
Alles Taktik:
Scharon zur Zukunft des Nahen Ostens
Von Thorsten Schmitz
Israels Premier Ariel Scharon wählt seine Worte in rein
innenpolitischer Absicht. Mit seiner Rede über die Schaffung eines
palästinensischen Staates hat Scharon am Vorabend der Wahlen im
Machterhaltungstrieb das politische Zentrum Israels besetzt. Einerseits stellt
er den Staat Palästina in Aussicht, um den Weg für Koalitionsverhandlungen nach
seinem zu erwartenden Sieg Ende Januar mit der Arbeitspartei Awoda zu ebnen.
Scharon braucht die Awoda, um seiner Regierung das Feigenblatt vom nationalen
Konsens anzuhängen.
Andererseits stellt Scharon für den Palästinenserstaat derart
strikte Bedingungen, dass die Palästinenser die Vorstellungen, wenig
überraschend, umgehend ablehnten. Damit rückt Palästina gleich wieder in weite
Ferne und der potenzielle rechte Koalitionspartner ist ruhig gestellt. Scharon
geht weit hinter die 95-Prozent-Offerte seines Vorgängers Ehud Barak zurück und
bietet den dreieinhalb Millionen Palästinensern einen Staat auf 42 Prozent des
Westjordanlandes und auf drei Vierteln des Gaza-Streifens – wohl wissend, dass
von ihm der völlige Rückzug Israels aus den im Sechs-Tage-Krieg von 1967
besetzten Gebieten gefordert wird.
Mit Blick auf seine Klientel brüskiert Scharon auch die
US-Regierung: Präsident Bushs Agenda sieht ein provisorisches Palästina bereits
2003 vor und verlangt von Israel einen Baustopp bei den Siedlungen. Doch Scharon
lehnt einen Zeitrahmen ab und lässt gar 14 Siedlungen im Westjordanland
erweitern. Vor wenigen Monaten noch hatte Scharon einen Palästinenserstaat "in
frühestens zehn Jahren" in Aussicht gestellt. Sinn ergibt das also nicht mehr –
höchstens für den Wahltaktiker Scharon.

hagalil.com
06-12-02 |