Wahlkampf auf dem Schlachtfeld
Israels Verteidigungsminister Ben-Elieser von der Arbeitspartei rüstet sich für
die Zeit nach Scharon
Von Thorsten Schmitz
In Israel ist, mehr als ein Jahr vor der regulären nächsten
Wahl im November 2003, bereits der Wahlkampf ausgebrochen. Verteidigungsminister
Benjamin Ben-Elieser von der Arbeitspartei "Awoda" möchte Premierminister Ariel
Scharon vom rechts-nationalen Likud beerben - dies erklärt die atemraubenden
Pirouetten, die Ben-Elieser in diesen Wochen vorführt.
Eine der Haupthürden hat der aus dem Irak stammende
Verteidigungsminister auf dem Parteitag seiner "Awoda" mit Bravour genommen. Als
Parteivorsitzender hat er es geschafft, dass ein Antrag zum Austritt der mit
24Sitzen stärksten Fraktion aus der Regierungskoalition erst gar nicht in die
Agenda aufgenommen wurde.
Ben-Elieser möchte das Tempo selbst bestimmen - und konnte
zugleich seinen Erzrivalen Chaim Ramon ausstechen, der am liebsten Parteichef
würde und Ben-Elieser angesichts dessen chamäleonhafter Züge Bigotterie vorwarf.
Tatsächlich ist schwer auszumachen, welche politische Idee den
Verteidigungsminister antreibt. Im Vergleich zu seinem kosmopolitisch-
intellektuellen Parteikollegen und Außenminister Schimon Peres betreibt Ben-
Elieser geradezu tölpelhaft das Geschäft der großen Politik.
Änigmatisch hält er mal eine militärische Lösung des
Nahost-Konflikts für ausgeschlossen, mal favorisiert er die Einmärsche der
israelischen Armee in die Palästinensergebiete. Mal äußert er Kritik an Scharons
rein militärisch orientierter Strategie, mal nimmt er den Premierminister vor
den Rufen seiner Parteimitglieder nach sofortigem Austritt aus der Koalition in
Schutz. Ben- Elieser ist dabei - wie fast alle Ex-Generäle in Israel - getrieben
von dem eitlen Wunsch, das Land zu regieren. Viel Zeit aber bleibt ihm nicht
mehr: In wenigen Wochen beginnt die dreimonatige parlamentarische Sommerpause,
im Oktober oder bereits im August bestimmt die "Awoda" in einer
innerparteilichen Wahl ihren Spitzenkandidaten, im November werden in den USA
Zwischenwahlen im Kongress abgehalten, und Anfang kommenden Jahres sollen die
Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde und deren Parlament neu bestimmt
werden - zu konkreten politischen und diplomatischen Initiativen wird es
angesichts der vielen anstehenden Wahlen nicht kommen. Dem Nahen Osten droht
eine Stagnation auf politischer Ebene.
Ben-Elieser ist das Kunststück gelungen, die in zwei Lager
gespaltene "Awoda" zumindest vordergründig zu einen. Selbst prominente
"Awoda"-Politiker wie Ex-Außenminister Schlomo Ben-Ami und Knesset-Präsident
Avraham Burg, die einen Rückzug aus dem Kabinett als einzige Möglichkeit zur
Gesichtswahrung sehen, verschafften sich auf dem Parteitag kein Gehör. Sogar
Scharons Vorgänger Ehud Barak antichambriert nun für Ben-Elieser, aus ganz
eigennützigem Grund: Barak erhofft sich einen Posten in dessen Regierung. Längst
hat der glücklose Scharon-Vorgänger seinen Schwur beim Rücktritt gebrochen, er
werde sich völlig aus dem politischen Geschäft zurückziehen.
Ben-Elieser geht derweil mit einem Plan hausieren und auf
Stimmenfang, der keine neuen Anstöße enthält, sondern lediglich auf vorhandenen
Ideen beruht: Die Palästinenser sollen einen vorläufigen Staat erhalten, Israel
soll sich - durch einen Zaun entlang der Grünen Grenze im Westjordanland -
temporär von den Palästinensern physisch trennen, bis mit einer reformierten
Palästinenserführung wieder Endstatusgespräche möglich sind, und Außenposten
jüdischer Siedler sollen aufgelöst werden. Damit wurde in diesen Tagen bereits
begonnen. Mit Blick auf den Parteitag ließ Ben-Elieser medienwirksam 13
isolierte jüdische Siedlungen räumen und warb mit der angeblichen Einsicht, dass
deren Existenz Israel nur schadet. Der Verteidigungsminister verschwieg
allerdings, dass fast alle diese angeblichen Siedlungen unbewohnt waren. Das
einzige Leben, das dort zwischen Karawanen und Wassertanks anzutreffen war,
waren Wachhunde.
haGalil onLine 04-07-2002 |