
Wahlprognose:
"Scharon gilt immer noch als der
liebe Opa"
Unter Scharon hat die
Gewalt gegen Israelis zugenommen. Trotzdem wird Likud die Wahlen
gewinnen, meint der Politologe Efraim Inbar
Interview: Susanne
Knaul
taz: Seit vor drei Wochen
die Korruptionsaffäre des Likud bei der Kandidatenaufstellung für
die Knesset öffentlich wurde, holt die Arbeitspartei in den Umfragen
auf. Wird mit den neuen Terroranschlägen dieser Aufschwung gestoppt?
Efraim Inbar:
Der Stimmenverlust des Likud bedeutet nicht, dass die Arbeitspartei
stärker geworden ist. Die Korruptionsaffäre hat nicht der
Arbeitspartei geholfen, sondern der Schass und auch den rechten
Parteien.
Dennoch ist die Affäre
schon jetzt zentrales Thema der Arbeitspartei.
Die Arbeitspartei ist für Likud-Wähler
keine Alternative, vor allem nicht mit dem derzeitigen
Parteivorsitzenden, Amram Mitzna. Der genießt keinerlei
Glaubwürdigkeit.
Ariel Scharon sind derzeit
angesichts der US-amerikanischen Angriffspläne gegen den Irak die
Hände gebunden. Wie würden Sie sein Image bei den Wählern
beschreiben?
In der Politik spielen alle möglichen,
irrationalen Elemente eine Rolle. In der Öffentlichkeit hat Scharon
immer noch das Image des Glaubwürdigen. Schließlich hat er Neuwahlen
eingeleitet. Er agiert vorsichtig und überlegt, und er hat in einer
Zeit, die keinesfalls leicht für Israel war, die guten Beziehungen
zu den USA bewahrt. Er gilt noch immer als der gute und seriöse Opa.
Arbeitspartei-Chef Mitzna hat dagegen keine Chance.
In Scharons Regierungszeit
sind 700 Israelis Opfer von Anschlägen geworden. Ist es nicht ein
Mythos, dass er seinem Volk Sicherheit verschafft?
Die Mehrheit der Öffentlichkeit weiß,
dass dafür nicht die Schuld bei Scharon, sondern bei Arafat zu
suchen ist. Die Öffentlichkeit denkt eher, dass die Regierung nicht
genug unternimmt.
Die Maßnahmen der Regierung
haben sich als unwirksam herausgestellt. Wäre es nicht an der Zeit,
andere Wege zu gehen?
Die Gewaltwelle ist ja gerade die Folge
von dem Versuch, andere Wege zu gehen. Deshalb ist die israelische
Linke auch in so großer Not.
Der Likud wird versuchen,
mit den Anschlägen zu beweisen, dass das eigentliche Thema der
Wahlen nicht die Korruption sein darf, sondern die Sicherheit. Ist
den Wählern tatsächlich nichts anderes wichtig?
Fest steht, das bestätigen auch die
Umfragen, dass der Öffentlichkeit die Sicherheit am wichtigsten ist.
Bis zu den Wahlen haben wir noch drei Wochen, da kann noch einiges
passieren.
Zum Beispiel?
Weitere Anschläge, neue Erkenntnisse im
Korruptionsskandal. Wir sind ein dynamisches Land.
Welche Antworten liefert
die Arbeitspartei in der Sicherheitsfrage?
Die Idee der einseitigen Trennung ist
für viele attraktiv. Aber die Arbeitspartei will ja nicht nur die
Trennung. Mitzna hat die Wiederaufnahme von Verhandlungen
angekündigt. Das mögen die Israelis nicht. Es geht außerdem vor
allem um Personen. Mitzna repräsentiert die extreme Linke, und das
in einer Zeit, in der man die Mitte ansprechen müsste. Wahltaktisch
war die Aufstellung Mitznas ein Fehler. In den letzten 25 Jahren hat
die Arbeitspartei zwei Wahlen gewonnen - beide Male mit
ausgesprochenen Falken, Generälen, die eine Politik der harten Hand
verfolgten.
Würden Sie der
Arbeitspartei empfehlen, die beiden damaligen Wahlgewinner Ehud
Barak und Jitzhak Rabin für ihren Wahlkampf zu nutzen?
Ich glaube nicht, dass das Stimmen
bringen würde - beide stehen für einen Prozess, der gescheitert ist.
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07-01-2003 |