Miflagoth:
Parteien in Israel
Die Vorwahlen - Bestimmung der Listenplätze im Likud
„Chaos“, „Basar“, „Karneval“:
Tumulte im Likud
Aus dem Misserfolg Sharons, seine Leute in
die Parteispitze hineinzumanövrieren, resultiert die Befürchtung, dass
die Partei durch das Vordringen der Netanyahu-Anhänger ein
rechtsradikales Image bekommt.
Scharon war über die Ergebnisse enttäuscht und rief
seine Getreuen an, um die aus der Parteispitze abgedrängten zu trösten.
Ehud Olmert spricht trotzdem vom Austritt. In der israelischen Presse
ist man der überwiegenden Ansicht, dass seit Erstellung der Wahllisten
des Likud die nächste Regierung festgelegt wurde.
In Jedioth mokiert sich Nachum Barnea über die
Vorwahlen im Likud, über die Verschwendung, den Müll, den
ohrenbetäubenden Lärm, die Unseriösität, die Vulgarität: "Es war weiß
Gott kein ‘Fest für die Demokratie’. Der Likud wird den Voraussagen nach
doppelt so stark aus der Knessetwahl hervorgehen und damit womöglich das
seit der großen Niederlage der Arbeitspartei im Jahre 1977 entstandenen
Zweiparteiensystem, in dem sich die beiden großen Parteien mehrmals
gegenseitig ablösten, ein Ende machen. Die verlorenen Söhne kommen zum
großen Teil wieder zurück, von David Levy bis zu Dan Meridor. Der Likud
hat in den zwei Jahren unter Sharons Führung einen gewaltigen
Machtzuwachs zu verzeichnen. Doch diese Macht sollte nicht nur als eine
Gelegenheit gesehen werden, die Annehmlichkeiten auszukosten, die hohe
Ämter mit sich bringen.
Macht ist ein Pfand, eine Verantwortung, und Arroganz
ist der Fluch der Sieger. Nicht nur im Likud, auch in den anderen
Parteien haben die wirklich guten und geeigneten Leuten offenbar
beschlossen, sich nicht auf den Leidensweg zur Spitze zu begeben. Das
jetzige Erfolgsrezept wird mit zu vielen obskuren Geschäften, mit
Schmeicheleien, Bitten und Flehen, Pressionen und Betrug oder
innenpolitischem Basargerangel à la Lod und Ramle erkauft, bei dem statt
Unterhosen und Strümpfen Ministersessel verkauft werden.“
Nadav Eyal spricht in M'ariw sogar von einem Putsch
beim Likud-Parteitag und Yoel Karni (Jedioth) fasst zusammen: "Sharon
wurde von rechts überholt! Mindestens die Hälfte der ersten Zehnergruppe
ist gegen Sharons Politik, und das ist noch gar nichts gegen die
Schwierigkeiten, die sie ihm machten werden, wenn er eine
Einheitsregierung gründen will". Ein Sharon nahestehender hoher
Likud-Politiker sagte: "Es gab eine Intifada gegen den ganzen
Sharon-Block. Bibi hat die Fraktion erobert und Hanegbi wird ein
wichtiges Ressort verlangen".
Unter diesen Vorzeichen sieht Dan Margalit (M'ariw)
Scharon schon als den "einsame Premier": "Sharon hat auf dem Weg zur
nächsten Regierung eine schwere Schlappe erlitten. Keiner von den zehn
ersten Kandidaten auf der Likud-Liste hat sich im Wahlkampf, der den
Vorwahlen vorausging, mit seinen Positionen identifiziert. Der oberste
auf der Liste, der seine Ansichten unterstützt, ist Mofaz, der auf den
12. Platz verwiesen wurde. Sharon wird ein einsamer Premier im
Panzerturm sein. Netanyahu wird nicht nur Außenminister, sondern auch
der Führer eines rührigen Blocks, eine aufsteigende Kraft. Es wäre
verfrüht, etwas Definitives über den Zusammenhang zwischen der
Abstimmung in der Likud-Zentrale und den moderaten Ansichten auszusagen,
die Sharon letzthin vorgebracht hat. Vielleicht wäre es taktisch besser
gewesen, wenn er sich bei dem Herzliya-Kongress in seiner Rede nicht
erneut zu Bushs Friedensfahrplan und der Gründung eines
palästinensischen Mini-Staates bekannt hätte, anstatt damit zu warten,
bis die Vorwahlen gelaufen sind. Vielleicht hat Mitzna ('Awodah) jetzt
eine Chance, den Wählern klarzumachen, dass auch wenn Sharon Frieden
machen will, und er auf der palästinensischen Seite jemanden findet, der
den Mini-Staat in 40% der Westbank unterstützen würde, Scharon dazu
nicht in der Lage wäre, weil ihm die Likud-Zentrale die Hände bindet.
Außerdem hat das altneue Wahlsystem eine neue
Situation geschaffen. Die Wähler werden begreifen, dass die eigentliche
Entscheidung jetzt wieder diejenige zwischen Likud und Awodah ist, was
Israel eine stabilere Regierung bescheren wird, die sich auf große
politische Parteiblocks stützt, doch Sharons Position schwächen wird. Er
kann jetzt nicht mehr mit seinem Rücktritt drohen, der zu einer
Auflösung der Knesset führen würde, bevor die Abgeordneten ihren
parlamentarischen Status bis zum Ende der vierjährigen Kadenz
ausgekostet haben. Trotzdem glaube ich nicht, dass das Wahlergebnis in
erster Linie ein Protest gegen das Bush-Konzept und gegen einen
palästinensischen Staat war. Während der langen Wahlnacht zählte ich
etwas 500 Leute, die mir schulterklopfend erzählten: ‘Was für ein Fest
... Was für ein Karneval ... Wie in Rio ... Wir genießen es so, dass die
Kandidaten uns nachlaufen. Wer gibt (nämlich Aufsichtsratsposten),
kriegt auch was (nämlich Stimmen).’ Was sagt das über sie aus? Was sagt
das über uns aus? ... Was für ein Fest. Auch eine lustige Demokratie
kann traurig sein."
Zu einem vernichtenden Urteil kommt Mordechai Gilat.
Unter der Überschrift "Sharons Traumequipe" schreibt er in Jedioth:
"Scharon weiß ganz genau, welche mangelhafte Ware ihm die Likud-Zentrale
angedreht hat.
Stimmt es, dass die Likud-Delegierten sich wie Mafiosi benommen haben?
Schwer zu sagen, doch wer bei der Zentralversammlung im
Ausstellungsgelände in Tel Aviv dabei war und die Typen gesehen hat,
wäre nicht erstaunt, wenn diese Behauptung sich als zutreffend
herausstellte. In der Regierungspartei sitzen schon längst Kriminelle
oder ihre Handlanger, die nur für ihr Bankkonto sorgen. Für sie ist die
Partei ein Instrument zur Förderungen ihrer privaten Geschäfte".
dg / hagalil.com / 15-12-02
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