
In Haaretz nach der Wahl:
Eine Zusammenfassung heutiger Kommentare
Übersetzung Daniela Marcus
In Richtung nächste Wahl
Auszüge aus dem Leitartikel, Ha'aretz,
29.01.2003
TV-Umfragen und die ersten Wahlergebnisse
bestätigten gestern die Tendenzen, die öffentliche Meinungsumfragen
bereits vorhergesagt hatten – die Likud-Vertretung im Parlament ist
bedeutend gestiegen und Ariel Sharon wurde in eine Position
gebracht, die praktisch garantiert, dass der Präsident ihn mit der
Regierungsbildung beauftragen wird.
Die Arbeiterpartei, die in den Umfragen eine Niederlage erlitten
hatte (und beinahe Shinui an sich vorbeiziehen ließ), ist dazu
bestimmt, in der nächsten Knesset die schwierige Rolle des
Oppositionsführers zu spielen.
Das nationale Interesse diktiert, dass beide Parteien die Rollen,
die die Wähler für sie ausgesucht haben, übernehmen sollten...
Enormer Druck, Kompromisse zu schließen und sich einer Regierung
unter Ariel Sharon anzuschließen, wird aus verschiedenen Richtungen
auf die Arbeiterpartei ausgeübt werden. Die Argumente werden
vernünftig klingen: Die Interessen des Staates stehen auf dem Spiel;
eine stabile Regierung wird gebraucht; Amerikas Krieg im Irak;
palästinensischer Terror; tiefe Wirtschaftskrise...
Jedoch - die Rolle der Arbeiterpartei in der 16. Knesset wird sein,
den Teil der Öffentlichkeit zu repräsentieren und zu führen, der sie
und die anderen linken Parteien unterstützt. Wenn sie das ohne
Zögern tut, wird sie dem Land am besten dienen und eine Möglichkeit
schaffen, die politische Heimat einer zukünftigen Mehrheit zu
werden...
Heute beginnt der Wahlkampf für die 17. Knesset.
Ein Pyrrhus-Sieg
Auszüge aus Yoel Marcus' Kommentar zu den
Wahlen, Ha’aretz, 29.01.2003
Ein kleiner Rat an Sharons treue Freunde,
Ratgeber und Unterstützer: Prahlt nicht, tanzt nicht auf den
Dächern, trinkt nicht zu viel Champagner. Die Wahlübung könnte sich
noch in Sharons Pyrrhus-Sieg verwandeln. Für alle, die es nicht
wissen: Pyrrhus, der König von Epirus, schlug die Römer, doch er
verlor seine Armee und prägte im 3. Jhdt. vor der christl.
Zeitrechnung den Satz: "Noch ein Sieg wie dieser und wir sind
verloren."
Sharon hat die Arbeitspartei geschlagen, die sowieso schon in den
Seilen hing. Er erhöhte Likuds Vertretung in der Knesset bedeutend.
Doch zu allererst legte er sich selbst die Daumenschrauben an. Mit
der Öffentlichkeit, die sich nach rechts wandte und dem Kollaps des
Friedensprozesses steht er nun dem Alptraum einer schmalen, extremen
Regierung gegenüber... Sharon wird ein Gefangener der extrem Rechten
sein...
Sharon spricht leidenschaftlich von einer Einheitsregierung, doch er
weiß nicht, wie er sie formieren soll. Entweder zählt er auf eine
Spaltung in der Arbeitspartei oder darauf, dass sie ohne Mitzna
zurückkehrt. Oder er zählt auf Shinui, die immer noch eine Art UFO
ist...
In jeder Konstellation, egal wie sie ausfällt, wird Sharon das Opfer
seiner Fehler in der Vergangenheit sein...
Im Moment wird der Weise der Arbeiterpartei raten, sich nicht an
einer Regierungskoalition zu beteiligen, sondern sich als eine
Alternative zu zeigen. Eine extreme Regierung wird sowieso nicht
lange dauern. Mit der selben Leidenschaft, mit der die Menschen
Sharon gewollt haben, könnten sie ihn loswerden wollen. Sharon hat
diesen Film schon einmal gesehen.
Notwendige Schritte
Auszüge aus Ze'ev Schiffs Kommentar,
Ha'aretz, 29.01.2003
Es ist egal, ob die nächste Regierung eine
schmale Rechtsregierung ist oder eine große Koalition aus rechten
und linken Parteien. Denn jede Regierung wird folgende Schritte der
Diplomatie und Sicherheit gehen müssen, wenn sie eine ernsthafte
Verschlechterung der Situation in Israel vermeiden möchte:
- Sie muss vermeiden, sich in den Gazastreifen
hineinziehen zu lassen..... Wenn sich Israel in dicht besiedelte
palästinensische Gebiete begibt, wird es in einen
Zermürbungskrieg schlittern, den es verlieren wird. Hamas ist
daran interessiert, uns in diese Falle zu locken.....
- Bis die Irakfrage gelöst ist, sollten die
Amerikaner nicht durch militärische Ausbrüche gestört werden,
die Gefahr laufen, die Situation ausarten zu lassen.....
- Die Regierung muss sich vor der
Verschlechterung der militärischen Situation im Norden in Acht
nehmen. Diese könnte durch eine falsche Bewertung der Lage durch
Israel oder durch die Hisbollah hervorgerufen werden.....
- An den anderen Grenzen sollte Israel mit der
Errichtung des Sicherheitszaunes fortfahren. Diesen sollte man
jedoch nur als zusätzliches Hindernis gegen Terroranschläge
betrachten und nicht als allumfassende Lösung derselben.
- (...)
- Es ist notwendig sich nicht nur mit Slogans,
sondern mit diplomatischen Schritten auf das, was nach dem
Irakkrieg kommt, vorzubereiten. Wenn wir keine Abkommen
initiieren, werden sie uns aufgedrängt werden. Deshalb müssen
wir die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückholen,
bevor die Hamas die Oberhand gewinnt.....
- Wenn die Verhandlungen mit den Palästinensern
erneut in einer Sackgasse enden, ist es nötig, mit größerer
Ernsthaftigkeit ein Friedensabkommen (inklusive Konzessionen)
mit den Syrern zu sondieren.....
- Israel muss mehr investieren, um die
Beziehungen zu Jordanien zu verbessern und die
jordanisch-ägyptische Achse zu stärken.....
- Unter keinen Umständen dürfen der arabischen
Minderheit in Israel gleiche Rechte verweigert werden. Es ist
jedem klar, dass diese Gleichheit nicht darauf abzielt, etwas an
der Tatsache zu ändern, dass Israel der Staat des jüdischen
Volkes ist.....
Sharon verfolgt das kleinere Übel
Auszüge aus Yossi Verters Kommentar zu den
Wahlen, Ha'aretz, 29.01.2003
Die durchschnittlichen Ergebnisse aller drei
TV-Umfragen zeigen, dass es Ministerpräsident Ariel Sharon möglich
sein wird, innerhalb einer Woche eine rechte –inklusive der
Ultra-Orthodoxen- Koalition zu bilden, die für eine lange Zeit
bestehen könnte.
In kürzlichen privaten Unterhaltungen hatte Sharon
jedoch wiederholt erklärt, dass es keine rechte Regierung geben
wird. Sharon sieht sich nicht als Kopf einer Koalition, die die
National-Union-Partei mit ihrem Führer Avigdor Lieberman
einschließt. Dies wäre eine Regierung, die jedem politischen
Fortschritt Halt gebieten würde, die darauf drängen würde, Arafat
auszuweisen und die Israel die amerikanischen Kreditversprechen
vorenthalten würde.
In den nächsten 42 Tagen wird Sharon alles, was ihm möglich ist,
tun, um eine nationale Einheitsregierung, ähnlich der vorherigen,
also inklusive der Arbeitspartei, auf den Weg zu schicken. Wenn er
darin versagt, wird er sich Shinui nähern und der anti-religiösen
Partei einen Platz in einer schmalen, rechten Regierung mit oder
ohne Shas anbieten. Wenn er auch darin versagt, wird Sharon
gezwungen sein, eine Regierung zu bilden, die er nicht möchte –eine
rechte Regierung mit den Parteien der Religiösen- und hoffen, dass
er die Zusammensetzung später ändern kann.....
Eine schmale Rechtsregierung würde tägliche Schläge von Seiten einer
effizienten und aggressiven Opposition, bestehend aus der
Arbeiterpartei, Shinui und Meretz, entgegen nehmen müssen. Für solch
eine Regierung wäre es schwer zu arbeiten, vor allem aufgrund der
ökonomischen und sozialen Probleme und der Sicherheitsprobleme. Doch
sie würde nicht sehr schnell fallen.
hagalil.com
29-01-2003 |