Regierungsrücktritt im Libanon:
Revolution in der arabischen Welt
Von Ulrich W. Sahm
Der unerwartete Rücktritt der pro-syrischen
Regierung im Libanon ist ein weiterer Domino-Stein einer Revolution
in der arabischen Welt. Zehntausende Menschen strömten ins Zentrum
von Beirut, obgleich die Armee den Befehl erhalten hatte, das zu
verhindern. Aber die Soldaten spielten mit und schossen nicht.
Erinnerungen kommen auf an die Ukraine, aber warum nicht auch an die
DDR. Doch der Blick sollte umfassender in die arabischen Welt
gerichtet sein.
Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es einen
Demokratisierungsprozess in der arabischen Welt, den die Amerikaner
ganz wesentlich angestoßen haben. Afghanistan ist nicht arabisch,
aber es war eine islamistische Diktatur. Im Irak gelangen
demokratische Wahlen, allem Terror zu Trotz. Die hohe
Wahlbeteiligung spricht für sich und für den Willen der irakischen
Bevölkerung, endlich in einem Land ohne Diktatur zu leben. Auch in
Ägypten gab es eine Überraschung. Präsident Mubarak musste einer
demokratischen Abstimmung über eine weitere Verlängerung seiner
Kadenz zustimmen.
Denn ein Wahlergebnisse mit 99,9 Prozent
Zustimmung für den einzigen Kandidaten sind auch in der arabischen
Welt nicht mehr akzeptabel, unter Anderem, weil die Palästinenser
inzwischen ihre Fähigkeit zu Demokratie unter Beweis gestellt haben.
Bei all diesen Wahlen mag nicht alles mit rechten Dingen zugegangen
sein. So beklagen sich Christen in Dörfern bei Mossul, keine
Wahlurnen gesehen zu haben. Bei den Palästinensern trat die
Wahlkommission zurück, weil es fragwürdige Dinge gab, die eine
Tausendschaft internationaler Wahlbeobachter wegen politischer
Korrektheit nicht bemerkt haben will.
Die Vorgänge im Libanon haben eine neue Qualität,
denn eine derartige Volksrevolution hat es in der arabischen Welt
noch nicht gegeben. Das kann leicht auf andere diktatorische Regime
abfärben, in Syrien oder Saudi Arabien.
Ob die Revolution im mondänen, modernen und
durchaus westlich ausgerichteten Libanon gelingt, muss abgewartet
werden. Die Befürchtung eines erneuten Bürgerkriegs wirkt nicht
realistisch und eine gewalttätige Reaktion darf wohl ausgeschlossen
werden. Denn allein die Syrer hätten ein Interesse, diese
Volksbewegung gewaltsam zu zerschlagen. Syrien steht im Verdacht,
den politischen Mord an Rafik Hariri verrübt zu haben, um die
syrische Hegemonie im Libanon zu bewahren.
Sollte der syrische Geheimdienst tatsächlich
diesen Mord verübt haben, um einen Abzug der syrischen Truppen zu
verhindern, so beweisen die neuesten Entwicklungen, dass das ein
Schuss ins eigene Bein war. Auch der Anschlag in Tel Aviv, angeblich
von den Syrern befohlen, erweist sich als ein Schuss ins eigene
Bein, denn die israelische Kampagne gegen Syrien (auch ohne der
Presse Beweise für die Schuld Syriens zu präsentieren) gesellt sich
zu dem Druck der Amerikaner, der Franzosen und des UNO
Sicherheitsrats, die verbliebenen 14.000 syrischen Besatzungstruppen
nach zwanzig Jahren abzuziehen.
Sollte Damaskus nachgeben, würde das in Syrien
eine Schwäche der Regierung bedeuten und die Bevölkerung vielleicht
animieren, das verknöcherte Baath-Regime der Familie Assad zu
stürzen.
Sollte Syrien aber darauf bestehen, weiterhin den
Libanon zu kontrollieren, würde das eine gefährliche Konfrontation
mit der mutig gewordenen Bevölkerung im Libanon bedeuten. Israel
könnte seine Drohung wahrmachen, Damaskus anzugreifen wegen der
aktiven Unterstützung der Dschihad Islami Terroristen. Vor Allem
aber würde Syrien die Amerikaner vor den Kopf stoßen. Denn Syrien
führt letztlich einen blutigen Krieg gegen die Amerikaner, ohne dass
darüber offen gesprochen wird. Es gibt Geheimdienstinformationen,
wonach die von den Amerikanern in Irak vermuteten
Massenvernichtungswaffen nach Syrien gebracht und versteckt worden
seien.
Syrien beherbergt nicht erst seit Gestern die von
den Amerikanern gesuchten Kumpanen des Saddam Hussein. In Bagdad
wird behauptet, dass der Halbbruder Saddam Husseins, Sabawi Ibrahim
al-Hasan al-Tikriti, von den Syrern ausgeliefert worden sei, um
amerikanischen Druck abzuwenden. Noch entscheidender ist die Rolle
Syriens beim innerirakischen Terror. Seit drei Jahren gibt es immer
wieder Berichte, wonach die meisten "Aufständischen" im Irak
"Ausländer" seien. Gleichgültig ob der jordanische Staatsbürger
Sarkawi oder andere gemeint sind, so wird seit drei Jahren immer
wieder berichtet, dass Syrien das einzige Land mit gemeinsamer
Grenze zum Irak sei, durch das arabische "Freiwillige" geschleust
würden, die sich in Bagdad in die Luft sprengen.
Die Entwicklungen im Libanon sind deshalb keine
lokale Angelegenheit, sondern entsprechen einem Prozess, der jetzt
schon umfassender ist, als wahrgenommen. Falls Libanon sich seiner
Unterdrücker entledigen kann, wird das auch die Menschen in Syrien,
Saudi Arabien und vielleicht sogar im Jemen und Sudan ermutigen,
sich ihrer diktatorischen Regime zu entledigen.
hagalil.com
01-03-2005 |