Miflagoth:
Parteien in Israel
Der Staat Israel wird katastrophal regiert:
Tief in der Patsche
Eitan Haber kommentiert die Vorwahlen
(Primaries): "Anstatt die klügsten, gebildetsten und
professionellsten Leute ins israelische Parlament zu holen, setzt
man uns eine Ansammlung bizarrer Typen vor, deren Lebenslauf,
Tätigkeit, Erfahrung und Erfolge sich in zwei Zeilen - mit doppeltem
Abstand zwischen den Worten - zusammenfassen lassen.
Das trifft natürlich nicht auf alle zu: sowohl im Likud als auch
in der Avoda sind auch bewährte, hochqualifizierte Leute gewählt
worden. Trotzdem, es stimmt einfach nicht, dass die Knesset einen
Querschnitt aus allen Schichten des Volkes darstellen sollte. Ganz
im Gegenteil: Die Vertreter des Volkes sollten die Besten der Besten
sein, so wie in anderen Parlamenten auch. Wir aber lassen uns von
obskuren Funktionären repräsentieren, von denen niemand zu sagen
weiß, wie sie eigentlich in die Knesset gekommen sind. Von Leuten,
die mit Geld das Recht kaufen, seltsame Gesetze zu erlassen und
öffentliche Gelder wahllos zu verschwenden. Wir sitzen wirklich tief
in der Patsche, deep shit.
Vor ein paar Tagen veröffentlichte Avigdor Vilnetz, einer der
größten Hightech-Leute in Israel, einige Ansichten, die uns
aufhorchen lassen sollten: ‘Unser Staat wird katastrophal regiert.
Die Dinge könnten überhaupt nicht schlechter laufen. Es gibt kein
Nachdenken, keine Vision. Ich sehe keine Zukunft.’ Angesichts
wahrhaft existenzieller Bedrohungen, Fragen von Leben und Tod, die
es als dringlich notwendig erscheinen lassen, dass eine Gruppe von
genialen, hochintelligenten, erfahrenen und erfolgreichen Juden aus
dem Ausland die Dinge in die Hand nimmt, stimmen wir für Leute, die
Würstchen mit Ketchup und Senf an die Wähler verteilen. Wir haben
nichts Besseres verdient als diese Würstchen".
Fast noch drastischer drückt es das national-religiöse Zentralorgan
"haZofeh" aus: Diese Vorwahlen in den großen Parteien waren kein
wirkliches Fest der Demokratie. Die Vorwahlen im Likud und in der
Avoda sind von schrillen Tönen und Korruptionsverdächtigungen
begleitet. Das Chaos, das im Likud herrschte, ist eine Schande für
die Demokratie, und in der Avoda wird man vermutlich wegen des
Verdachts ermitteln müssen, dass MdK Eli Ben Menachem einem Rivalen
Bestechung angeboten hat, damit er seine Kandidatur zurückzieht. In
beiden Parteien waren die ‘Abschusslisten’ das Tagesgespräch. Die
Medien senden Berichte, die uns im Ausland als korrupte
Bananenrepublik erscheinen lassen. Solche Dinge lassen sich nicht
verbergen, und Israels Image als innenpolitisch korrumpiertes Land
kann auch unserer Sicherheit schaden. Andere Staaten werden mit uns
wirtschaftlich nicht kooperieren wollen, und das bestärkt einige von
ihnen noch in ihrer Weigerung, Israel lebensnotwendige militärische
Ausrüstung zu verkaufen. Fast noch schlimmer sind aber die Folgen in
der israelischen Öffentlichkeit. Hier erzeugen solche Bilder nur
noch Ekel und es ist kein Wunder, dass die Leute dann keine Lust
haben, wählen zu gehen".
Angesichts derartiger Kritik findet Ofer Shelach (Jedioth) nach
einem Blick in's Ausland doch noch ein paar tröstende Worte und
meint der Zirkus sei nur ein scheinbarer: "Zur vernichtenden Kritik
der Medien an den Vorwahlen in den beiden großen Parteien, die
zweifellos berechtigt ist, lässt sich immerhin sagen, dass es
anderswo nicht besser ist. Überall findet bei Wahlen so ein Zirkus
statt, wie uns unzählige Hollywood-Filme über die amerikanischen
Wahlen gezeigt haben. Überall gibt das Geld den Ausschlag, und
überall spielen das Parteiprogramm, die wirklich wichtigen Fragen
und die persönliche Leistung eine Nebenrolle.
Die Vorwahlen im Likud und in der Avoda standen ganz und gar im
Zeichen der Ablenkung von den eigentlichen Problemen. Auch der
Erfolg, um den die Kandidaten so schwer gerungen haben, ist
weitgehend ein Scheinerfolg. Die Knesset ist eine schwache
Körperschaft, die gegen die Exekutive wenig ausrichten kann und
keine Inhalte aufzuweisen hat. Doch die Alternativen zu diesem
demokratischen Wahlprozess sind die früher üblichen
Nominierungskomitees der Partei, der Rat der Thoragelehrten oder
eine Verlosung der Plätze. Wem das Niveau der Gewählten nicht passt,
kann selbst in die Politik gehen.
Wenn die Wahlen im Likud etwas gezeigt haben, so ist es die
Tatsache, dass gerade in diesem Zirkus jeder eine Chance hat, denn
die Knessetliste ist voll neuer Namen, und die Ausgebooteten der
alte Garde, Politiker, denen wir seit Jahren vorgeworfen haben, sie
hätten nichts gemacht, werden zum Abschied gelobt, als seien sie
gestürzte Giganten".
dg /
hagalil.com
16-12-2002 |