorsitzenden Arafat. In Israel wurden selbst in der politischen Mitte Forderungen laut, die PA zu zerschlagen und Arafat zumindest außer Landes zu weisen.

Das israelische Sicherheitskabinett konnte sich noch nicht zu dieser letzten Konsequenz entschließen. Es stufte die mit Arafats Fatah-Bewegung assoziierten Tanzim-Milizen und Arafats Leibgarde Force 17 als Terrororganisationen ein. Von diesen beiden Gruppen ist seit längerem bekannt, dass sie immer wieder, gemeinsam mit militanten Islamisten, Angriffe auf Israelis unternehmen. Doch die PA selbst wurde lediglich als eine »den Terror unterstützende Organisation« eingestuft. Von ihr wurde gefordert, die Infrastruktur der Terrororganisationen zu zerschlagen und ihre Führer zu verhaften.

Angesichts der gleichzeitigen militärischen Angriffe der israelischen Armee (IDF) auf Einrichtungen der Autonomiebehörde in Gaza und der Westbank dürfte das israelische Vorgehen als letzte halbe Chance für Arafat zu werten sein. So analysierte es Shlomo Gazit in der Jerusalem Post: »Die jüngsten Aktionen der IDF sollten Arafat symbolisch treffen, um sein Ansehen in den Augen seines Volkes zu beschädigen. Eine Sache ist klar: Nur ein palästinensischer Kollaborateur würde nach den für Arafat und die PA beleidigenden Schlägen den Terror unterdrücken.«

Genau diesem Problem sah sich der PA-Vorsitzende ausgesetzt. Nachdem die IDF Arafats Hubschrauberlandeplätze samt Hubschraubern zerstört hatte, versuchten Polizeikräfte der Autonomiebehörde, neben anderen auch den Führer der Hamas, Sheich Achmed Yassin, unter Hausarrest zu stellen. Straßenschlachten und Schießereien mit wütenden Hamas-Anhängern waren die Folge.

Schließlich einigten sich die PA und die Hamas auf eine Art Waffenstillstand. Yassin verbot seinen Leuten den Einsatz von Schusswaffen, im Gegenzug postierten sich die PA-Kräfte, die den Hausarrest sicherstellen sollten, einige Häuser entfernt. In der Gegend um Bethlehem nahmen die Tanzim-Milizen als Reaktion auf die Verhaftung ihres Funktionärs Yehiyeh Dahamse den Beschuss der israelischen Stadt Gilo wieder auf.

Überhaupt scheint über die Palästinensergebiete inzwischen nicht mehr ein »Hauch des Libanon« zu wehen, wie es Matt Rees, der Korrespondent des Times-Magazine, noch im August formulierte, sondern eher der Sturm eines Bürgerkrieges. Und Yassir Arafat ist dabei schon jetzt der Verlierer. Bereits vor den jüngsten Anschlägen veröffentlichte Meinungsumfragen zeigten, dass die Hamas in der palästinensischen Bevölkerung größeres Ansehen genießt als er.

Sein Vorgehen gegen islamistische und nationalistische Milizen hat seinen Ruf weiter verschlechtert. Deswegen dürfte er alles tun, um den finalen Machtkampf mit der Hamas, dem Islamischen Jihad und der »jungen Garde« (Khalil Shikaki) in seinen eigenen Organisationen zu vermeiden. Ein solcher Konflikt würde den Verdacht der Kollaboration nur verstärken, und der Ausgang wäre offen.

Doch Israel will Arafat zur Austragung dieses Konfliktes zwingen. So war am Ende der vergangenen Woche aus israelischen Regierungskreisen zu hören, dass Arafat nicht genug unternehme. Die von der PA Verhafteten seien »kleine Fische« und würden nach ein paar Tagen vermutlich wieder auf freien Fuß gesetzt. Der von Israel geforderten Verhaftung von 36 hohen Funktionären sei nicht oder nur zu einem ganz geringen Teil nachgekommen worden. Zur Aufrechterhaltung des Drucks flog die IDF weitere Raketenangriffe auf Einrichtungen der PA.

So bröckelt die politische wie die militärische Macht Arafats immer mehr. Die verzweifelten Appelle an Israel und die USA, ihm mehr Zeit zur Erfüllung der israelischen Forderungen zu geben und dafür die israelischen Militäraktivitäten zu unterbrechen, dürften daran wenig ändern.

Die islamistische Hamas hingegen kann in Ruhe abwarten. Mit jedem Bombenanschlag trifft sie unter den neuen Umständen auch Arafat. So wird sie auch ohne die Risiken eines blutigen Bürgerkrieges in der palästinensischen Bevölkerung immer populärer.

In Israels Regierung besteht allerdings Uneinigkeit darüber, wie weit die Aktionen gegen Arafat und die PA gehen sollen. Zunächst hatte es Anfang vergangener Woche danach ausgesehen, als ob die Arbeitspartei den Beschlüssen des Sicherheitskabinetts nicht zustimmen und die Regierung verlassen würde. Doch da derzeit 71 Prozent der Israelis ein deutliches militärisches Vorgehen gegen die PA befürworten, wäre das nicht sonderlich geschickt.

Fraglich ist allerdings, wie es weitergeht, wenn Arafat die israelischen Forderungen weiterhin nur halbherzig erfüllt. Der rechte Flügel der Regierung würde lieber heute als morgen die PA zerschlagen, Arafat ins Exil schicken und in Zukunft mit lokalen Warlords verhandeln. Arafat zu stürzen oder gar zu töten, wäre jedoch ein »riesiger Fehler«, so Thomas Friedman in der New York Times. Diesen Job solle man lieber den Palästinensern selbst überlassen.

Derweil wächst nicht nur in den USA, sondern auch in arabischen Ländern wie Jordanien und Ägypten die Sorge, dass Arafats Tage gezählt sein könnten. Offenbar wird dort die Gefahr, dass er von Israel entmachtet wird, mehr gefürchtet als ein palästinensischer Bürgerkrieg. So besuchte der ägyptische Außenminister Achmed Maher in der vergangenen Woche überraschend Israel und die Palästinensergebiete. Und auch der US-Unterhändler Zinni, der UN-Botschafter Terje Larsen und der EU-Gesandte Miguel Moratinos waren unterwegs, um Arafat klar zu machen, wie ernst es der israelischen Regierung ist.

Ob diese sich von der internationalen Diplomatenschar noch lange davon abhalten lässt, den Druck auf die PA weiter zu erhöhen und auf die eine oder andere Weise das palästinensische Machtgefüge dramatisch zu verändern, ist momentan noch nicht entschieden. Die Tatsache, dass es am Wochenende zwei neue Attentatsversuche mit Bomben gab, bei denen nur zufällig kein Israeli ums Leben kam, sowie weiteren Mörserbeschuss auf israelische Siedlungen, dürfte die israelische Geduld weiter strapaziert haben.

12. Dezember 2001 / jungle-world.com

haGalil onLine 16-12-2001

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