
Tomislav Lapid im Profil:
Chef von Israels Schinui-Partei und möglicher
Königsmacher
Von Thorsten Schmitz
Tomislav Lapid, genannt Tommy, sieht den Parlamentswahlen in
Israel mit großer Gelassenheit entgegen: Nach den Prognosen wird seine Partei
Schinui (Wechsel) ihre derzeit sechs Knesset-Mandate verdreifachen können. Der
71-jährige, aus Jugoslawien stammende Holocaust-Überlebende spricht von Israels
"historischer Chance", denn tatsächlich besteht zum ersten Mal in der Geschichte
des Staates die Möglichkeit, eine rein säkulare Koalition zu bilden, ohne die
Unterstützung der Ultra-Orthodoxen. Lapid möchte als Königsmacher die
Arbeitspartei Awoda und Regierungschef Ariel Scharons Likud zu einer gemeinsamen
Koalition bewegen, die zusätzlich von der linken Meretz-Partei unterstützt
würde. Zusammen kämen die vier weltlichen Parteien auf etwa 70 Mandate im
120-köpfigen Parlament.
Zwar hat Awoda-Chef Amram Mitzna eine Koalition mit dem Likud
ausgeschlossen, doch die Arbeitspartei hat schon oft ihr Wort gebrochen. Auch
Scharon wäre an einer säkularen Koalition interessiert, denn Koalitionen nur mit
Religiösen halten erfahrungsgemäß nicht, da diese mit ihren Partikularinteressen
die jeweiligen Premierminister erpressen.
Der langjährige Journalist ist verheiratet mit der Krimi-Autorin
Schulamit Lapid.Sein Sohn Jair leitet eine Talkshow und wurde von Israels Frauen
zum sexiesten Mann gekürt. Der Vater verkauft seine Partei als progressiv, doch
besitzt Schinui kein Programm für den Ausweg aus der Intifada und stellt auch
nicht die jüdische Besiedlung von Westjordanland oder des Gaza-Streifens in
Frage.
Einzig und allein Furore macht die 1974 gegründete Partei mit
ihrem Hass auf alles Ultra-Orthodoxe. Schinui will alle Privilegien der
Religiösen wie etwa die Ausnahme vom Militärdienst und Subventionen für deren
weltfremdes Erziehungssystem streichen. Auch an Samstagen sollen Linienbusse
fahren und El Al fliegen dürfen. Dafür wird die Partei von den jungen
Aschkenasen im Lande geliebt, den europäischen Juden. Auf den ersten 15
Listenplätzen finden sich ausschließlich Rechtsanwälte, Professoren und Manager
– kein einziger Sepharde, also aus dem Orient stammender Jude.
Das Image einer westlich orientierten Partei verblasst indes,
wenn man Lapids Äußerungen aus der jüngsten Vergangenheit nachliest. Er macht
sich über Frauen lustig, die für ihre Rechte kämpfen, äußert Ekel vor Schwulen
und mokiert sich über den Einfluss der Araber auf den Alltag der Israelis.
Inzwischen hat sich Lapid auch strikt gegen eine Koalition mit den arabischen
Parteien ausgesprochen.
Der frühere Justizminister Jossi Beilin hält Schinui für
gefährlich. Die Partei sei nationalistisch, ihre Inhalte grenzten an Rassismus.
Der Hass Lapids auf alles Religiöse hat ihm Morddrohungen aus Kreisen der Ultra-
Orthodoxen eingebracht – und Worte des Bedauerns, dass er im Holocaust nicht
umgekommen sei. Doch bestimmt die Konfrontation nicht jede Minute im Leben
Lapids. In der Cafeteria der Knesset sieht man ihn immer mal wieder am Tisch
sitzen mit Mitgliedern der ultra-orthodoxen Schas-Fraktion, wie sie sich Witze
erzählen und lauthals lachen.

hagalil.com
17-01-03 |