
Machmud Abbas:
Nominierter Premier der Palästinenser und
Terror-Kritiker
Von Thorsten Schmitz
Machmud Abbas haftet der Ruf eines
geheimnisumwobenen Stellvertreters an. Im Gegensatz zu seinem laut
tönenden Chef Jassir Arafat, der immer mal wieder den Märtyrertod
preist und Israels Armee vorwirft, sie werfe von Kampfflugzeugen aus
vergiftete Bonbons auf den Gaza-Streifen, agiert Abbas im Stillen –
und effektiv. Der besser unter dem Spitznamen Abu Masen bekannte,
stets elegant gekleidete PLO-Generalsekretär hat maßgeblich am
Osloer Friedensvertrag mitgefeilt und hält trotz Intifada ständig
Kontakt zur israelischen Regierung und zum israelischen
Friedenslager. Sein Pragmatismus wird von den USA, Israel und
westlichen EU-Staaten geschätzt. Sie sehen in ihm einen
vertrauenswürdigen und geistreichen Palästinenserpolitiker, der die
Autonomiebehörde reformieren könnte.
Dem palästinensischen Volk indes ist der
Mann eher suspekt, da er über keine heroische militärische
Vergangenheit verfügt wie Arafat, der sich in Kampfuniform kleidet.
Obwohl der Palästinenser-Chef bislang keinen Nachfolger im Visier
hatte und mögliche Kandidaten durch Intrigen ausstechen ließ, soll
nun Abbas das noch zu schaffende Amt des Ministerpräsidenten
übernehmen.
Arafat tut dies nicht freiwillig,
sondern unter internationalem Druck. Er soll nach dem Willen des
Nahost-Quartetts sein autokratisch geführtes Regime transparenter
gestalten und noch vor allgemeinen Wahlen einen Ministerpräsidenten
zulassen, während Arafat selbst nurmehr symbolische Funktionen als
Präsident übernehmen soll. Abbas hat zwar Zustimmung signalisiert,
will aber nur dann das Amt antreten, wenn Arafat ihm weitgehende
Autonomie zugesteht. Der Mann erinnert sich noch gut, dass ihn der
Palästinenserpräsident vor wenigen Monaten aller Aufgaben entbinden
ließ, weil er sich mit Israels Premier Ariel Scharon getroffen
hatte. Abbas will nicht als Marionette Arafats im Sumpf der
Autonomiebehörde untergehen.
Der Einfluss von Abbas auf die
palästinensischen Terrororganisationen ist gering: Er scheiterte bei
dem Versuch, in Gesprächen in Kairo Hamas, Islamischen Dschihad und
die Fatah-Miliz "Al-Aksa-Brigaden" zu einem Ende der Anschläge zu
bewegen. Unbeirrt von derartigen Fehlschlägen sorgte der seit 1996
amtierende PLO-Generalsekretär vor kurzem auf einer Kundgebung von
Fatah- Funktionären im Gaza-Streifen, der Hochburg der Hamas, für
Aufsehen. Klar kritisierte er dort die Intifada als Eigentor: "Genug
ist genug. Wir wollen Frieden!" Mutig rief er zum sofortigen Stopp
des Terrors und zum Dialog auf.
Abbas hat zwar die Fatah mitgegründet,
wirft der größten politischen Gruppe innerhalb der PLO jedoch vor,
durch die Militarisierung die Palästinenser „in die Irre“ geleitet
zu haben. Die Gewalt, sagt der promovierte Jurist, habe „all das
zerstört, was wir in den letzten Jahren erreicht hatten“. Abbas
wurde 1935 in Safed in Galiläa geboren, floh nach Israels
Staatsgründung 1948 nach Syrien und kehrte erst Mitte der achtziger
Jahre nach Aufenthalten in Katar, Tunesien, Libanon, Moskau und den
Vereinigten Arabischen Emiraten ins Westjordanland zurück.

hagalil.com
08-03-03 |