Nach dem Beschuss von Shlomi:
Die Hisbollah folgt ihrem eigenen Takt
Analyse von Amos Harel, Ha'aretz, 11.08.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Der Beschuss der galiläischen Stadt Shlomi mit
Flugabwehrgeschossen, den die Hisbollah am Sonntag ausübte und der
das schlimmste Ereignis an der nördlichen Grenze seit über einem
Jahr war, war nicht auf israelische Militärflugzeuge gerichtet. Am
Sonntag waren die Flugzeuge der Israelischen Verteidigungsarmee vor
diesem Beschuss der Hisbollah nicht in den libanesischen Luftraum
eingedrungen.
Der Vorfall, bei dem ein israelischer Teenager
getötet worden war, kann jedoch nicht auf eine Änderung im Verhalten
der Hisbollah zurückgeführt werden. Offiziere der israelischen
Verteidigungsarmee sagen, dass die Shiiten-Organisation schon seit
einiger Zeit keinen Wert mehr auf die Frage legt, ob die israelische
Luftwaffe in libanesischen Luftraum eindringt oder nicht.
Stattdessen, sagen die Offiziere, werden diese
Angriffe ausgeführt, wann immer die Hisbollah denkt, dass sie ihr
nützen. Ob die israelische Luftwaffe über sie hinweg fliegt oder
nicht, ist nicht die wesentliche Frage.
Israel fährt für seinen Teil mit den
Aufklärungsflügen in großer Höhe fort, um Aufnahmen vom
libanesischen Himmel zu machen. Diese Flüge waren auf Befehl des
früheren Ministerpräsidenten Ehud Barak vorübergehend beendet
worden, nachdem sich die israelische Verteidigungsarmee im Mai 2000
aus dem Libanon zurückgezogen hatte. Doch fünf Monate später wurden
diese Flüge wieder aufgenommen, nachdem israelische Soldaten am Har
Dov entführt worden waren.
Der Hauptgrund für diese Spähflüge ist nicht das
Sammeln von Geheimdienstinformationen über Einsätze der Hisbollah,
sondern eher die Beobachtung Syriens. In der Vergangenheit wurden
Beschränkungen dieser Routineflüge in Erwägung gezogen, doch die
Armee entschied, sie nicht vollständig zu beenden.
Die Explosion, die die gegenwärtige Runde des
Blutvergießens an der nördlichen Grenze anfachte, geschah vor über
einer Woche in Beirut. Ein Wagen detonierte, wobei ein Fahrer der
iranischen Botschaft getötet wurde. (Das Opfer war tatsächlich ein
Hisbollah-Partisan, der als Verbindungsmann zwischen der
libanesischen Shiiten-Organisation und Teheran operierte.)
Gemäß den Regeln, die nach dem Rückzug der
israelischen Verteidigungsarmee aus dem Libanon eingeführt wurden,
konnte die Hisbollah infolge von etwas, das sie als ein von Israel
ausgeführtes Attentat betrachtete, nicht passiv bleiben.
Das Versagen der Hisbollah, auf den Zug
aufzuspringen, der die Freilassung palästinensischer Gefangener
durch Israel repräsentiert (und dadurch die Freilassung
libanesischer Gefangener aus israelischen Gefängnissen zu sichern),
zwang die Shiiten-Organisation zu dem Versuch, wieder einen
öffentlichen Erfolg zu erzielen.
Zunächst bemühte man sich, palästinensische
Terrorgruppen zu entsenden, die im Osten und Westen der nördlichen
Grenze Anschläge ausführen sollten. Als diese Bemühungen
scheiterten, wurde die alte Option des Beschusses der Har-Dov-Region
und das Abfeuern von Luftabwehrgeschossen wieder aufgenommen.
Trotz der Provokation an der nördlichen Grenze am
vergangenen Wochenende bleibt abzuwarten, ob die Hisbollah zu diesem
Zeitpunkt wirklich eine gewaltsame Eskalation will.
Während der derzeitigen Sommerferien boomt der
Tourismus im Libanon. Das Handeln der Hisbollah ist schädlich für
die Interessen der libanesischen Öffentlichkeit. Und die
Organisation hütet sich auch davor, eine harte Antwort der
Amerikaner herauszufordern. Aus diesen und anderen Gründen ist es
wahrscheinlich, dass die Shiiten-Organisation die Gewalt an der
nördlichen Grenze nicht über ein kontrolliertes Maß hinaus wachsen
lässt.
Die Spannungen im Norden sind gemeinsam mit
erneuten Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas in der
Westbank gewachsen. Eine Schießerei in Nablus, die Ende letzter
Woche stattfand, brachte die erste wirkliche Bedrohung für die
Zukunft der Hudna hervor.
Am Sonntagabend jedoch sah es so aus, als
bestünden noch Chancen, die höchsten Flammen zu ersticken, wobei es
unmöglich erscheint, das Feuer völlig zu löschen.
hagalil.com
11-08-2003 |