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TV-Hinweis
Das Rote Quadrat:
Drei Kugeln und ein totes Kind
HR | Länge: 45 Minuten
Film von Esther Schapira
Montag, 18.03.2002
21.45 Uhr, ARD
Wer erschoss
Mohammed
al-Dura? |
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Die Gier nach dem schnellen Bild, die Sucht nach der
Sensation, der Journalist als Händler des Elends, Nachrichten im
Stundentakt. Die Medien setzen auf Schnellverdaulichkeit als Prinzip.
Auf der Strecke bleiben die Menschen hinter den Schlagzeilen.
Was gestern war, ist "durch". Auch die drei neuen Folgen
der mit dem Grimme-Preis 2001 ausgezeichneten ARD-Dokumentarreihe "Das
rote Quadrat" setzen einen Bremskeil in diese Bilderflut: Filmbilder
werden angehalten, der flüchtige Moment eines Ereignisses eingefroren.
Dieses neue Bild ist die Geschichte, die Geschichte hinter dem Bild, das
wir alle scheinbar kennen, von dem wir aber so gut wie nichts wissen.
Die Geschichte des Todes von Mohammed al-Dura in Gaza zum
Beispiel. Das Bild ging um die Welt: ein kleiner Junge in den Armen
seines Vaters mitten in einem Kugelhagel, hinter einer Tonne Schutz
suchend - vergeblich: der Zwölfjährige stirbt vor laufender Kamera.
Vater und Sohn waren in einen Schusswechsel zwischen Palästinensern und
israelischen Soldaten geraten. Sein Tod macht den Jungen zum Märtyrer.
Die Filmszene wird zur dramatischen Anklage gegen Israel.
Der Film untersucht die spektakulären Bilder und stellt
in Frage, was zunächst völlig eindeutig scheint. Waren es wirklich
israelische Soldaten, die die tödlichen Kugeln abfeuerten? War es ein
Unfall? War es Mord? Wer erschoss Mohammed Al-Dura? Minutiös
rekonstruiert die ARD-Autorin Esther Schapira die Tragödie, geht allen
Spuren nach, befragt sämtliche Beteiligte und kommt zu
aufsehenerregenden Ergebnissen.
Schauplatz des Dramas war die Netzarim Kreuzung in Gaza
am 30.September 2000, dem zweiten Tag der Al-Aksa Intifada. Viele 100
palästinensische Demonstranten hatten sich an der Kreuzung eingefunden,
griffen den dortigen israelischen Militärstützpunkt an. Steine und
Brandsätzen, Gummigeschosse und Tränengas. Und plötzlich Schüsse.
Fluchtartig verlassen die meisten Demonstranten die Kreuzung, suchen
Deckung. "Es regnete Kugeln", erinnert sich der palästinensische
Kameramann Talal Abu Rahme. Er kauerte hinter einem Kleinbus und filmt
in den nächsten 45 Minuten das Drama ihm gegenüber auf der anderen
Straßenseite. Dort suchten Mohammed und sein Vater Jamal Al-Dura hinter
einem Betonfass Schutz vor dem Kugelhagel. Verzweifelt ruft der Vater um
Hilfe, wird selbst schwer verletzt. Drei Kugeln treffen Mohammed. Das
Kind stirbt.
"Das Rote Quadrat" stellt eine ganze Reihe von Fragen,
die bislang nie gestellt wurden. Wer schoss wirklich? Nur israelische
Soldaten oder auch palästinensische Heckenschützen? War es ein Unfall?
Warum waren Mohammed und sein Vater an diesem Tag zu dieser Uhrzeit an
dieser lebensgefährlichen Stelle? Tödlicher Zufall? "Das Rote Quadrat"
hat mit allen Zeugen gesprochen: dem Vater, dem Kameramann, den
Soldaten, Augenzeugen. Ein Film über den Umgang mit der Wahrheit, über
die Rolle der Medien, über die tödliche Logik der Besatzungspolitik und
über den Propagandaeinsatz von Kindern, der den Tod mit einkalkuliert.
Ein Film, der provoziert und beim Zuschauer eigene Bilder in Frage
stellt.
haGalil onLine 17-03-2002 |