Suche nach dem Ort der letzten Ruhe:
"In Jerusalem werden keine Terroristen
begraben"
Israel wehrt sich
vehement gegen das Ansinnen der Palästinenser, ihren Präsidenten auf
dem Tempelberg zu beerdigen
Von Thorsten Schmitz
Der Grund, weshalb Palästinenserpräsident
Jassir Arafat bislang noch nicht offiziell für tot erklärt worden
ist, könnte ein ganz banaler sein: Noch wurde nicht vereinbart, wo
Arafat begraben werden soll. In eben dieser Unklarheit spiegelt sich
der Nahost-Konflikt wider, der von der Frage getragen wird: Welchen
Anspruch hat welches Volk auf welches Gebiet? Bereits seit Tagen
verhandeln Israel und die Palästinenser hinter verschlossenen Türen
über Arafats letzte Ruhestätte.
Die Fronten sind klar: Israel möchte auf keinen
Fall Arafats Grab auf israelischem Gebiet haben. Auch soll Arafat
nicht im arabischen Ost-Jerusalem begraben werden, das Israel im
Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und später annektiert hat.
Justizminister Tommy Lapid erklärte am Freitag: "Jüdische Könige
liegen in Jerusalem begraben, keine arabischen Terroristen."
Ohnehin betrachtet Regierungschef Ariel Scharon
Jerusalem als die "auf ewig unteilbare" Hauptstadt Israels. Um den
Anspruch auf das gesamte Stadtgebiet zu zementieren, wurde der
Ostteil Schritt um Schritt besiedelt. Inzwischen leben dort rund 200
000 jüdische Siedler. Israel offeriert den Palästinensern zwei
Optionen: Ein Begräbnis im Gaza-Streifen im Flüchtlingslager Chan
Junis, wo bereits Arafats Schwester ruht, oder aber auf dem
"Märtyrer-Friedhof" nahe der Grenze zu Israel. Möglich sei auch ein
Grab im Jerusalemer Vorort Abu Dis, melden israelische Medien, wo
ein neues palästinensisches Parlamentsgebäude steht und
Ministerpräsident Achmed Kurei lebt. Das Verteidigungsministerium
favorisiert Abu Dis. Um Spannungen zu vermeiden, heißt es in einem
internen Bericht vom Juni, solle Arafat dort eine letzte Ruhestätte
mit Blick auf den Tempelberg und die goldene Kuppel des Felsendoms
genehmigt werden.
Angeblich soll Arafat den Wunsch geäußert haben,
direkt auf dem Tempelberg in der Altstadt Jerusalems begraben werden
zu wollen. Diese Ehre war zuletzt dem palästinensischen
Jerusalem-Beauftragten Faisal Husseini zuteil geworden, der 2001
einem Herzinfarkt erlegen war. Andererseits hieß es am Freitag, dass
Arafat keinen schriftlichen Willen über seinen Grab-Ort hinterlassen
habe. Überdies sind in den letzten Wochen Flugblätter radikaler
Palästinenser-Milizen aufgetaucht, in denen davor gewarnt wird,
Arafat zwischen Al-Aksa-Moschee und Felsendom zu begraben - der
Tempelberg würde entweiht, weil Arafat schließlich die gebürtige
Christin Suha geheiratet hat.
Israel möchte eine palästinensische Pilgerstätte
inmitten Jerusalems verhindern. Zudem würde ein Arafat-Grab in
Jerusalem zugleich den Anspruch der Palästinenser auf eine
Hauptstadt im Osten Jerusalems zementieren. Selbst der frühere
Israel-Premier Ehud Barak war bei seinen weitgehenden Konzessionen
an die Palästinenser in der Hauptstadt-Frage nur dazu bereit, den
Palästinensern den Vorort Abu Dis als Kapitale zu überlassen. Einem
Bericht des israelischen Fernsehens zufolge könnte sich die
Beerdigungsfrage noch komplizierter gestalten: Demnach besitzt
Arafat ein 13 Quadratmeter großes Familien-Grundstück nahe dem
Ölberg in Ost-Jerusalem. Es sei jedoch von Israel nach dem Krieg
1967 wegen "Abwesenheit des Besitzers" beschlagnahmt worden.
Selbst wenn sich Israel und die Palästinenser auf
eine Grabstätte einigen, würden sich zusätzlich logistische Probleme
stellen. Bei Arafats Beerdigung in der Region kämen auch arabische
Staatschefs, mit denen Israel verfeindet ist. Diese würden sich kaum
von israelischen Soldaten bei einer Einreise in den Gaza-Streifen
kontrollieren lassen. Im Gaza-Streifen selbst könnten die Flugzeuge
der Gäste nicht mehr landen, seitdem Israel den mit EU-Mitteln
finanzierten palästinensischen Flughafen zerstört hat. Und: Wer
garantiert die Sicherheit für die ausländischen Würdenträger, da
sich dort immer mal wieder palästinensische Terrormilizen
Scharmützel liefern? Eine Beerdigung in Abu Dis wiederum, fürchtet
Israel, könnte zu Gewaltausbrüchen seitens der Palästinenser führen,
die damit Ost-Jerusalem als ihre Hauptstadt feiern würden. Am
liebsten sähe Israel daher Arafat in Jordanien oder Ägypten
beerdigt.
Unabhängig von der Grabstätten-Frage wird Israel
in dem Moment, in dem Arafats Tod offiziell ist, die allgemeine
Alarmstufe auf drei erhöhen - vier ist die höchste Stufe und
impliziert einen Angriff auf den jüdischen Staat. Israel fürchtet
nach Ablauf einer Trauerfrist eine Zunahme von Terrorangriffen -
auch deshalb, weil behandelnde Ärzte aus dem Militärhospital bei
Paris gestreut haben, dass Arafats Koma darauf zurückzuführen sei,
dass er in den letzten drei Jahren während seines virtuellen
Hausarrests in Ramallah keine ausreichende ärztliche Behandlung
erhalten habe. Dies könnte die Mär von Israels Schuld an Arafats Tod
stärken.
hagalil.com
07-11-04 |