Neue Partei "Yachad":
Kommt die israelische Linke aus ihrer Erstarrung?
Der ehemalige Justizminister und
Mitinitiator der "Genfer Initiative" Yossi Beilin ist am Dienstagabend
zum Vorsitzenden der neugegründeten linksliberalen Partei in Israel
"Yachad" gewählt worden. Beilin (bisher Meretz, davor Avoda) gewann
53,5%, sein Herausforderer erhielt Ran Cohen (bisher Meretz) 46,5% der
Stimmen. Die Partei setzt sich aus Teilen der linksliberalen
Meretz-Partei und Beilins Shahar-Bewegung zusammen.
Von Attila Shumpleby, Jedioth Achronoth
Man kann sich über 'Yachad' und über die Langeweile
amüsieren, die das Rennen zwischen Dr. Yossi Beilin und dem
Knessetabgeordneten Ran Cohen auszeichnete, und aus der am Ende der
ehemalige Minister als Gewinner hervorging. Es ist nicht schwer zu
erraten, warum es so leicht ist, die neue sozialdemokratische Partei zu
kritisieren: Zunächst, weil es sich um eine neue Einrichtung mit alter
Seele handelt, wie ein Auto nach einer Generalüberholung. Zweitens muss
man sich die politische Realität in Israel vor Augen halten.
Eine grausame Realität, die in den vergangenen Jahren
die Linke und die Parteien, die die Linke vertreten, begraben hat. Wer
kümmert sich in dieser Situation darum, was Meretz in der Verkleidung
von 'Yachad' zu sagen hat? Man darf auch nicht die Schwäche der
Opposition in Israel vergessen, allen voran der Arbeitspartei, die sich
immer wieder duckt und die Krümel aufliest, die ihr aus dem Büro des
Ministerpräsidenten zugeworfen werden. Die Schwäche der Arbeitspartei
hat sich leider im vergangenen Jahr auf die Situation von Meretz
ausgeweitet.
Doch heute morgen, einige Stunden nach der Wahl
Beilins zum Vorsitzenden, stellt sich heraus, dass hier trotz allem
etwas zu wachsen beginnt. Die erste Veränderung und vielleicht die
Wichtigste ist, dass nach einem Jahr des Vakuums ein neuer, gewählter
und bleibender Vorsitzender auftritt. Seitdem der Abgeordnete Yossi
Sarid als Vorsitzender der Meretz nach den Wahlen im vergangenen Jahr
zurückgetreten ist, verschwand Meretz von der politischen Bühne in
Israel. Sogar bei politischen Themen war man sich nicht einig. Einige
unterstützten Genf, andere unterstützten es weniger, wieder andere
sprachen über ganz andere Prozesse. Die Botschaft war nicht eindeutig.
Jetzt, da 'Yachad' einen Vorsitzenden hat und sogar einen mit
Ambitionen, ist zu erwarten, dass die Partei wieder als Alternative
auftaucht, als eine Partei mit Zähnen und einer eigenen Agenda. Genf
wird zum politischen Thema werden. Und auch wenn es nicht bei der
gesamten Bevölkerung akzeptiert wird, ist dies der einzige alternative
Plan, den die Linke derzeit vorschlagen kann.
Beilin wird nicht zögern, sich in den Löwenkäfig zu
begeben. Bei seinen Reden in der vergangenen Woche warnte er vor einem
Konsensus und es scheint, dass er Recht damit hatte. In den guten Zeiten
von Meretz, als Shulamit Aloni noch Vorsitzende war, schaffte die Partei
es, Zehntausende junge Leute anzuziehen, besonders wegen der
umstrittenen Themen, die sie gewagt hatte, auf die öffentliche
Tagesordnung zu setzen. Zwar hat sich im Bereich von Religion und Staat
eine Veränderung ergeben, doch in den Bereichen von Politik, Erziehung,
gesellschaftlicher Wohlstand und Gerechtigkeit, Demokratie und Ethik,
wirkt 'Yachad' wie ein einsamer Rufer in der Wüste.
Es wäre nicht einfach, aber 'Yachad' könnte unter
Führung Belins zu neuen Wegen aufbrechen. Beilin weiß das. Zum ersten
Mal seit seinem Eintritt in die Politik hat er sich gestern Abend zu
einem der kreativsten und blühendsten Köpfe im linken Lager Israels, von
einem Nebendarsteller zum Hauptdarsteller gewandelt. Beilin wurde
gestern zum Vorstand einer neuen Partei gewählt, um sie voran zu
bringen, zu besseren Zeiten.
Seine Aufgabe ist nicht leicht, erhielt er doch das
Erbe eines riesigen Minus auf der Bank, dazu nicht gerade wenige
ideologische Löcher. Doch besteht die breite Überzeugung, dass er es
schaffen und die israelische Linke aus der Erstarrung der letzten Jahre
holen kann. Er schuldet dies nicht nur seiner eigenen Partei und der
Öffentlichkeit, die ihn gewählt hat. Er schuldet sich dies auch
persönlich. Bei seinem Versuch, eine sich erneuernde und erwachende
Gestalt der Linken zu schaffen, kann Beilin auch seine eigene Gestalt
als Mensch mit Führungsqualitäten ausstatten. Und aus seiner Sicht ist
das nicht weniger wichtig.
© Botschaft des Staates Israel
hagalil.com
18-03-2004 |