Entscheidung des Obersten Gerichts:
Wahlen bereits im November 2006
Das oberste Gericht Israels
hat am Dienstagnachmittag entschieden, dass die nächsten
Parlamentswahlen in Israel bereits am 7. November 2006 und nicht erst im
November 2007 stattfinden werden. Das Gericht gab damit der Klage der
Fraktionen Hadash-Ta'al und Yachad sowie der Parlamentsabgeordneten
Dalia Itzik (Arbeitspartei) und Azmi Bishara (Balad) statt.
Die Klage richtete sich gegen
die Entscheidung der ehemaligen Vorsitzenden des Wahlausschusses der
Knesset Dalia Dorner, wonach die Legislaturperiode im November 2007
endete. Das Gericht entschied zugunsten der Kläger, da bei der Änderung
des Wahlgesetzes (Abschaffung der Direktwahl des Ministerpräsidenten)
und bei der Auflösung der Knesset im Jahr 2002 die Regierung Sharon die
nächsten Wahlen für den November 2006 angesetzt hatte. Dieses Datum
resultierte aus dem mehrfachen vorzeitigen Auflösen der Knesset.
Die ehemalige Vorsitzende des
Wahlausschusses setzte den November 2007 auf der Grundlage der fast
fünfjährigen Legislaturperiode der Knesset fest. Diese Argumentation
lehnten die Richter ab, weil bei der Änderung des Wahlgesetzes
festgelegt wurde, dass die aktuelle Sitzungsperiode drei Jahre und neun
Monate dauert und nicht wie normalerweise vier Jahre und neun Monate.
Dazu ein Kommentar von Nadav
Eyal
aus der Tageszeitung Maariv vom 7. Juli, 2004:
Siegesfanfaren, und dahinter Sorge
Gestern wurde ein Stein ins
politische Schwimmbecken geworfen. Nicht nur einfach ein Stein- ein
Felsbrocken. Die Wellen, die nach dem Beschluss des Obersten Gerichts
entstanden, brachten den gesamten politischen Apparat ins Schaukeln.
Ganz einfach gesagt bedeutet der Beschluss, dass die Amtszeit von
Ministerpräsident Sharon verkürzt wird und in einem Jahr und vier
Monaten das Wahljahr beginnt. Die Manövrierfähigkeit Sharons wird
deutlich eingeschränkt, und von nun an muss er auch auf die
Likudmitglieder Rücksicht nehmen.
Die Auswirkungen auf das
Loslösungsprogramm sind zweiseitig: Einerseits wird Sharon den Prozess
beschleunigen wollen, um zumindest eine Maßnahme vor den Wahlen
abzuschließen, ein Erfolg, den er dann der gemäßigten Öffentlichkeit
präsentieren könnte. Andererseits wird die Ablehnung innerhalb des Likud
zunehmen (Minister und Abgeordneten vergessen für keinen Moment, dass
sie von der Zentrale gewählt werden, eine rechten Institution). Und
überhaupt, die Fähigkeiten Sharons werden immer weniger werden, je näher
der Wahltermin rückt. Jeder politische Faktor wird an sich und sein
Überleben denken, und nicht mehr so sehr an politische Programme und
regionale Entwicklungen. Aber man sollte nicht vergessen: In Israel ist
fast jedes Jahr ein Wahljahr. Vielleicht wird man keine großen
Veränderungen spüren.
Bei der Avoda beeilte man sich
gestern, Siegesfanfaren ertönen zu lassen, aber hinter diesen verbirgt
sich große Sorge. Normalerweise sollte sich eine Opposition über
vorgezogene Wahlen freuen, denn Wahlen bieten die Möglichkeit zu einer
Wende. Die Avoda zeigt jedoch, dass sie eine ganz besondere Opposition
ist. Erstens hat sie einen Vorsitzenden, der sich schämt zuzugeben, dass
er gerne noch einmal für das Amt des MP kandidieren möchte Die
offizielle Haltung von Shimon Peres lautet, dass er "nicht
Ministerpräsident sein will". Die offizielle Bedeutung lautet, dass die
Avoda der israelischen Öffentlichkeit keine Alternative anbietet. Wenn
man darüber nachdenkt, dann ist das eine verrückte Situation: Der großen
Oppositionspartei steht, zwei Jahre vor den Wahlen, ein Mann vor, der
kein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten ist. Natürlich glaubt
ihm in der Avoda keiner. Alle, aber auch wirklich alle, sind überzeugt,
dass er kandidieren will. Und genau das ist der Grund für die Sorge.
Es gibt natürlich auch noch die
lästige Geschichte der Einheitsregierung. Das grundlegende politische
Interesse der Avoda ist es, außerhalb der Regierung zu bleiben, denn man
kandidiert nicht aus einer Einheitsregierung heraus bei Wahlen (wie es
Shimon Peres schon einige Male am eigenen Leib erfahren musste). Deshalb
sind die Chancen für eine Einheitsregierung eigentlich gering.
Andererseits kann es sein, dass es andere, nicht ganz so saubere,
Interessen gibt, wie z.B. den Wunsch der hohen Avoda-Mitglieder,
Minister zu sein. Dann würden jetzt ganz schnell Verhandlungen
stattfinden, um so schnell wie möglich in die Regierung zu gelangen, für
ungefähr ein Jahr lang, um dann ein Jahr vor den Wahlen wieder
auszutreten.
Ach ja, dann gibt es auch noch
die potenziellen Kandidaten, die im Dunkeln auflauern: Ehud Barak,
Benjamin Netanjahu und andere Gestalten, die im letzten Moment
auftauchen werden. Sie nahmen das gestrige Urteil mit gemischten
Gefühlen auf: Jetzt müssen Entscheidungen getroffen werden, und zwar
sofort, bevor das mythologische Team Sharon-Peres sich ganz elegant für
weiter vier Jahre etabliert.
hagalil.com
08-07-2004 |