Kein legitimer Terror
Leitartikel
Haaretz, 31.10.2002
Übersetzung Daniela Marcus
Der Mord, den ein Fatah-Aktivist in der
Siedlung Hermesh an Orna Eshel und an den 14jährigen Mädchen Linoi
Saroussi und Hadas Turgeman begangen hat, folgte dem blutigen
Angriff an einer Tankstelle in der Siedlung Ariel, bei dem drei
Menschen getötet worden waren, und einer Reihe von Anschlägen auf
israelische Bürger, die auf den Straßen der Westbank unterwegs
gewesen waren. Diese Angriffe weisen darauf hin, dass
palästinensische Terroristen die Einstellung haben, Israelis, die
außerhalb der Grünen Linie leben oder zufällig dort sind, sind
legitime Ziele.
Diese Einstellung wurde auch vom neuen
palästinensischen Innenminister Hani al-Hassan gezeigt, als dieser
sagte (Haaretz, 29. Oktober): "Die Siedler können nicht als Bürger
betrachtet werden", denn "sie sind nicht am richtigen Ort, sie sind
bewaffnet, die Armee benutzt sie und sie töten Palästinenser." Eine
derartige Betrachtung der Siedler steht in einer Reihe mit anderen
Äußerungen von Führern der radikalsten Organisationen. Diese sagen,
ganz Israel ist "eine militärische Gesellschaft", in der es keinen
Unterschied zwischen Bürgern und Soldaten gibt. Die gesamte
israelische Öffentlichkeit ist laut dieser Meinung "eine
militärische Öffentlichkeit" und deshalb ein legitimes Ziel.
Hani al-Hassan, der die Reform im am Dienstag neu
gewählten Kabinett der Palästinensischen Autonomiebehörde
repräsentieren soll, legitimiert hiermit Gewalttaten gegen
unschuldige Menschen – im wesentlichen Terrorakte. Al-Hassans
Äußerung ist deshalb besonders besorgniserregend, weil ihm als
Innenminister auch die palästinensischen Sicherheitskräfte
unterstellt sind. Al-Hassans Äußerungen weisen allem Anschein nach
auch auf einen Mangel an Verständnis für die Debatte zwischen der
israelischen Rechten und Linken über den Status der Siedlungen hin.
Weder die Abneigung in der politischen Linken und Mitte gegenüber
der Existenz der Westbank-Siedlungen, noch der Wortstreit zwischen
dem Verteidigungs- und dem Premierminister über die Höhe des
Siedlungsbudgets, nicht einmal die gewalttätige Auseinandersetzung
zwischen Siedlern und israelischen Sicherheitskräften in der
Siedlung Havat Gilad lassen auf irgendeine Art Verständnis –und noch
weniger Zustimmung- schließen, dass Israelis, die in den Territorien
leben, legitime Ziele sind.
Keine israelische Regierung, egal, welche
politische Ansicht sie vertritt, kann befürworten, dass ihre Bürger
Terroranschlägen ausgesetzt sind. Die Entscheidung über den Status
der Siedlungen, und folglich über den Status ihrer Lokalitäten, muss
Bestandteil politischer Verhandlungen zwischen autorisierten
Parteien beider Seiten sein und darf nicht der Interpretation der
Terroristen überlassen werden, die denken, ihre Anschläge werden
über die politische Tagesordnung entscheiden.
Die Vertreter der PA müssen diese Haltung in
Betracht ziehen. So lange wie palästinensische Organisationen
versuchen, zwischen israelischen Gruppen bezüglich geographischer
oder politischer Hinsicht zu unterscheiden, und Terror als Mittel
gegen einige dieser Gruppen benutzen, während sie mit den anderen
verhandeln, so lange werden sie sich selbst einer vollkommenen
israelischen Solidarität gegenüber sehen, die diese Einstellung von
Grund auf ablehnt. Die große Mehrheit der israelischen
Öffentlichkeit wird politische Schritte unterstützen, die darauf
hinauslaufen, den Disput friedlich zu schlichten. Doch gegen Terror
wird sie sich erheben, wo immer er auch stattfindet.
hagalil.com
31-10-02 |