hebraeisch.israel-life.de / israel-tourismus.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
 
Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Jüdische Weisheit
Hymne - Israel
Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!
Advertize in haGalil?
Your Ad here!

Jerusalem als Hauptstadt
zweier Staaten

Vor ziemlich genau 3000 Jahren beschloß der israelitische Stammesfürst David, seine Hauptstadt zu verlegen. Seine Beweggründe waren praktischer Natur. Er gehörte zum Stamme Juda, einem der zwölf lokalen Stämme des noch jungen Königreiches Israel. Er wollte demonstrieren, daß er nicht nur im Namen seines eigenen Stammes die Macht ausübt, sondern im Namen aller Stämme. Seine Hauptstadt Hebron gehörte aber zum Gebiet Judas. Darum suchte er einen Ort, der keinem der Stämme gehörte. Modern ausgedrückt: Er wollte eine Bundeshauptstadt, die mit keinem der Bundesländer identifiziert wurde.

Davids Wahl fiel auf die alte Stadt Jeruschalem, auch Schalem (Salem) genannt. Sie war eine der vielen Städte im Land, die nicht von israeiitischen Stämmen erobert worden waren, weil mit deren einfachen Waffen keine befestigten Städte eingenommen werden konnten. Schalem war der lokale Schutzgott, und der Name der Stadt bedeutete "dem Gott Schalem gewidmet" oder "von Gott Schalem gegründet".

Der Wortstamm "Sch-l-m" bedeutet in der kanaanitisch hebräischen Sprache "vollkommen" und damit auch "sicher", "wohl". Das hebräische Wort "Schalom", auf arabisch "Salam", ist davon abgeleitet. Es bedeutet nicht nur "Frieden", sondern auch "Sicherheit" oder "Wohlbefinden". Wenn Israelis beispielsweise fragen "Wie geht es dir?", verwenden sie die Redewendung "Wie ist dein Schalom?" Schalems Pflicht war es also, das Wohlbefinden und die Sicherheit seiner Stadt zu gewährleisten.

Die Stadt Schalem war für David ideal: Jerusalem ist zentral gelegen, von Hügeln umgeben und leicht zu verteidigen. Von allen Seiten muß man zu ihr "emporsteigen", und dieses Wort wird auch heute noch im Hebräischen für eine Fahrt nach Jerusalem benutzt. Das Klima ist das angenehmste im Land: kühl im Sommer, trocken und gemäßigt. Und was für David wohl am wichtigsten war: Die Einwohner waren keine Israeliten, sondern Jebusiter, die zu den Kanaanitern gehörten. Der König, der seine Leibwache aus dem fernen Kreta rekrutierte, fühlte sich bei diesen "fremden" Einwohnern am sichersten. Wie die Bibel im Buch der Richter erzählt, wurden die Jebusiter nie vertrieben oder enteignet. Das Grund stück für den Tempel kaufte David von dem Jebusiter Arauna für 50 Silberschekel.

Menschen, die Hebräisch nicht sonderlich gut sprechen — und das schließt die meisten Israelis mit ein —, übersetzen "Jerushalajim" mit "Stadt des Friedens". Das ist linguistisch jedoch falsch und historisch ebenso, denn kaum eine Stadt auf der Welt hat in ihrer langen Geschichte so wenig Frieden erlebt wie gerade Jerusalem. Die Stadt wurde mehr als 80mal erobert, manchmal gewaltlos wie bei der Einnahme durch die Moslems unter dem humanen Kalifen Omar. In anderen Fällen verlief die Eroberung grausam wie das Massaker der Kreuzritter, die "bis zu den Knien" in moslemischem und jüdischem Blut wateten.

Der Bibel nach war Jerusalem schon eine alte Stadt, als Abraham ins Land kam. Er zahlte dem König von Schalem Tribut. Bereits in den ägyptischen Amarnabriefen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. erbat der König von Jerusalem (Urusalim) vom amtierenden Pharao Hilfe gegen die Habiru — Beduinen, die in das Land Kanaan eingedrungen waren und von denen man heute annimmt, daß sie identisch mit den Hebräern sind.

Zweifellos waren es die Hebräer, die Jerusalem zu dem gemacht haben, was es seitdem ist — ein Zentrum des religiösen Lebens. Was Rom eine Zeitlang für die Politik und Florenz für die Kunst war, war Jerusalem für die Religion. Der religiöse Genius der alten Hebräer, der sich in der herrlich geschriebenen Bibel widerspiegelt, schuf die Basis für eine Schöpfung, der auch das Christentum und der Islam entsprungen sind. Abraham, David und Jesus waren — der Bibel nach — in Jerusalem, und Mohammed stieg von hier zum Himmel auf, weil auch für ihn Jerusalem der Ort war, der Gott am nächsten ist.

Die physische Dimension

Mehr denn je stellt sich heute aber die Frage: Was ist Jerusalem eigentlich? Ist es die Altstadt, der von der schönen türkischen Mauer umgebene Quadratkilometer, in der beinahe alle heiligen Stätten liegen? Ist es die Stadt, wie sie 1948 war, als der Krieg sie in zwei Teile zerriss — die Altstadt mit der arabischen Neustadt im Osten und die jüdische Neustadt im Westen? Ist es das viel größere Gebiet, das von Israel 1967 einseitig annektiert wurde und dessen Grenze so gezogen wurde, daß die arabischen Bevölkerungszentren möglichst ausgeschlossen wurden, und in dem massenhaft jüdische Bauprojekte entstanden? Ist es das riesige Gebiet von "Großjerusalem", das in den Gehirnen der Stadtplaner herumspukt und das von Beit-Shemesh bis Jericho und von Bethlehem bis Ramallah reicht?

Wenn man von der Heiligen Stadt spricht, was ist an dieser häßlichen Konzentration von Wohnkasernen, die weit von den heiligen Stätten entfernt liegen, wie zum Beispiel Pisgat Zeev, heilig? Warum ist hingegen das arabische Dorf Abu Dis, in Sichtweite des Felsendoms, aber außerhalb des annektierten Stadtgebiets gelegen, weniger heilig? Das ist die physische Dimension, die geklärt werden muß, bevor man überhaupt eine sinnvolle Diskussion über Jerusalem führen kann.

Die geistige Dimension

Noch schwieriger ist es, die geistige Dimension festzulegen. Was ist Jerusalem? Eine Stadt? Eine Idee? Das "Jerusalem von oben", also das "himmlische Jerusalem", oder das "Jerusalem von unten", das irdische, wie es in der hebräischen Tradition genannt wird?

Wenn man das Problem Jerusalem wirklich lösen will, muss man die Stadt in ihrer Totalität sehen. In der Theorie kann man die verschiedenen Aspekte der Stadt einzeln behandeln und für jeden eine Lösung finden. Eine Lösung muss jedoch alle Aspekte umfassen.

Die städtische Ebene

Da ist die städtische Ebene — die Stadt, in der Menschen leben und sterben, spielen und lernen, arbeiten und beten, handeln und produzieren, Familien gründen; Menschen, die Wohnungen und Arbeit brauchen, Straßen und Strom, Wasser und Kanalisation. Das ist eine wirkliche Stadt, die verwaltet werden muss.

29 Jahre nach der sogenannten "Wiedervereinigung" gibt es in Jerusalem keine gemischten Viertel. Die Viertel sind streng getrennt, entweder jüdisch oder arabisch; zwischen Juden und Arabern gibt es so gut wie keinen Verkehr. Wer zwischen dem imposanten Notre-Dame-Gebäude und dem Neuen Tor die Straße überquert, weiß, dass er eine unsichtbare Grenze überschreitet, von einer Stadt in eine andere, ja, von einem Land in ein anderes gelangt. Und doch funktioniert die Stadt als eine.

Heutzutage gibt es nur einen Stadtrat — den israelischen. Er wird von den Israelis gewählt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen — vom eigenen Volk als Quislinge angesehen — nehmen die Palästinenser nicht an den Wahlen teil. Zwischen der Qualität der städtischen Dienste auf beiden Seiten besteht eine enorme Diskrepanz. Praktisch ist der Bürgermeister das gewählte Oberhaupt von Westjerusalem und der aufgezwungene Gouverneur von Ostjerusalem. So war es unter Teddy Kollek, dem genialen Propagandisten des Mythos vom vereinten Jerusalem, und so ist es unter seinem skandalösen Nachfolger Ehud Olmert.

Unter welchen Bedingungen wird Jerusalem in Zukunft eine von allen akzeptierte, vereinte Stadtverwaltung haben und der Vielfalt seiner Einwohner gerecht werden? Es gibt viele Lösungsmöglichkeiten. Zum Beispiel: Jedes Viertel wird seinen eigenen gewählten Stadtrat haben wie in vielen Großstädten, und über den einzelnen Stadträten wird eine gemeinsame Gesamtverwaltung stehen, deren Oberbürgermeister einmal ein Israeli und einmal ein Palästinenser sein wird. Der Gesamtstadtrat wird aus den Vertretern der einzelnen Viertel bestehen oder paritätisch direkt gewählt — die eine Hälfte von den israelischen Einwohnern, die andere Hälfte von den palästinensischen, unabhängig von ihrer Anzahl.

Der ästhetische Aspekt

Es gibt einen ästhetischen Aspekt, der nicht übersehen werden darf. Jerusalem ist ein Kleinod der Menschheit, eine der schönsten Städte auf der Welt. Diese Schönheit ist in den letzten Jahren schwer beschädigt worden. Nationalistische Bestrebungen, die das demographische Bild der Stadt schnell ändern wollten, sowie eine für Ästhetik blinde Stadtverwaltung unter Kollek und Olmert haben das Stadtbild verschandelt; und es besteht die Gefahr, dass die Palästinenser dasselbe tun werden, wenn sie die Gelegenheit bekommen. Jede Lösung für Jerusalem muss daher auch das optische Bild der Stadt vor Augen haben.

Der nationale Aspekt

Der nationale Aspekt ist vielleicht der wichtigste. Die israelische Regierung betrachtet Jerusalem als die vereinte, "ewige und unteilbare Hauptstadt Israels", in der niemand sonst nationale, souveräne Rechte haben darf. Die Palästinenser ihrerseits fordern ausnahmslos "Al-Quds esh-Sharif" (das verehrte heilige Jerusalem) — also Ostjerusalem — als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates Palästina. Eine andere Hauptstadt ist für sie undenkbar.

Wer einen wirklichen Frieden will, muss daher bereit sein, Jerusalem als eine gemeinsame Hauptstadt zweier Staaten, Israel und Palästina, zu akzeptieren. Wie kann das funktionieren? Es gibt mindestens zwei Modelle mit vielen Variationen. Das einfachste wäre, den Westteil zur Hauptstadt Israels und den Ostteil zur Hauptstadt Palästinas zu machen. Wenn die Stadt physisch ungeteilt und gemeinsam verwaltet bleibt, wird die Souveränität mehr symbolisch als praktisch sein und den Verkehr in der Stadt nicht behindern — wie ja auch Rom Hauptstadt zweier Staaten ist, von Italien und dem Vatikan; man überquert die Grenzen, ohne es zu merken.

Eine andere Lösung wäre eine gemeinsame Souveränität über ganz Jerusalem. Detaillierte Pläne zeigen, dass die komplexen juristischen Probleme, die damit verbunden sind — weiches Recht gilt für wen? —, in der Praxis durchaus lösbar sind. Es bedarf aber viel guten Willens auf beiden Seiten, wie ja jede Lösung eine enge nachbarschaftliche Beziehung zwischen den beiden Staaten voraussetzt.

Solch eine Lösung wäre natürlich einzigartig, wie eben Jerusalem einzigartig ist. In dem kleinen Land, das die Palästinenser Filastin und die Juden Erez Israel nennen, leben heute zwei Völker, nicht zusammen, aber dicht aneinandergedrängt. Jerusalem ist und war beinahe immer die Hauptstadt des Landes. Es ist daher die Hauptstadt beider Völker, gleichzeitig eine israelische und eine palästinensische Hauptstadt. Dies ist ganz einfach eine Tatsache, und jede Lösung, die Bestand haben will, muss diese Tatsache berücksichtigen.

Im Rahmen einer solchen Lösung müssten auch die städtischen Grenzen neu gezogen werden. Die heutigen, nur israelischen Interessen entsprechenden Grenzen könnten keinen Bestand haben. Man kann auf die alten Grenzen zurückgehen oder aber auch, wie manche Palästinenser und Israelis vorschlagen, die Grenzen erweitern und die palästinensischen Vororte wie Abu Dis und Aram mit einbeziehen, um eine Art demographische Parität zu schaffen.

Der religiöse Aspekt

Der religiöse Aspekt ist wohl am einfachsten zu lösen. Gläubige aller Konfessionen müssten das Recht haben, ungehindert nach Jerusalem zu kommen, um zu beten, und die heiligen Stätten sollten selbständig — und unter Umständen extraterritorial — verwaltet werden. Die geistigen, metaphysischen Dimensionen kann man natürlich nicht politisch regeln — sie existieren im Geist der Menschen, und dort sollten sie auch bleiben. Man darf sie aber nicht unberücksichtigt lassen. In Jerusalem ist es nicht rational, das Irrationale zu ignorieren.

Das Hauptprinzip ist: Jede Lösung, wie immer sie auch aussehen mag, muss auf Gleichheit beruhen. Wenn Israelis in arabischen Vierteln leben dürfen, dann müssen auch Palästinenser das Recht haben, in jüdischen Vierteln zu wohnen — was ihnen heutzutage verwehrt wird. Wenn die neuen israelischen Viertel in Ostjerusalem bestehen bleiben, müssen auch die Palästinenser das Recht haben, neue Viertel in Westjerusalem zu gründen.

Das alles sind Vorschläge, über die man sich Gedanken machen kann. Sie dienen dazu, die Vielfalt der Möglichkeiten aufzuzeigen. Keine dogmatische, "einzige" Lösung darf als heilig angesehen werden. Aber die Einzelheiten der verschiedenen Aspekte dürfen nicht die Gesamtheit des Problems in Vergessenheit geraten lassen. Die Lösung muss allumfassend und Erzeugnis der schöpferischen Phantasie sein; sie muss Israelis und Palästinensern einleuchten und auch begeistern.

Im Sommer 1995 hat Gush Shalom, der israelische Friedensblock, der eine klare israelisch-palästinensische Friedenspolitik vertritt, eine Demonstration an der Trennungslinie in Jerusalem veranstaltet. Vor der alten Stadtmauer wurde ein Verkehrsschild aufgestellt, das die Richtungen nach "Westjerusalem, Hauptstadt Israels" und "Ostjerusalem, Hauptstadt Palästinas" anzeigte. Faisal Husseini, der anerkannte Führer der Palästinenser in der Stadt, hielt eine kurze Rede, in der er sagte: "Ich träume von einer Zeit, in der ein Palästinenser, wenn er >unser Jerusalem< sagt, Palästinenser und Israelis meinen wird, und ein Israeli, wenn er >unser Jerusalem< sagt, Israelis und Palästinenser meinen wird."

Durch diesen Satz angeregt, verfasste ich ein Manifest, das in wenigen Tagen von 675 prominenten israelischen Intellektuellen und Künstlern, darunter viele der bekanntesten Schriftsteller, Dichter, Maler, Schauspieler, Professoren und Friedensaktivisten — davon acht Träger des Israel-Preises, der höchsten Auszeichnung im Land — unterschrieben wurde. Husseini und andere palästinensische Repräsentanten aus Jerusalem unterschrieben ebenfalls demonstrativ. Yassir Arafat selbst billigte den Text öffentlich, der folgendermaßen lautet:

Unser Jerusalem

Jerusalem gehört uns, Israelis und Palästinensern, Moslems, Christen und Juden. Unser Jerusalem ist ein Mosaik aus allen Kulturen, allen Religionen und allen Epochen, die die Stadt vom frühesten Altertum bis heute bereichert haben: Kanaaniter, Jebusiter und Israeliten, Juden und Griechen, Römer und Byzantiner, Christen und Moslems, Araber und Marnelucken, Osmanen und Briten, Palästinenser und Israelis. Sie und alle anderen, die ihren Beitrag zu der Stadt leisteten, haben ihren Platz in der geistigen und physischen Landschaft Jerusalems.

Unser Jerusalem muss eine vereinigte Stadt sein, die offen ist für alle und allen Einwohnern gehört ein Jerusalem ohne Grenzen und Stacheldraht in seiner Mitte. Unser Jerusalem muss die Hauptstadt zweier Staaten sein, die Seite an Seite in diesem Land leben Westjerusalem als Hauptstadt des Staates Israel und Ostjerusalem als Hauptstadt des Staates Palästina. Unser Jerusalem soll die Hauptstadt des Friedens sein.

Im Oslo-Abkommen war man sich 1993 darüber einig, dass die Diskussion über Jerusalem verschoben werden muss, bis weniger komplizierte Probleme gelöst sind. Man hatte Angst, sofort in eine Sackgasse zu geraten. Darum wurde beschlossen, die Jerusalemfrage sowie andere Themen — wie die Siedlungen, die Flüchtlinge, die Sicherheit und die Grenzen — im Rahmen der Verhandlungen über den "endgültigen Status" zu behandeln. Diese sollten am 4. Mai 1996 beginnen.

Das Oslo-Abkommen — offiziell als "Prinzipienerklärung" bezeichnet — verbietet es, in der Zwischenzeit etwas zu tun, was den Ausgang der Verhandlungen beeinflussen könnte. Keine der beiden Seiten hat das berücksichtigt. Besonders die israelische Regierung, die ja die Macht in Jerusalem hat, tat alles, um die "Tatsachen auf dem Boden" (ein beliebter zionistischer Ausdruck) zu verändern. Arabischer Boden wird weiterhin enteignet, weitere jüdische Siedlungen werden gebaut mit der klaren Absicht, die arabischen Stadtteile vollkommen zu umzingeln und jede Art der Teilung unmöglich zu machen. Diese Bemühungen gehen weiter trotz sporadischer Proteste eines Teils der israelischen Friedensbewegung. Wichtige Politiker der Arbeiterpartei, darunter auch sogenannte "Linke", unterstützen die Besiedlung, während der Likud Shimon Peres beschuldigt, eine Teilung Jerusalems herbeizuführen.

Leider gibt es im Vertragswerk von Oslo keinen ausdrücklichen Paragraphen, der es verbietet, während der Verhandlungen Siedlungen zu errichten oder zu erweitern. Man kann sich nur auf das juristische Prinzip berufen, nach welchem die Verpflichtung, über etwas zu verhandeln, automatisch beinhaltet, es im guten Glauben zu tun. Die Schaffung neuer Tatsachen widerspricht dem jedoch.

Während die beiden großen Parteien in Israel beteuern, dass hinsichtlich Jerusalem ein nationaler Konsens besteht, entwickelt sich die Stimmung in der Bevölkerung in eine ganz andere Richtung. Die Terroranschläge der islamischen Fundamentalisten im Lande — und besonders in Jerusalem — haben die große Mehrheit in Israel dazu gebracht, eine "Trennung" zu befürworten. Im Volksmund wird das so ausgedrückt: "Wir wollen die Palästinenser nicht mehr sehen. Wir müssen eine große Mauer zwischen ihnen und uns bauen. Sollen sie doch auf ihrer Seite einen Staat errichten. Die Hauptsache ist, dass sie aus unseren Augen verschwinden." Viele fügen dem hinzu: "Auch in Jerusalem brauchen wir eine Mauer. Sollen sie in ihren Vierteln machen, was sie wollen: einen Staat, eine Hauptstadt, ganz egal. Nur fort mit ihnen aus unseren Augen."

Das ist sicher eine sehr negative Einstellung, weit entfernt von der Vision einer gemeinsamen Hauptstadt. Aber es kann sich positiv auswirken im Sinne des Hegelschen Ausspruchs über die "List der Vernunft" oder Mephistos Selbstbeschreibung im Faust: "Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft." Denn auf diesem Umweg kommen viele Israelis doch zu dem Ergebnis, dass ein Staat Palästina — mit seiner Hauptstadt Jerusalem — notwendig ist.

Eines ist sicher: Die Verhandlungen über Jerusalem werden äußerst schwierig sein.

Das Buch "Die Jerusalemfrage" soll einen Diskussionsbeitrag in Form eines Dialogs zwischen den beiden Konfliktparteien leisten. Azmi Bishara, ein Palästinenser, hat die Israelis, ich, ein Israeli, habe die Palästinenser interviewt. Wir wollen in diesem Rahmen keine Verhandlungen führen — das soll den Politikern überlassen sein. Aber wir möchten auf die Möglichkeiten der Konfliktlösung hinweisen, die verschiedenen Einstellungen beleuchten, die historische und religiöse Bedeutung Jerusalems aufzeigen und vor allem Stoff zum Nachdenken geben. Die Vielfalt der Meinungen soll dazu bei tragen. Die mit Shimon Peres und Yassir Arafat fest eingeplanten Gespräche kamen, bedingt durch die Entwicklung im Frühjahr 1996, nicht zustande. Das Konzept für das Buch entwarf mein Verleger Georg Stein.

Psalm 122 beschreibt Jerusalem als eine Stadt, "die zusammengefügt ist". Viele Israelis legen das als eine Prophezeiung der Wiedervereinigung der Stadt unter israelischer Herrschaft aus. Man kann dies aber auch anders verstehen: "Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll." Über die Fortsetzung des Psalms ist man sich einig:

Wünschet Jerusalem Glück!
Es möge wohl gehen denen, die dich lieben!

Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!
Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen.

Uri Avnery, Jerusalem, April 1996

Uri Avnery/Azmi Bishara (Hrsg.)
Die Jerusalemfrage
Israelis und Palästinenser
im Gespräch

Zeittafel · Karten · 320 Seiten · 13,5 x 21 cm · Broschur 
Euro 17,90
ISBN 3-930378-07-8 
Mit Beiträgen von Teddy Kollek, Hanan Ashrawi, Amos Oz, Faisal Husseini, Ehud Olmert, Albert Aghazarian, Shulamit Aloni, Nazmi al-Jubeh, Meron Benvenisti, Ikrima Sabri und Michel Sabbah. 
"Das Buch behandelt nahezu alles, was zu diesem Thema gedacht und diskutiert worden ist."/arte-Themenabend zu Jerusalem
Erschienen 1996, Palmyra Verlag Heidelberg

haGalil onLine 10-09-2001

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2006 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved