Israelische Entwicklung:
Technologie, die durch Wände sehen lässt
Nachrichtenartikel von Zuri Dar und Oded
Hermoni, Ha'aretz, 01.07.2004
Übersetzung Daniela Marcus
Ein israelischer Existenzgründer hat eine
revolutionäre Technologie entwickelt, die es dem Benutzer möglich
macht, durch Wände zu sehen. Wenn sie vermarktet wird, könnte sie
sowohl Militär- wie Rettungsdiensten behilflich sein.
Bei militärischen Operationen könnte solch eine
Vorrichtung manches Mal den Unterschied zwischen Erfolg und
Misserfolg bedeuten. Ein Beispiel hierfür ist eine Militäraktion,
die im Oktober 1994 stattfand. Damals griff eine israelische Einheit
ein Haus in Bir Naballah, nördlich von Jerusalem, an, in dem
Versuch, den entführten Soldaten Nachshon Wachsman zu retten. Hamas
hatte gedroht, ihn zu töten, sollte Israel nicht Hunderte von
palästinensischen Gefangenen freilassen. Doch die Einheit konnte
nicht sehen, was innerhalb des Hauses vor sich ging, weshalb
Wachsman während des Angriffs getötet wurde. Der Mangel an
Informationen kostete auch den Kommandeur der Einheit, Hauptmann Nir
Poraz, das Leben.
Hunderte von Anti-Terror-Operationen, die seither
stattfanden, haben den dringenden Bedarf nach einer Möglichkeit, bei
Kämpfen in Stadtgebieten durch die Wände zu sehen, nur vergrößert.
In den letzten vier Jahren wurden viele Soldaten von gesuchten
Männern getötet, die aus Häusern von Zivilisten auf sie geschossen
hatten.
Nun bietet eine kleine Firma namens Camero, die in
Herzliya ihren Standort hat, eine Lösung an: ein Radarsystem
basierend auf UWB-Technologie, das dreidimensionale Bilder von dem,
was sich hinter der Wand befindet, zeigen kann, und zwar aus einer
Entfernung von 20 Metern. Die Bilder, die denen ähnlich sind, die
durch Ultraschall produziert werden, haben eine relativ hohe
Auflösung. Obwohl die Gestalten etwas verschwommen zu sehen sind,
ermöglicht es die Vorrichtung dem Benutzer, den Vorgängen hinter der
Mauer in Realzeit zu folgen.
"Die Firma wurde auf Grund dringender operativer
Bedürfnisse gegründet", sagt Geschäftsführer Aharon Aharon – und
zwar nicht nur auf Grund militärischer. "Wenn Unglücksopfer aus
einem zusammengefallenen oder brennenden Gebäude gerettet werden
müssen, spielt die Zeit eine große Rolle", erklärt er.
"Rettungsmannschaften investieren oftmals viel Kraft und wertvolle
Zeit, um die Trümmer zu entfernen, oder sie gefährden ihr eigenes
Leben, wenn sie sich in die Flammen begeben müssen, obwohl nicht
klar ist, ob sich hinter den Wänden überhaupt Überlebende befinden."
Es gibt Teil-Lösungen für dieses Problem, wie z.
B. Faseroptikkameras, die durch Löcher, die in die Wand gebohrt
werden, geführt werden können. Doch solche Kameras sind in ihrer
Sichtweise begrenzt: Sie können nicht durch innere Wände hinter
dieser äußeren Wand "sehen".
Die Firma Camero wurde im Jerusalemer Global
Venture Capital Fund (JVG) geboren: Amir Be'eri, ein ehemaliger
Angestellter beim israelischen Militär und in Verbindung mit dem
Fonds (in seiner letzten Position war er Geschäftsführer der Firma
Infineon), entwickelte eine Möglichkeit, UWB-Radiowellen zu senden.
UWB war zu dieser Zeit eine neue Technologie. Sie war nötig, weil es
für Radiowellen nicht möglich war, eine genügend hohe Auflösung von
Bildern zu senden, die für die Verwendung tauglich war. Dennoch sind
Radiowellen nötig, weil andere Arten von Wellen nicht durch Wände
dringen können.
Ein weiteres Problem der Radiowellen ist, dass sie
um Metall herum nicht gut funktionieren. Camero hat jedoch eine
ausgeklügelte Software entwickelt, die es ihrer Technologie
ermöglicht, selbst im Fall von Stahlbetonwänden zu arbeiten.
Be'eri erkannte durch seinen militärischen Hintergrund das Potenzial
der neuen Technologie und warb Aharon, eine ehemalige ranghohe
Führungskraft bei "Zoran und Seabridge", an. Gemeinsam stellten die
beiden sieben Experten aus den Gebieten Radiofrequenz-Technologie,
Signalverarbeitung und dreidimensionale Darstellung ein. Camero
bekam außerdem Gelder in Höhe von 5 Millionen US-Dollar von JVG,
Walden Israel und Motorola Ventures.
Zusätzlich haben sich große Namen dem
Beratungsgremium von Camero angeschlossen. Hierzu gehören Amiram
Levine, der frühere Oberkommandierende des Kommandos Nord der
israelischen Verteidigungsstreitkräfte; John Greenberger, Leiter der
New Yorker Feuerwehr zur Zeit der Terrorangriffe vom 11. September
2001; und ein hochrangiger amerikanischer General.
Aharon sagt, ein erster Prototyp der Vorrichtung
stehe voraussichtlich in 18 Monaten bereit – eine eher lange
Wartezeit für solch einen "hungrigen" Markt, der Kunden hat, die
bereit wären, Zehntausende von Dollars für solch ein Gerät zu
bezahlen.
Darüber hinaus hat Camero Wettbewerber: Eine Firma
namens "Time Domain", die auch UWB-Technologie benutzt, um durch
Wände zu sehen, ist seit sechs Monaten aktiv und verkauft bereits
Geräte im Wert von Millionen von Dollars pro Jahr. Doch Cameros
Technologie ist in verschiedener Hinsicht überlegen. Erstens kann
sie aus einer Entfernung von 20 Metern benutzt werden. Das Produkt
von Time Domain muss sich hingegen direkt an der fraglichen Wand
befinden. Zweitens liefert Cameros Technik ein detailliertes Bild
von allem, was sich im Raum befindet. Im Gegensatz dazu lokalisiert
Time Domains Produkt zwar Objekte im Raum, liefert jedoch keine
Informationen über deren Form oder Größe.
hagalil.com
02-07-2004 |