
Israels "Awoda" wählt eine neue Führung:
Amram Mitzna Favorit für Vorsitz der Arbeitspartei
Haifas Bürgermeister
soll Scharons Ex-Koalitionspartner aus dem "Tal der Depression"
holen / Ben-Elieser vor Ende
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – Die etwa 110000 Mitglieder der
israelischen Arbeitspartei "Awoda" sind an diesem Dienstag
aufgerufen, einen neuen Vorsitzenden und somit einen Kandidaten für
die Parlamentswahlen am 28. Januar zu bestimmen. Sollte nach
Schließung der Wahlurnen um 23 Uhr kein Kandidat mindestens 40
Prozent der abgegeben Stimmen erhalten haben, wird es zu einer
zweiten Wahl-Runde am 3.Dezember kommen. Als Kandidaten für den
Vorsitz haben sich Chaim Ramon, Amram Mitzna und Benjamin
Ben-Elieser nominieren lassen.
Ben-Elieser, 62, führt bislang die "Awoda" und
wird von einem Großteil ihrer meist im Rentenalter befindlichen, aus
Europa stammenden Klientel für die Identitätskrise verantwortlich
gemacht, in der sich die Partei befindet. Jüngsten Umfragen zufolge
wird die "Awoda" bei den Wahlen im Januar ihren Sitzanteil in der
Knesset halbieren, höchstens aber 20 Sitze (derzeit 25) erringen.
Der Niedergang der Partei Jitzhak Rabins und David
Ben-Gurions wird von ihren Mitgliedern auf die Tatsache
zurückgeführt, dass ihre prominentesten Vertreter wie Ben-Elieser
und Schimon Peres der Koalitionsregierung Ariel Scharons angehört
haben. Dies habe den Ruf der "Awoda" ruiniert, sagt Parteimitglied
Jossi Beilin. Sie habe einer Regierung angehört, die den von der
"Awoda" mitinitiierten Friedensprozess von Oslo ausgelöscht und auf
die palästinensische Gewalt lediglich mit Gegengewalt reagiert habe.
Die Quittung für die Teilnahme der "Awoda" an Scharons
ultrarechts-religiöser Koalition wird Ben-Elieser womöglich nach der
heutigen Wahl erhalten, obwohl er die Partei zum Auszug aus Scharons
Koalition veranlasst hatte. Der Bürgermeister Haifas und frühere
Intifada-General Mitzna wird Umfragen zufolge auf 40 Prozent kommen,
Ben-Elieser lediglich auf 20, Ramon auf zehn. Ben-Elieser, der als
Verteidigungsminister unter Scharon dessen Militäroperationen
gebilligt hat und sich nun mit Blick auf die heutige Wahl gegen
diese ausspricht, wird vermutlich am Dienstagabend seine politische
Karriere vorerst beenden.
Mitzna, 57, dagegen wird vorausgesagt, er werde
die Partei aus "dem Tal der Depression" (so ein Radiokommentator)
holen. Sollte Mitzna zum Vorsitzenden gewählt werden, könnte dies
Konkurrenz für Scharon oder Netanjahu vom rechtsnationalen Likud
bedeuten (der Likud wählt am 28. November einen neuen Vorsitzenden).
Als bereits zum zweiten Mal gewählter Bürgermeister Haifas, wo Juden
und israelische Araber in relativer Harmonie leben, verfügt Mitzna
über einen hervorragenden Ruf unter den eine Million israelischen
Arabern. Deren Votum könnte wahlentscheidend sein. Bei der Wahl vor
zwei Jahren hatten sie sich mehrheitlich enthalten, weil sie den
damals amtierenden "Awoda"-Premier Ehud Barak für die Tötung von 13
israelischen Arabern durch israelische Polizisten zu Beginn der
Intifada verantwortlich gemacht hatten.
Mitznas Gegenprogramm zur Taktik Scharons ist ein
Dialog mit den Palästinensern und die Forderung nach Auflösung der
meisten jüdischen Siedlungen. Wenn er sehe, wie eine Ausgangssperre
über die zu vier Fünfteln autonome Palästinenserstadt Hebron
verhängt werde, damit jüdische Siedler in der Altstadt auf ihrem Weg
zu heiligen Stätten unbehelligt blieben, erklärte Mitzna letzte
Woche: "Dann schäme ich mich dafür." Sollten Verhandlungen mit den
Palästinensern fehlschlagen, propagiert Mitzna die einseitige
physische Trennung von den Palästinensern und ihren Gebieten.

hagalil.com
25-07-02 |