Der Prinz des Hauses Siemens
David Lipkin in der Wirtschaftsbeilage Asakím
Nur wenige internationale Firmen messen dem
israelischen Markt eine solche Bedeutung bei wie der Siemens-Konzern. Er
zählt zu den großen Firmen, die unmittelbar nach Unterzeichnung der
Oslo-Abkommen eine Vertretung in Israel eröffnet haben, machte sie zu
einer Tochtergesellschaft namens „Siemens-Israel“ und führte ihre
geregelte Arbeit auch im Verlauf der Intifada fort.
Jetzt findet eine verwaltungstechnische Wende statt:
nachdem die Firma bisher von deutschen Vertretern geleitet wurde, die
für einige Jahre nach Israel entsandt wurden, übergibt der Konzern die
Firma nun an einen jungen, israelischen Generaldirektor, den 36-jährigen
Oren Ahronson.
Die Übergabe der Leitung der Firma in Israel an einen Angehörigen der
Familie Ziegler, die 24,8% der Aktien von Siemens Israel kontrolliert,
war schon seit einigen Jahren zu erwarten. Der Großvater Ahronsons,
Israel Ziegler (94), war Eigentümer der Firma „Ziegler Engineering
Electrics“, die die Vertreterin von Siemens in Israel war, und in den
Büros von Siemens in Deutschland war er wie zu Hause. Und wenn ein
großer Konzern, der 450.000 Menschen in aller Welt beschäftigt, schnelle
Veränderungen vornimmt, um die Krisen auf den Märkten zu überleben, dann
weiß auch Ahronson, Ingenieur und autorisiert in Business Management,
dass seine Abstammung ihm auf Dauer nichts helfen wird, sondern er
bereits im ersten Jahr seiner Amtszeit auf die Probe gestellt werden
wird.
Das Direktorium der Firma in Israel wird von Uriel Sharef geleitet,
ehemaliger Israeli und einer der hohen Leute von Siemens Deutschland,
und es gehören ihm auch der Großvater Ziegler und Enkel Ahronson an,
sowie ein Vertreter von Siemens Deutschland.
Anfang Oktober gelangte Ahronson an die Spitze de Pyramide, nach einem
Jahr der Fortbildung bei Siemens Holland. „Das Kennen lernen des
gesamten Apparats war sehr gut und wichtig, denn kein Israeli kennt die
‚Siemens-Sprache’, die bei der Arbeit mit den diversen Zweigstellen von
großer Bedeutung ist.
Die Zweigstelle in Holland ist ein Beispiel für das Potenzial des
Konzerns, der in den 125 Jahren seines Bestehens beachtliche Erfolge zu
verzeichnen hatte und einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr
erreicht. Wer die ‚Instrumente des Siemens-Orchesters’ spielen kann, der
weiß, dass es keine Grenzen gibt für das, was man in diesem Konzern tun
kann.“
Das Time-out in Holland nützte Ahronson zu Ausarbeitung seines ersten
100 Tage Plans in seinem neuen Amt, ein Plan, das zu einer dicken
Broschüre wurde, voll mit Tabellen und Graphen. „Das ist meine Bibel“,
sagt er, „und ich nütze jede freie Minute, um sie zu lesen“.
Ahronson, der Prinz des Hauses Ziegler, stand seit der Gründung der
Firma in Israel der Abteilung für Energie und Strom vor und führte den
Konkurrenzkampf um die Ausschreibungen der „Chevrat Chashmal“ für die
Lieferung von Generatoren und Ausrüstung für die neuen Kraftwerke an,
die sie baut. Jetzt, mit Beendigung seiner Arbeit in der Abteilung,
hinterlässt er Bestellungen in Höhe von 700 Millionen Euro. Ahronson
wartet auf die Entscheidung, ob das neue Kraftwerk in Ashkelon mit Kohle
oder Gas betrieben werden soll.
Eine der schwersten Auseinandersetzungen, die Ahronson bevorstehen, ist
die Behandlung der Kommunikationsabteilung, die bisher keine Erfolge bei
der Vermarktung der Siemens-Handys in Israel verzeichnen konnte. Während
Siemens auf diesem Bereich in anderen Ländern beachtliche Erfolge
verzeichnen konnte, gelang es dem Konzern nicht, sich einen im Vergleich
zu Nokia und Samsung bedeutenden Teil des israelischen Marktes zu
erobern.
Der GD von Siemens Israel äußert sich vorsichtig bei der Analyse dieses
Misserfolgs und sagt: „Niemand ist mit den Ergebnissen des Eintritts von
Siemens auf den Handy Markt in Israel zufrieden.“
Hingegen setzt Ahronson große Hoffnungen auf das Eindringen der DECT
(Digital Enhanced Cordless Telecommunications) in den israelischen
Markt, im kommenden April. Siemens hat auf diesem Bereich durchaus etwas
anzubieten, und der Konzern kontrolliert 50% des Weltmarkts. Dieser Tage
konzentriert sich Ahronson auf die Vorbereitung der Firma auf die
Vermarktung der Geräte in Israel, einschließlich der Wahl der
Vertreibers.
Ein anderer Bereich, der von Ahronson angeführt wird, ist die
Eingliederung von Siemens in die Israel-Bahn. Der Konzern ist an dem
Konsortium beteiligt, dass sich um den Betrieb der S-Bahn in Tel Aviv
bewirbt (neben Afrika-Israel und Egged).
Weiterhin wird sich
der neue GD um den Bereich der medizinischen Ausrüstung kümmern
müssen, auf dem in Israel ebenfalls keine besonderen Erfolge zu
verzeichnen waren. Ahronson informiert sich derzeit über die
medizinische Abteilung, um auf eine Erweiterung der Verkäufe im
kommenden Jahr hinzuarbeiten.
Vor einigen Wochen erhielt Ahronson eine Firma mit 500
Mitarbeiten und damit blieb ihm sehr wenig Zeit zum Nachdenken
oder für seine Familie, vor allem seine drei Kinder. Trotz des
Drucks achtet er darauf, schwimmen zu gehen, ein Hobby seit
seiner Kindheit, als er dem Schwimmteam von Maccabi Kirijat Ono
angehörte. „Sogar beim Schwimmen denke ich nach“, sagt er.
Ein weiteres Thema, das auf den Schultern Ahronsons lastet,
resultiert daraus, dass die Aktien von Siemens nicht nur an der
Börse in Frankfurt, sondern nun auch an der Wall Street
gehandelt werden. Deshalb muss er nun drei Finanzberichte
abliefern, einen entsprechend der Steuerbehörden in Israel,
einen entsprechend der Forderungen des Mutterkonzerns in
Deutschland und einen dritten entsprechend der amerikanischen
Behörden.
Die Familie Ahronsons hat gute Beziehungen zur Firmenleitung des
Konzerns. Sein Großvater trifft einmal im Jahr mit dem
Vorsitzenden, Heinrich von Pierer, zusammen, und der neue GD
weiß, dass von Pierer persönlich die Geschehnisse in der
israelischen Zweigstelle seines Konzerns verfolgt. Von Pierer
hatte dieses Jahr MAA von der bevorstehenden Ernennung Ahronsons
erzählt. Es ist bekannt, dass er sehr an dem Eintritt von
Siemens in das Projekt der S-Bahn und Israel-Bahn interessiert
ist, da er weiß, dass darin das Wachstumspotenzial für die
kommenden Jahre liegt.
Der Siemens-Konzern ist sehr an einer Erweiterung seiner
Tätigkeiten in Israel interessiert, vor allem auf dem Zellular
Bereich. Ahronson weiß, je früher er sich mit dem Problem
auseinandersetzt, desto größer werden seine Aussichten, die
Erwartungen der Firma in Deutschland zu erfüllen, die dem
israelischen Markt wie gesagt große Bedeutung beimisst. |
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Die Bedeutung von Venture Capital
Für viele Start-up-Firmen ist die
Finanzierung durch Venture Capital – privates
Wagniskapital – lebensnotwendig, um bei der hohen
Dynamik auf den Wachstumsmärkten Telekommunikation und
Computertechnologie mithalten zu können. Allein 1998
wurden auf diese Weise mehr als 1,5 Mrd. € in den
deutschen Markt gepumpt, dreimal so viel wie noch 1996.
In den USA sind es alljährlich etwa 10 Mrd. US-$, ein
Drittel davon stammt aus der Industrie. Auch für Siemens
ist Venture Capital kein Neuland: Seit 1984 hat das
Unternehmen über Beteiligungsgesellschaften und
Venture-Einheiten in den Geschäftsbereichen in
vielversprechende Firmen investiert. Zur Bündelung der
Einzelaktivitäten wurde am 1.1.1999 die Siemens Venture
Capital GmbH gegründet.
In Israel ist Siemens direkt und indirekt an über 50
Start-up-Firmen beteiligt. So wurden dem in München
ansässigen Unternehmen Star Ventures etwa 20 Mio. € zur
Verfügung gestellt. Bislang hat Star Ventures insgesamt
über 150 Mio. € in etwa 90 Firmen in Israel, USA und
Deutschland investiert. "Wir sind einer der größten
Wagniskapitalgeber in Israel", sagt der Gründer, Dr.
Meir Barel. Der Erfolg spricht für sich: 16 Firmen
brachte Star Ventures bereits an die internationalen
Börsen, wo sie zu einem Vielfachen des investierten
Gelds bewertet wurden. Doch der Gewinn an der Börse sei
nicht alles, betont Barel: "Geldgeber wie Siemens sind
vor allem auch am Zugang zu neuen Technologien und dem
Kontakt mit innovativen Start-up-Firmen interessiert."
Quelle
siemens.com |
|
hagalil.com
12-11-2003 |