Aussichten für 2004:
Das Ende der Rezession?
Von Nehemia Strasler, Haaretz, 01.01.2004
In meinen Träumen sehe ich, wie sich
Finanzminister Benjamin Netanyahu im Juni 2004 in der Sonne räkelt,
mit einem großen Grinsen im Gesicht. "Nu, was hast Du jetzt zu
sagen? Siehst Du, dass ich recht hatte als ich im November 2003
sagte, dass kein Zweifel daran besteht, dass wir aus der Rezession
heraus sind? Vielleicht wirst Du jetzt damit aufhören, all diese
verächtlichen und skeptischen Dinge zu schreiben - Du kannst sehen,
dass wir bald ein Wachstum von 5 Prozent erreichen werden."
Ich erwache schweißgebadet. Hat Netanyahu wirklich
recht, können wir zu einem schnellen und stabilen Wachstum von 5
Prozent zurückkehren - ohne jegliche Verbindung zum Kriegszustand
mit den Palästinensern? Eines ist Ende 2003 undiskutabel: Netanyahu
war erfolgreich damit, - mit Hilfe der Kreditgarantien - den
Abwärtstrend aufzuhalten. Unmittelbar nachdem er dieses Amt im
Februar 2003 erhalten hatte (überraschenderweise), hat Netanyahu die
Atmosphäre verändert.
Er nahm Kürzungen von 9 Billionen NIS im Budget
vor, reduzierte den Anteil des öffentlichen Sektors, versprach eine
lange Liste von Reformen und begann von einer freien Wirtschaft zu
sprechen. Die Öffentlichkeit glaubte ihm, und nach dem Schrumpfen in
zwei aufeinanderfolgenden Jahren, verzeichnete das
Bruttoinlandsprodukt ein Wachstum von 1,2 Prozent. Das Problem ist,
wenn man mit Geschäftsleuten, Industriellen, Händlern und
Freiberuflichen spricht, sie alle über das Anhalten der Rezession,
einem scharfen Einbruch im Verkauf, Bankrotten und Entlassungen
klagen.
"Die Vorhersagen des Wachstums wurden überhaupt
nicht erfüllt", sagt Arik Raichman, Geschäftsführer von Tnuva, das
einen großen Teil des Nahrungssektors kontrolliert. "Genau im
Gegenteil - in den letzten Monaten ist die Situation viel schlimmer
geworden."
Tatsächlich zeigen die Zahlen, die von den
Supermarktketten übermittelt wurden, einen Abfall beim Kaufverhalten
der Konsumenten; Importeure beklagen den Sprung in den Preisen von
Autos, Möbeln, Fernsehern und Computern; die Leute gehen weniger in
Restaurants und Kinos; und das Baugewerbe, ein wichtiger
Wachstumsmotor, steckt ebenfalls fest.
Was steckt also hinter den Wachstumsmaßnahmen von
2003? Exporte, die um 5,5 Prozent anstiegen - das ist jedoch ein
sehr unsymmetrisches Wachstum. Es wird in den Tiefen der Wirtschaft
überhaupt nicht wahrgenommen, wo die Rezession in vollem Ausmaß
weiter wirkt, mit Entlassungen und Lohnkürzungen. Es ist daher kein
Wunder, dass die allgemeine Öffentlichkeit keine Verbesserungen
spürt - vielleicht sogar das Gegenteil.
Auch wenn das nächste Jahr ein Wachstum von 2,5
Prozent bringt (wie es die Pläne des Finanzministeriums vorsehen),
wenn die Wirtschaft aus einer Rezession kommt, haben es Arbeitgeber
nicht eilig, neue Angestellte einzustellen oder neue Produktlinien
einzuführen. Zuerst nutzen sie den Vorteil der bestehenden
Arbeitskraft und Produktionsmöglichkeiten. Die Arbeitslosigkeit wird
also nicht weniger und die Löhne werden nicht steigen.
Anfänglich werden die Früchte des neuen Wohlstands
von den Unternehmern geerntet und der Graben zwischen Reich und Arm
wird sicher ausweiten und vertiefen. Nur wenn das Wachstum 5 Prozent
erreicht und alle Sektoren umfasst wird die Arbeitslosigkeit
abnehmen, die Löhne ansteigen und eine Veränderung eintreten.
Können stabile 5 Prozent Wachstum wirklich
erreicht werden ohne ein Ende des Krieges mit den Palästinensern?
Bevor er zum Finanzminister ernannt wurde, sprach er jede Verbindung
zwischen der Sicherheitslage und der ökonomischen Krise ab. "Das
sind zwei unterschiedliche Wege", sagte er. "Frieden und Sicherheit
bestimmen nicht den Wohlstand eines Landes; das Level an Freiheit in
der Wirtschaft schon."
Während seines ersten Jahres im Amt, änderte
Netanyahu diese Ansicht als er sah, dass die Anschläge in Jerusalem,
Tel Aviv und Hadera die Wirtschaft behinderten. Das ist der Grund
für seine Annahme des Trennungszauns. Diese grausame sich windende
Schlange jedoch - die Gemeinden trennt, die Bauern gewaltsam von
ihren Feldern trennt, die Millionen von West Bank Bewohnern in eine
ausgetrocknete Insel ohne Entwicklungsfähigkeit sperrt - wird die
Zahl der Anschläge nicht reduzieren, sondern erhöhen.
Kein Zaun kann Selbstmordattentäter stoppen. Sie
werden sich verkleiden, um einen der 34 Übergange zu passieren, sie
werden darüber klettern und Tunnels unter den unbewachten Sektionen
graben, sie werden Raketen und Mörser abfeuern. Und wenn der Terror
weitergeht, wird die Wirtschaft nicht mit einer jährlich stabile 5
Prozent Rate wachsen können.
Welche Lösung werden und Premierminister Ariel
Sharon und Netanyahu dann anbieten? Die Vergrößerung des Zaunes mit
einer kugelsicheren Glaskuppel über Israel - mit einigen Löchern
darin für El Al Flugzeuge.
hagalil.com
01-01-2004 |