Als ich Familie und Freunden meine Urlaubspläne
vorlegte, erhielt ich Verwunderung und Fürsorge: "Kannst du nicht warten
bis es ruhiger wird? Fahr doch nach Spanien!" Doch ich betrachtete die
Reise freudiger, ich wollte einfach in ein Land in dem ich schon 13
Monate gelebt und reichhaltige Erfahrungen gesammelt hatte: Israel.
Mein Entschluss stand fest, zusammen mit Tom, der mit
mir in Jerusalem den "Andren Dienst im Ausland" geleistet hatte, wollte
ich für zwei Wochen ins Heilige Land reisen.
Natürlich waren wir uns der angespannten Lage bewusst
und kannten die politische Situation, aber wir hatten das Land in einer
friedlicheren und unbelasteteren Zeit kennen gelernt. Der Tag an dem mit
Ariel Sharons Besuch auf dem Tempelberg die Intifada losbrach und die
neue und anhaltende Gewaltwelle ins Rollen kam, lag nach unserer Zeit
des Zivildiensts.
Wir hatten also eher weniger Bedenken und gingen anfangs
eher blödsinnig-scherzhaft mit der Situation um: Vor der Busfahrt von
Eilat nach Jerusalem losten wir aus, wer im Gang sitzen darf - um im
Notfall eines Beschusses, nicht direkt am Fenster sitzen zu müssen.
Diese Lockerheit legte sich schlagartig, als wir in die
Jerusalemer Innenstadt fuhren und an der Pizzeria "Sbarro" vorbeikamen.
Dort hatte ein Bombenattentat vor einem Monat 15 Menschenleben
gefordert, wir hatten damals die schrecklichen Bilder im
Nachrichtenfernsehen verfolgt.
Der Ort des Grauens war mit Blumen, Kerzen und
schwarzweißen Trauerplakaten bestückt und die großen Glasfenster der
Pizzeria, die wir aus unserem Zivijahr immer gut besucht in Erinnerung
hatten, waren mit schweren, kalten, grauen Metallplatten versiegelt.
Es war ein schockierender Anblick, der uns erkennen
ließ, dass die Sicherheit des Landes im Jahr 2001 nicht mit der des
Vorjahres zu vergleichen ist.
Auch unsere israelischen Arbeitskollegen zeigten sich
unseres Besuches wegen sehr überrascht: "Ihr macht Urlaub, hier?? In
Israel???"
Deutlich wurde uns die dramatisch verschlechterte
Situation des Landes auch daran, dass doch sehr oft zu hören war, dass
Freunde das Land verlassen haben. So arbeiten viele israelische
Jugendliche für eine Zeit in Amerika oder Europa oder traveln ausgiebig
durch Südamerika oder Indien.
Jerusalem selber kam uns teilweise wie eine andere Stadt
vor: Keine amerikanischen oder europäischen Touristen mehr in der sonst
so belebten Ben-Yehuda-Strasse.
Trotz der eigentlichen Hauptsaison werden
Touristensouvenirs überall zu Sonderpreisen angeboten, in einem Laden
gibt es sogar auf alle Artikel einen 25%-Discount - für "brave" (mutige)
Touristen!
Auch Israelis sieht man auf den Straßen meist nur die
nötigen Besorgungen tätigen, keiner verweilt länger als unbedingt
notwendig an einem Platz.
Sie versuchen sich einfach bestmöglich mit ihrer
schwierigen Lage zu arrangieren. Viele sagen sie wollten sicht nicht
einschränken lassen, ob man Opfer eines Anschlages werde, sei eh nur
"Glück".
Die Situation ist einfach allgegenwärtig und in jedem
Gespräch kommt man irgendwie auf die Schwierigkeiten des Landes zu
sprechen. Oft hört man dann neutrale Statements: "Ich kann eh nix
machen", "Die Lage ist schlecht für beide Seiten", "Ich will nur
friedlich leben, der Konflikt betrifft mich nicht"...
Es bleibt mir also nur festzustellen, dass sich vieles
geändert hat und dass auch ich - nicht nur beim Busfahren - ein ums
andre Mal einige ängstliche Gedanken hatte. Menschen mit großen
Rucksäcken musterte ich zweimal. Ich bin der Meinung, dass schnellstens
etwas passieren muss, denn in ständiger Angst kann keine der beiden
Seiten ein unbefangenes Leben führen.