
Regierungsbildung in Israel:
Scharon holt National-Religiöse ins Kabinett
Arbeitspartei dagegen bricht Gespräche mit der
Likud-Partei ab / Armee tötet sechs Palästinenser im Gaza-Streifen
Von Thorsten Schmitz
Jerusalem – Nach achtstündigem Verhandlungsmarathon haben sich
der national-konservative Likud-Block von Israels Regierungschef Ariel Scharon
und die National-Religiöse Partei (NRP) am Sonntagmorgen auf einen
Koalitionsvertrag geeinigt. Die Arbeitspartei Awoda sagte ein für Sonntag
anberaumtes Gespräch mit Scharon daraufhin ab. Ihr Vorsitzender Amram Mitzna
erklärte, es gebe nun keine Grundlage mehr für eine mögliche Koalition mit dem
Likud.
Zuvor hatte Scharon nach Angaben israelischer Medien letztmals
versucht, Mitzna zur Umkehr zu bewegen, und davon gesprochen, durch einen
Beitritt der Awoda in die Regierung könne "Geschichte gemacht werden". Die
Arbeitspartei jedoch hatte die Offerte ausgeschlagen und die Koalition Scharons
als "rechtsextrem" bezeichnet. Die Awoda wird nun nach den Worten Mitznas in der
Opposition bleiben.
Der Likud hatte bei den Parlamentswahlen Ende Januar 38 Mandate
erzielt und konnte durch die Aufnahme der Israel-b‘Alija-Partei des russischen
Dissidenten Nathan Scharanski zwei weitere Mandate hinzugewinnen. Die NRP
erzielte sechs Mandate. Als wahrscheinlich gilt nun, dass Scharon die säkulare
Schinui-Partei zur Regierungsbeteiligung verpflichten wird, die über 15 Mandate
verfügt und zum politischen Zentrum gehört. Die Gespräche mit Schinui sollen in
den kommenden Tagen abgeschlossen werden, hieß es aus Likud-Kreisen. Insgesamt
verfügte Scharons Koalition dann über 61 Abgeordnete im 120-köpfigen Parlament.
Sollte es bei dieser Konstellation bleiben, würde der Likud erstmals ohne die
ultra-orthodoxe Schas-Partei regieren.
Die NRP gilt als siedlerfreundliche Partei, die die Besiedlung
von Westjordanland und Gaza-Streifen unter Hinweis auf die Bibel legitimiert.
Ihr Vorsitzender Effi Eitam sagte am Sonntag, er habe mit Scharon eine
Vereinbarung über weiteren Siedlungsbau erzielt. Eitam ist ein messianisch-
religiöser Brigade-General der Reserve, der voraussichtlich Wohnungsbau-
Minister im Kabinett wird. In jüngster Zeit hatte er mit seinen Ansichten
Aufsehen erregt. Eitam bezeichnete Palästinenser und arabische Israelis als
"Krebs in unserem Land" und spricht sich für einen "Transfer" der Palästinenser
nach Jordanien aus.
Der bisherige Oppositionsführer Jossi Sarid von der linken
Meretz- Partei hatte Eitam als Rassisten bezeichnet, der arabische
Knesset-Abgeordnete Achmed Tibi als "Teufel" und als "kleinen Haider". Eitam
soll in der ersten Intifada den Befehl erteilt haben, Palästinensern Arme und
Beine zu brechen.
Beim Einmarsch der Armee in Beit Chanun im Gaza-Streifen wurden
Rundfunkberichten zufolge mindestens sieben Palästinenser getötet. Von Beit
Chanun aus waren in jüngster Zeit Raketen auf die israelische Stadt Sderot
abgefeuert worden. Im Zentrum des Gaza-Streifens wurde ein Palästinenser
erschossen, der versucht hatte, in eine jüdische Siedlung einzudringen.
Heckenschützen töteten im Süden des Gaza-Streifens einen israelischen Soldaten.

hagalil.com
24-02-03 |