Anlässlich des gegenwärtigen Besuch des jordanischen Königs Abdallah in
Deutschland erschienen in verschiedenen jordanischen Zeitungen Artikel über die
deutsch-arabischen Beziehungen. Die halb offizielle und einflussreiche
Tageszeitung al-Dustour veröffentlichte verschiedene Artikel, in denen auf die
Rolle Deutschlands im Nahen Osten eingegangen wird. Der renommierte Journalist
Arafat Hijazi kommentiert die deutschen Reparationszahlungen an Israel und
leitet daraus eine besondere Verpflichtung Deutschlands gegenüber den
Palästinensern ab. Hijazi gilt als Experte für Fragen der Außenpolitik und
besetzte zahlreiche hochrangige Funktionen in verschiedenen jordanischen
Institutionen. Der verstorbene König Hussein ernannte ihn zum verantwortlichen
Redakteur für Royal Affairs und zum politischen Kommentator des Radiosenders
Jordan Radio.
Der Artikel erschien am 21. Oktober 2002:
"Wenn wir heute vom deutschen Schuldkomplex und von der Lieferung der weltbesten
U-Boote an Israel hören, dann fühlen wir uns fünfzig Jahre zurückversetzt.
Damals hörten wir das erste Mal vom deutschen Schuldkomplex und der Zahlung von
Reparationen an Israel. Diese Reparationen ermöglichten es Israel, seine Armee,
seine Siedlungen und den größten Teil seiner Infrastruktur zu errichten. Mit
diesen Geldern war Israel in der Lage, das palästinensische Land zu rauben und
das palästinensische Volk zu vertreiben, ohne dass Deutschland einen ähnlichen
Schuldkomplex angesichts der Verbrechen, die am palästinensischen Volk begangen
wurden, verspürte.
Das Nazitrauma und das Irak-Trauma
Der erste deutsche Schuldkomplex entstand, weil man der größten Lüge der
Geschichte Glauben schenkte: der Behauptung der zionistischen Bewegung, die
Nazi-Öfen hätten sechs Millionen Juden verbrannt. Für Deutschland gab es daher
keine andere Möglichkeit, als seine Entschuldigung und sein Bedauern zum
Ausdruck zu bringen und den Juden beim Aufbau ihres Staates und dem Raub der
palästinensischen Heimat mit deutschen Geldern zu helfen.
Provokante Daten?
Der neue Schuldkomplex ist auf die neue Lüge zurückzuführen, die von der
zionistischen Bewegung erfunden wurde, um mit der Erpressung der Deutschen
fortzufahren. Die Deutschen, die einen Schuldkomplex empfinden, helfen dem
Verbrecher, über sein Opfer zu richten. Die neue Lüge besagt, deutsche Firmen
hätten – so die zionistischen Behauptungen – dem Irak bei der Entwicklung von
chemischen Waffen geholfen. Als Israel während des zweiten Golfkrieges der
Bombardierung mit Scud-Raketen ausgesetzt war – so lautet eine andere
zionistische Behauptung – hätte der Irak diese Waffen zur kollektiven
Vernichtung der Juden eingesetzt.
Diese Vorgänge bewegten den Schuldkomplex in den sanften deutschen Herzen.
Dieses Mal beschlossen sie eine Entschädigung Israels mit drei atomaren U-Booten
im Wert von 1,2 Mrd. US$. Als Ausdruck des Bedauerns über die irakische
Bombardierung israelischer Städte vor zehn Jahren waren diese Reparationen
völlig kostenlos. Die U-Boote waren die besten und am höchsten entwickelten in
der Welt.
[…]
Was ist das für ein Schuldkomplex?
Die Frage, die sich stellt, ist, was ist das für ein Schuldkomplex, den der
Deutsche empfindet, wenn er den Kriegsverbrechern die modernsten und
vernichtensten Waffen liefert? Den Kriegsverbrechern, die in den letzten zwei
Jahren nicht davor zurückschreckten, tausende Söhne des wehrlosen
palästinensischen Volkes zu morden, ihre Häuser, Moscheen und Kirchen,
Geschäfte, Höfe und sämtliche Erwerbsquellen zu zerstören?
Wie kann man dieses Verhalten der Deutschen erklären, die Israel solch wertvolle
Waffen kostenlos liefern, damit es mit seinem Massaker am palästinensischen Volk
fortfährt, ohne dass die Deutschen einen neuen Schuldkomplex bekämen? Wie können
der Mord und die Zerstörung Palästinas und der Palästinenser mit hoch
entwickelten deutschen Waffen geschehen, wo doch die ganze Welt weiß, dass dies
mit der Zerstörung Palästinas und der Palästinenser enden wird?
Die nahe liegende Interpretation dieses widerlichen deutschen Verhaltens, das
die Verbrechen der Israelis nicht mindert, ist, dass die Deutschen einen Krieg
gegen die Menschlichkeit, gegen die Araber und Muslime führen, so als seien sie
Komplizen der Juden.
Wo sind die Araber?
Ich frage mich selbst, ob ich [allein] Deutschland verurteilen soll, das Land,
das die arabische Nation seit der Entstehung Israels bis heute anfeindet und dem
verbrecherischen Staat finanzielle und militärische Unterstützung gewährte.
Einem Staat, dessen Verbrechen alles übersteigen, was die Welt in den
Jahrhunderten zu Gesicht bekam. Oder ob ich den Vorwurf und die Schelte an die
arabischen Staaten richten soll, die keine Anstalten machten, den feindseligen
deutschen Standpunkt zu verurteilen und es schließlich unterließen, die
Lieferung der U-Boote an Israel zu verhindern.
Die wichtigste Frage aber bleibt, woher kommt diese Verachtung für die arabische
Nation, wenn Deutschland von seinem Schuldkomplex geschüttelt wird? Warum merkt
Deutschland nicht, dass es auch an den Arabern und den Palästinensern
feindselige Handlungen begeht? Warum denkt Deutschland nicht daran, die
israelische Positionen zu kritisieren und sich für das zu entschuldigen, was von
Deutschland an den verbrecherischen Schlächter, der das heilige Land raubte,
geliefert wurde?
Bedeutet diese deutsche Haltung, die Deutschland nicht zum ersten Mal einnimmt,
dass es sich vor der zionistischen Bewegung fürchtet und sich darum müht, diese
selbst auf Kosten anderer zufrieden zu stellen? Oder verachtet Deutschland die
Araber und denkt, die Araber würden kein Mitleid verdienen, selbst dann nicht,
wenn es um die Versorgung eines Kindes geht, welches von israelischen Raketen
zerrissen wurde – Raketen, die am Ende des Tages deutsche Raketen sind?
Forderungen an Deutschland
Das, was Deutschland tut und was es den Juden und Israel zur Verfügung stellt,
ist Teil des Krieges der hasserfüllten Länder gegen das palästinensische Volk.
Sollte Deutschland in seinem Gewissen ein Körnchen Respekt für die arabischen
und islamischen Völker bewahrt haben, würde es der zionistischen Erpressung, die
bei keinem Araber oder Muslim Gefallen finden kann, nicht zustimmen.
Sollten die Araber Deutschland mit einem ökonomischen oder militärischen Boykott
disziplinieren, dann tut Deutschland gut daran, sich nicht mit vorgetäuschten
Worten zu entschuldigen. Deutschland weiß aus eigener Erfahrung, dass sein
Schuldkomplex einen hohen Preis hat. Der Schuldkomplex aber, den Deutschland
angesichts der Verbrechen am palästinensischen Volk verspüren muss, wird nicht
allein durch ähnliche Entschädigungen zu begleichen sein, die Deutschland dem
barbarischen Verbrecher zahlte. Nachdem Israel die Palästinenser mit
vernichtenden deutschen Waffen mordete, werden diese Entschädigungen alles
übersteigen, was Deutschland bisher an Israel zahlte."
Die jordanische Tageszeitung al-Dustour veröffentlichte in ihrer gestrigen
Ausgabe einen weiteren Beitrag, der sich mit den deutsch-arabischen Beziehungen
beschäftigt. Anlässlich des Besuches von König Abdallah in Berlin geht George
Haddad, ein Kolumnist der Zeitung, auf die Stimmungen in der deutschen
Öffentlichkeit bezüglich eines Angriffes auf den Irak ein. Anders als Arafat
Hijazi hebt Haddad den Widerstand hervor, der in der deutschen Öffentlichkeit
gegenüber der amerikanischen Politik zum Ausdruck kommt. Trotz der
gegensätzlichen Bewertung der deutschen Politik gegenüber den arabischen Staaten
kommen beiden Autoren zu dem Schluß, Deutschland stehe bis heute unter dem Druck
jüdischer und zionistischer Gruppierungen und werde in seiner Außenpolitik
eingeschränkt.
Der Artikel erschien am 22. Oktober 2002:
"In seiner Rede vor dem Führungsgremium der SPD ging es dem deutschen
Bundeskanzler Schröder darum, seine Ablehnung eines Angriffes auf den Irak zu
bekräftigen. Er erklärte, ‚unsere Position bezüglich des Iraks hat sich nicht
geändert und wird sich nicht ändern.’
Während des Wahlkampfes hatte Bundeskanzler Schröder in aller Deutlichkeit
erklärt, ‚Berlin werde sich nicht an einem Schlag gegen den Irak beteiligen,
selbst für den Fall, dass der Sicherheitsrat zustimmt.’
In ihren Reaktionen auf die Bestimmtheit dieser Haltung blieb den amerikanischen
Offiziellen nichts anderes übrig, als diese Position zu schelten und die
amerikanisch-deutschen Beziehungen als ‚vergiftet’ zu bezeichnen. Dies
insbesondere, nachdem die zurückgetretene deutsche Justizministerin Präsident
Bush mit dem Nazi-Führer Adolf Hitler verglich.
Weil der Angriff auf den Irak, dessen Durchsuchung und Zerstörung, seit allen
Ewigkeiten im Zentrum der internationalen jüdischen Pläne steht, war es nur
natürlich, dass die zionistischen Größen sich beeilten, die deutsche Ablehnung
eines Angriffes zum Anlass zu nehmen, um die Amerikaner gegen die Deutschen
aufzubringen. Die Deutschen hätten die Konfrontation gewählt, anstatt
Zurückhaltung zum Ausdruck zu bringen, wie es die anderen Staaten der Koalition
mit den USA getan hätten.
Hier kommen die bekannten Großen ins Spiel, Henry Kissinger, Madeleine Albright,
Dennis Ross, Martin Indyk, Paul Wolfowitz, Richard Perle, Elliot Cohen und viele
andere, die im Bereich der Medien und der Forschung verwurzelt sind.
Was uns hier zunächst interessiert ist ein hetzerischer Artikel, den die
jüdische Größe Henry Kissinger zu diesem Thema verfasste. Kissinger erkennt an,
dass ‚die anti-amerikanische Kampagne, die sich an das Wahlvolk richtete,
genügte, um die erwartete Niederlage Schröders in einen Sieg zu verwandeln.’ Er
geht sogar noch weiter, wenn er prophezeit, ‚eine Form des Antiamerikanismus
könne eventuell zu einem bleibenden Charakteristikum der deutschen Politik
werden.’
An dieser Stelle erinnert Kissinger die Deutschen daran, was die Amerikaner
taten, ‚damit Deutschland als wichtiges Mitglied und in Gleichheit und Respekt
in die internationale Gemeinschaft zurückkehren konnte.’ Beispielsweise die
Berliner Luftbrücke, ‚als die Sowjets den Landweg nach Berlin versperrten’, der
Marshall-Plan oder die Mitgliedschaft in der NATO.
Hier versucht Kissinger die Deutschen als widerspenstig darzustellen, als
undankbar für das, was die Amerikaner ihnen an Hilfe erwiesen, als sie der
Unterstützung und des Schutzes bedurften.
Worum es ihm aber tatsächlich geht, ist die Aufstachelung gegen das Land, das
sein Heimatland sein müsste – vorausgesetzt, als Jude glaubt er daran, dass er
ein anderes Heimatland als Israel hat.
Es stimmt, die Amerikaner halfen den Deutschen - genauso wie sie ganz Westeuropa
nach dem Zweiten Weltkrieg halfen. Diese Hilfe aber, für die der Marshall-Plan
steht, kam, wie wir alle wissen, nicht allein um der Hilfe willen. Sie erfolgte,
um es diesen Ländern, die zerstört, arm und erschöpft aus dem Krieg
hervorgingen, zu ermöglichen, wieder auf die Füße zu kommen. Gestärkt, um nicht
vom Sowjetblock und seinen bekannten Parolen fortgespült zu werden.
Mit anderen Worten, die amerikanische Unterstützung für Europa erfolgte mehr zum
Schutze Amerikas als zum Schutze Europas. Daher ist die Darstellung, entgegen
der wirklichen Motive, wie sie der Jude Kissinger liefert, eine offene
Entstellung und Irreführung. Wenn es darum gegangen wäre, Deutschland ‚als
wichtiges Mitglied und in Gleichheit und Respekt in die internationale
Gemeinschaft’ zurückzubringen, dann wäre dies die Sache der Deutschen selbst,
denn sie sind ein freies, verwurzeltes, reges und hartnäckiges Volk. Es litt
Schmerz und brachte Opfer, und verdient Wertschätzung und Respekt.
Kissinger aber reichte diese Gaukelei nicht. Im selben Artikel sehen wir, wie er
die Europäer zusätzlich zu den Amerikanern gegen die Deutschen aufwiegelt. Er
sagt: ‚Der erklärte deutsche Weg ist nicht nur eine Provokation für die USA,
sondern auch für Europa. Es deutet daraufhin, dass die Akzeptanz einer
Führerschaft der französischen Politik in europäischen Angelegenheiten zu einem
Ende gekommen ist.’ Kissinger provoziert hier Gelächter, es ist, als versuche
er, ‚Wasser im Viertel der Wasserträger zu verkaufen’.
Ebenso wie der internationale Zionismus vor etwa zehn Jahren damit scheiterte,
die deutsche Einheit zu stoppen, so ist auch die gegenwärtige Kampagne zum
Scheitern verurteilt.
Hochachtungsvolle Grüße an das großartige deutsche Volk!"
In einem kurzen Kommentar, der am 23. Oktober 2002 in al-Dustour unter der
Rubrik ‚Rai al-Dustour’ – ‚Meinung der Zeitung Dustour’, erschien, finden sich
lediglich allgemeine Anmerkungen zur Entwicklung der deutsch-jordanischen
Beziehungen und den anstehenden Aufgaben in der Zusammenarbeit beider Länder.
Bei der folgenden Passage handelt es sich um einen Auszug aus diesem Kommentar,
der namentlich nicht gekennzeichnet ist:
"Es gibt keinen Zweifel daran,
dass Jordanien, aber auch die arabische Welt im Allgemeinen, Gefühle der
Wertschätzung und des Respekts gegenüber Deutschland bewahrt hat. Deutschland
beteiligte sich an der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung der
Region, verteidigte seine Freundschaft zur arabischen Welt und vertrat eine
positive Haltung in der Palästinafrage. Zudem hatte Deutschland großen Anteil an
der Förderung und Finanzierung des Friedensprozesses. Zu alledem hat Deutschland
– wissend um die Leiden des Krieges und angesichts der bitteren Erinnerungen -
eine starke Haltung gegen einen Krieg gegen den Irak eingenommen."
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH
INSTITUTE (MEMRI)
eMail:
memri@memri.de,
URL:
www.memri.de
© Copyright 2002. Alle Rechte
vorbehalten.