Die Arabische Zentralbibliothek und Begegnungsstätte im
Ostjerusalemer Stadtteil Bab el Zahra feiert ihr 10 jähriges Bestehen:
Ein Ort der Besinnung
in Zeiten der Unruhe
„Unser Haus in Jerusalem“ nannte Teddy Kollek, der
Altbürgermeister Jerusalems, die damals zunächst nur in seiner
Vorstellung existierende Arabische Zentralbibliothek im Jerusalemer
Stadtteil Bab el Zahra, als er 1985 in der Frankfurter Paulskirche den
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm.
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Der Preis wurde Teddy Kollek für seine
unermüdlichen Bemühungen um die jüdisch-arabische Verständigung
verliehen und bildete in diesem Sinne - und dem Wunsch des
Preisträgers entsprechend - den Grundstock für die Bibliothek.
Sieben Jahre später wurde das neue Gebäude fertiggestellt und als
Projekt der von Kollek gegründeten Jerusalem Foundation, die sich
intensiv für die Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner
Jerusalems einsetzt, im Mai 1992 eingeweiht.
Heute, ein Jahrzehnt danach, ist die arabische
Zentralbibliothek ‘Bab el Zahra’, die der Jerusalemer
Stadtverwaltung untersteht, nicht nur eine der wichtigsten
arabischen Kultureinrichtungen des Landes, sondern des Nahen Ostens
überhaupt, die bei der allgemeinen Öffentlichkeit ebenso beliebt ist
wie bei Schülern, Studenten und Lehrern. In diesen schwierigen
Zeiten bietet die Bibliothek ihnen allen einen ruhigen Hafen, einen
Ort der Besinnung und der Inspiration. |
Die im typischen hellen Jerusalemer Sandstein
entworfene, ansprechende arabische Zentralbibliothek ‘Bab el Zahra’
umfaßt 700 Quadratmeter. Im Erdgeschoß befinden sich die Hauptbibliothek
sowie die Kinder- und Jugendbücherei, zwei Lesesäle und die Ausleihe.
Die zweite Etage bietet drei Vielzweck-Bereiche, die für eine weite
Reihe erzieherischer und kultureller Programme genutzt werden.
Die Bibliothek erhält Bücher aus allen arabischen
Ländern, selbst aus solchen, die keine Beziehungen zu Israel
unterhalten. Zudem ist sie die einzige Institution im Land, die über
einen umfassenden Bestand an arabischer Literatur und Poesie sowie über
akademische Werke zur arabischen Sprache, Geschichte und Identität
verfügt.
Startkapital der Bibliothek waren 20.000 Bände - ein
beachtlicher Anfang, wenn man bedenkt, daß zu dieser Zeit arabische
Bücher in Israel wegen fehlender diplomatischer Beziehungen zu den
arabischen Ländern nur auf Umwegen ins Land gelangten und daher nicht
immer leicht erhältlich waren. Heute führen die Wege des arabischen
Buchhandels über Jordanien und Ägypten.
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Allen Religionen offen
Die Bibliothek empfängt jeden Tag bis zu 200 Besucher
und ist auf allseitigen Wunsch und sozusagen „außerplanmäßig“ auch
am Samstagmorgen geöffnet. In diesen schwierigen Zeiten bietet sie
einen ruhigen Hafen, einen Ort der Besinnung und der Inspiration:
„Gerade jetzt, da die Lage so gespannt ist und zahlreiche Streiks
stattfinden, nutze ich jede freie Minute und komme in die
Bibliothek, um zu lesen.” So Fadi Abdellatif, ein junger
Geschäftsmann in der Nahrungsmittelindustrie und Vertreter einer
deutschen Firma für Reinigungsmaschinen. Abdellatif möchte in Kürze
ein Studium im Fachbereich Marketing beginnen: “Dabei helfen mir die
Marketing-Fachbücher und der von hier aus mögliche Zugang zum
Internet bei den Vorbereitungen.”
Unruhe und Konflikt bleiben draussen vor dem Eingang
zu
‘Bab el Zahra’: Die Verwaltung behält sich vor, Aufrufe zum Terror
abzuwehren und zu zensieren, denn die Wahrung der Neutralität und
Offenheit ist eines der Hauptanliegen des Direktors der Bücherei
Ammar Ayoubi: “Die Bibliothek steht allen Religionen und Meinungen
offen. Das alte Testament findet sich auf den Regalen neben dem
neuen Testament und dem Koran, Bücher über Israel und die
zionistischen Führer neben Werken über das autonome palästinensische
Gebiet. Araber und Israelis informieren sich bei uns und kommen
selbst in diesen schwierigen Zeiten in die Bibliothek zum Lesen.
Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern!” |
An den Vormittagen sind es vor allem Studenten und
Fachleute, die von der Nachschlagebücherei Gebrauch machen: „Bücher sind
meine große Leidenschaft...“, meint Dr. Salah Adameh, der lange in
Deutschland lebte, wo er studierte und promovierte, bevor er seine
Arbeit als Hochschullehrer an der arabischen Universität Al Quds in
Jerusalem antrat. Heute lehrt er dort Geschichte, Philosophie, Politik
und arabische Literatur. Die Bibliothek, die er als sehr gut bestückt
beschreibt, sei sein zweites Zuhause. „Sowohl zum Vergnügen als auch für
die Arbeit offeriert die Bibliothek ein sehr breites Spektrum und füllt
zudem ein Vakuum, da die Fachbibliotheken unserer Universität örtlich
sehr verstreut liegen“, erklärt Dr. Adameh. Aus diesem Grund schicke er
auch seine Studenten her. Zudem stünden den Benutzern für eine geringe
Gebühr zwei Computer mit Anschluß ans Internet zur Verfügung, eine sehr
begehrte Dienstleistung, die Direktor Ayoubi gerne ausdehnen würde.
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Ein Paradies für Kinder
Der Lesebereich für Kinder nimmt etwa den gleichen Raum
ein wie der für Erwachsene. „Wir sind hier von knapp zehn arabischen
Schulen umgeben, die unsere treuesten Kunden sind“, erklärt Ammar
Ayoubi. An den Nachmittagen sind es die Kinder und Jugendlichen aus
diesen Schulen, die der Bibliothek einen Besuch abstatten, sich Bücher
ausleihen, an Programmen teilnehmen oder Hausaufgaben machen.
Unter Berücksichtigung des gemischten Publikums, das
sowohl religiös als auch weltlich orientiert ist, organisiert Ammar
Ayoubi den Kindern nicht nur gemeinsame Aktivitäten, sondern reserviert
auch mehrere Male in der Woche einige Stunden am Nachmittag nur für
Mädchen. „Wie zu Hause fühle ich mich in der Bibliothek“, meint daher
auch Iman. Die Dreizehnjährige, die im 8.Schuljahr ist, genießt vor
allem Erzählungen, Kriminalgeschichten und die vereinfachten Versionen
wissenschaftlicher Bücher, die sie hier in der Kinderabteilung findet.
„Ich lerne auch, Informationen im Internet zu finden und meine
Hausaufgaben auf dem Computer zu schreiben. Ich komme immer her, um
meine Hausaufgaben hier zu machen, weil es in ‘Bab el Zahra’ so ruhig
ist....“
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Bab el Zahra’ auf einen Blick
1999 wurden für die Bibliothek rund 4000 Bände auf
Arabisch und Englisch und mehr als 40 Videokassetten erworben.
Inzwischen ist das Angebot auf mehr als 40.000 Bände angewachsen. Fast
ein Drittel davon ist Kinder- und Jugendliteratur. Für Erwachsene bietet
der Bestand neben Werken der Belletristik und Zeitschriften wie Newsweek
und Time Magazin zudem Sachbücher und Nachschlagewerke zu zahlreichen
Themenbereichen, darunter Medizin, Psychologie, Biologie, Technologie,
Soziologie, Philosophie, und Sprachen.
Wie alle öffentlichen Büchereien Jerusalems untersteht auch die
Arabische Zentralbibliothek ‘Bab el Zahra’ der Stadtverwaltung und
gehört zu den knapp 25 städtischen Büchereien, die untereinander
zusammenarbeiten.
Die Jerusalem Foundation auf einen Blick
Seit 36 Jahren setzt sich die Jerusalem Foundation –1966
von Bürgermeister Teddy Kollek kurz nach seinem Amtsantritt gegründet –
intensiv für die Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner
Jerusalems ein. Dabei wird ihr von Freunden und Sponsoren auf der ganzen
Welt großzügig Hilfe geleistet.
Im Mittelpunkt der zahlreichen Projekte und Programme der Jerusalem
Foundation stehen dabei vorwiegend die Förderung des Dialoges und der
Koexistenz der verschiedenen Bevölkerungsgruppen Jerusalems sowie
Erziehung, Kultur und Wissenschaft, soziale Wohlfahrt, die Integration
von Einwanderern, die Erhaltung historischer Bauten und die Begrünung
der Stadt.
Das Engagement der überparteilichen Foundation erhält vor allem aus
Deutschland große Unterstützung. Seit 26 Jahren fördert die Jerusalem
Foundation Deutschland e.V. dank zahlreicher Freunde der Stadt wertvolle
Projekte zur Entwicklung Jerusalems.
Kontaktadresse: Irene Pollak-Rein
Leiterin der Abteilung für deutschsprachige Länder
11 Rivka Str., P.O.B. 10185
Jerusalem 91101/ Israel
E-mail:
irene-p@jerusalem-foundation.org
Konto: Jerusalem Foundation Deutschland e.V./Commerzbank Berlin
BLZ 100 400 00 / Kontonummer 2228500
Spenden an die JF sind steuerabzugsfähig.
Interview mit Teddy Kollek
- dem ehem. Bürgermeister Jerusalems:
Wir brauchen
den Dialog
haGalil onLine
30-01-2002 |