"Wenn es kein Brot gibt, kauft ein DVD":
Wirtschaftsmaßnahmen von Netanjahu
Alle Zeitungen berichteten in großem Umfang über
die neuen Wirtschaftsmaßnahmen von Finanzminister Netanjahu. Er gab eine
breite Steuersenkung bekannt, unter anderem der Mehrwertsteuer von 18
auf 17% und der Erwerbsteuern auf Elektrogeräte. Die Maßnahmen haben
sofort eine breite Protestfront bei den sozialen Organisationen und der
Opposition ausgelöst, wo es heißt "Wenn es kein Brot gibt, kauft ein
DVD". Im folgenden einige Pressekommentare aus der Tageszeitung Jedioth
Achronoth:
Die Prioritätenliste des Finanzministers
Aus dem Leitartikel, 12.02.04
Benjamin Netanjahu ist ein Finanzminister, der sich
ein Ziel gesetzt hat, das er entschlossen verfolgt. Um es zu erzielen,
schreckt er nicht davor zurück, neue Fronten zu eröffnen und an allen
gleichzeitig zu kämpfen: gegen die Minister in seiner Regierung, gegen
die Leiter der Kommunen, gegen die Hafenarbeiter, gegen die Armee.
Das Ziel Netanjahus ist klar: den Anteil der Regierung
an der Wirtschaft zu schmälern und den Anteil der Bürger und der
Geschäfte zu vergrößern. Seiner Meinung nach ist die aufgeblasene
Regierung die Wurzel allen Übels in der israelischen Wirtschaft. Weniger
Regierung, mehr Wachstum- sagt er, weniger Steuern, mehr Beschäftigte.
In dem strategischen Chaos, das heute in der israelischen Regierung
herrscht, ist es gut, dass es zumindest einen Finanzminister gibt, der
weiß, was er will.
Aber es ist nicht alles Ideologie. Auch ein
Finanzminister, der völlig anders denkt als Netanjahu, hätte die
Mehrwertsteuer und die Zölle gesenkt, denn damit wird die Kaufkraft der
Bürger und damit das Wirtschaftswachstum erhöht. In der gegenwärtigen
Situation der israelischen Wirtschaft kann kein professioneller
Wirtschaftler die gestrigen Maßnahmen Netanjahus kritisieren, sondern
ihn nur dazu beglückwünschen.
Die Maßnahmen erfolgten jedoch, nachdem Netanjahu die
Einkommenssteuern der hohen und sehr hohen Einkommen bereits um
Milliarden gesenkt und den fast letzten Tropfen aus den meisten
Ministerien herausgequetscht hat. Sie bergen also wirtschaftliche und
soziale Risiken. Ist es wirklich vorzuziehen, dass Israel ein Staat ist,
in dem der höchste Steuersatz 39% beträgt, in dem es auf die meisten
Gebrauchgegenstände keine Erwerbsteuer gibt und die Mehrwertsteuer auf
nur 17% steht, das Schulsystem, Wohlfahrt, Gesundheit und die
öffentlichen Verwaltungen jedoch nicht in der Lage sind, den Bürgern das
erforderliche Minimum an Dienstleistungen zu liefern?
Es kann sein, dass Benjamin Netanjahu noch feststellen
wird, dass die Prioritätenliste der Bürger Israels ein wenig anders
aussieht als seine.
Alles wegen des Brots
Von Gad Lior
Das war ein unglaublicher Trick von Netanjahu.
Er erklärt zwar schon seit 11 Monaten, dass er immer mehr Steuern kürzen
wird, und es stimmt auch, dass er gestern einfach sagte, was ich
versprochen habe, halte ich auch. Und dennoch, in vielen Ministerien gab
es Personen, die einen nicht zufälligen Zusammenhang zwischen der
Erklärung von Minister Olmert - dem Rivalen Netanjahus beim Erbkrieg um
das Amt des Ministerpräsidenten- bezüglich der Anhebung des Brotpreises
vor nur 48 Stunden, und der Geschwindigkeit feststellten, mit der
Netanjahu seine Entscheidung über die große Steuersenkung traf.
"Bibi hat Olmert eins ausgewischt", freute sich
gestern ein Regierungsbeamter. "Die Öffentlichkeit meint jetzt, Olmert
sei 'der Böse', der das Brot teuer macht, und Bibi der 'Gute', der die
Steuern senkt."
Und wenn in einem halben Jahr wegen dieses Tricks
wieder Kürzungen im Staatsetat vorgenommen werden müssen, weil es "ein
Loch in der Kasse" gibt, wer wird sich dann noch daran erinnern, dass
der Grund dafür die große Steuersenkungsparty Netanjahus ist. Und
vielleicht, so witzelte man gestern in politischen Kreisen, ist Bibi
dann schon längst MP, und ein anderer Finanzminister wird sich mit der
schlechten Lage der Staatskasse auseinandersetzen müssen.
Herr Benjamin und Mister Netanjahu
Von David Regev
Herr Benjamin und Mister Netanjahu haben wieder
zugeschlagen.
Nachdem sein bitterer Rivale, Industrieminister
Olmert, vorgestern die Brotpreise angehoben hat, beschloss
Finanzminister Netanjahu, dass Volk mit Spielen zu erfreuen. Wie es
gestern so schön hieß- wenn sie schon kein Brot haben, sollen sie
wenigstens DVD sehen.
Nur- als Mister Netanjahu das Volk erfreute, beeilte
sich Herr Benjamin, den Etat für Erziehung, Wohlfahrt und Gesundheit um
weitere 6% zu kürzen. Irgendjemand muss die Spiele ja finanzieren. Jetzt
können die Bürger also billig Kühlschränke und Waschmaschinen kaufen,
aber bezahlen dafür mit ihrer Gesundheit und der Erziehung ihrer Kinder.
Vielleicht werden sie einen großen, modernen Kühlschrank haben, aber es
ist fraglich, ob sie ihn auch füllen werden können.
Und Mister Bibi? Der lacht sich auf dem Weg zu den
Wahlurnen eins ins Fäustchen.
hagalil.com
13-02-2004 |